Alkoholentzug vor stationärer Behandlung?

#1
Ihr Lieben,

ich hätte da mal eine Frage an die Klinik-erfahrenen unter euch.
Ich habe vor im Januar nach 15 Jahren Bulimie endlich in eine Klinik zu gehen. Bisher sieht es ganz gut aus und ich bin zuversichtlich, dass mich die Klinik meiner Wahl aufnehmen wird. Was mir allerdings zu schaffen macht ist folgendes: Ich habe in den letzten Wochen, in denen es mir echt übelst ging, neben dem Fressen und Brechen auch noch ziemlich heftig Alkohol getrunken. Ich bin schon sehr lange ein "Abendtrinker", d.h. ohne ein, zwei Glas Wein gehe ich selten ins Bett, aber in dieser Phase war es definitiv oft eine ganze Flasche, und wenn nicht, dann nur weil ich noch 2 Schnäpse obendrauf gekippt habe...Gut, die Hälfte hab' ich eh wieder ausgespuckt, aber trotzdem hatte das Besorgnis erregende Ausmaße.
Ich habe das dem ärztlichen Dienst der Klinik alles erzählt und jetzt glauben die, ich sei Alkoholiker und wollen mich nicht ohne vorherigen Entzug (am besten stationär in der Psychiatrie :shock: ) aufnehmen, da sie die körperlichen Folgen fürchten.
Ehrlich gesagt finde ich das etwas albern. Ich kann durchaus mehrere Tage nichts trinken, wenn ich z.B. auf Dienstreise oder krank bin; ich werde weder zittrig noch dürstet mich total nach meinem "Stoff", noch werde ich agressiv... Ich bestreite nicht, dass ich psychisch abhängig von Alkohol bin, bzw. das der Genuss von Wein und Co. sehr stark an bestimmte Situationen gekoppelt ist (Einsamkeit, Trauer, Selbstverletzungswunsch oder - auch mal positiv - einfach aus geselligen Gründen :wink: ), aber das ich ein körperliches Alki-Wrack sein soll, dass mit den Hardcore-Junks ind der Psychiatrie entziehen muß - dass finde ich dann doch ganz schön krass.
Alternativ habe ich heute meine Hausärztin gefragt, ob sie den Entzug (der laut des ärztlichen Diestes 10 Tage dauern sollte) ambulant mit mir durchführen würde. Gott sei Dank tut sie das, aber nix da mit 10 Tagen vor der Klinik - nein, jetzt sofort muß es sein. Also muß ich jetzt jeden morgen zu ihr, um Bericht zu ertstatten über meinen Abstinenzerfolg, regelmäßige Blutkontrollen werden gemacht etc..
Ganz ehrlich gesagt finde ich das nicht so toll. Ich empfinde mich nicht als "Alki". Ich trinke niemals tagsüber, habe immer super Leberwerte gehabt, bewältige einen anspruchsvollen Job und habe ein sehr intaktes Sozialleben. Natürlich sollte ich weniger trinken, das ist mir klar. Aber ich hatte nicht vor zum Abstinenzler zu werden, ich wollte nur "beweisen", dass ich keine körperlichen Entzugssymptome habe, damit sich die Leute aus der Klinik keine Sorgen darum machen müssen. Und schwupps - bin ich quasi ein "Dauer-Ausnüchterungsfall", und das in der Vorweihnachtszeit, humpf...

Wie sind eure Erfahrungen mit Bulimie, Klinik und Alkohol? Hat jemand schonmal einen ntzug gemacht? Ich würde mich über ein paar Erfahrungsberichte sehr freuen.

Liebe Grüße,
Bela
Aufstehen - Staub abklopfen - weitermachen.

Re: Alkoholentzug vor stationärer Behandlung?

#2
Hallo Bela,

ganz schön krass! Da entscheiden Leute über deinen Kopf hinweg, was du zu tun oder zu lassen hast, stellen voreilige Diagnosen ohne dir richtig zuzuhören und meinen, sie wüssten was für dich das Beste ist. Das hört sich fast nach Entmündigung an :evil:
Und was willst du?
Nun, ich hatte auch ein Alkoholproblem. Ähnlich wie du das beschreibst war ich nicht körperlich abhängig und konnte wochenlang ohne Alkohol auskommen, dann gab es wieder Phasen wo ich fast täglich ne Flasche Wein getrunken habe. Besonders heftig wurde es bei mir immer vor Klinikaufenthalten, ich bin sogar angetrunken zu den Kliniken gefahren. Natürlich habe ich ihnen von meinem Alkoholproblem erzählt und wir haben auch ausgemacht, dass für mich strengstes Alkoholverbot gilt und gelegentlich ein Alkoholtest gemacht wird. Sobald ich aber dort war, hatte ich nie das Bedürfnis zu trinken, war ja dort um zu heilen und meine ganzen Masken fallen zu lassen.

Übrigens, ich trinke heute keinen Schluck Alkohol mehr :D Nicht, weil ich es mir verbiete, sondern weil ich das Gefühl, angetrunken zu sein, nicht mehr mag und alleine der Geruch mich davor abhält.

Also, entscheide selber was du für dich als richtig erachtest und vertrete diese Meinung.

ich wünsche dir alles Liebe

Re: Alkoholentzug vor stationärer Behandlung?

#3
Hallo Bela,

also, ich kann die Ärzte schon verstehen. aus dem Grund, dass man bei einem Alkoholentzug auch sterben kann. Das will die Klinik natürlich nicht verantworten. Und trinken in der Klnik geht natürlich auch nicht. Wie willst Du sonst bitteschön an Deine Gefühle herankommen, die ja wichtig sind für die Therapie?

Außerdem: Bekanntermaßen hat man ja nicht gerade den objektivsten Blick auf den eigenen Alkoholkonsum. Es gibt viele Leute, die wie Du einen Job haben, ein Sozialleben und auch mal tageweise ohne Alkohol auskommen. Und die rotzdem Alkoholiker sind.

Insofern stimmt das schon alles. Du solltest das Problem nicht unterschätzen. Und was ist so shlimm daran, Dauerabstinenzler zu sein? Bin ich auch. Deswegen hat mein Leben nicht weniger Lebensqualität. Sondern vermutlich eher mehr.

Lg

Sophie
So spricht der Herr: "[...] Nein, wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er klug sei und mich erkenne, daß nämlich ich, der Herr, es bin, der auf Erden Gnade, Recht und Gerechtigkeit schafft!" (Jeremias 9,22-23)

Re: Alkoholentzug vor stationärer Behandlung?

#4
Hallo,

Ich musste vor meiner stat. Therapie 08 auch keinen Entzug machen. Aber ich wurde hin und wieder zum Alkoholtest geholt.

Naja, vllt. denken sie, Du schummelst etwas bei den Angaben und wollen sichergehen ;)

hmmm :roll:

In den geschlossenen/ und offenen Entzügen gibt es schon Leute, die keine Tabletten bekommen, weil sie körperl. nicht abhängig sind. Und auch Leute, die nicht sooo viel getrunken haben. Und klar gibts dann auch die harten Fälle, die immer wieder kommen/kamen (so wie ich mal :-X)) ).
Trinke mal ein paar Tage nichts und schaue, wie es Dir so geht. Ich glaube, dann weißt Du selber, ob vllt. doch auch eine körperliche Sache in Frage kommt.


Naja, ansonsten: Als Ärztin bzw. Medizinstudentin (hast Du mal iwo erwähnt ;) ) weißt Du ja, was Alkohol so bewirkt. Ist Deine Sache, ob Du weiterhin trinkst. ;)

LG und alles Gute :)
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.

Re: Alkoholentzug vor stationärer Behandlung?

#5
Ob du dich selber beschummelst oder nicht, kann hier ja keiner beurteilen, aber ich kann dir von mir sagen, das ich auch in meiner Bulimie täglich Hefeweizen getrunken habe.. (teilweise edit Flaschen) und klar geht die Hälfte ins Klo,
Das Alkohol und Bulimie oft zusammenspielen ist denke ich allen bekannt.

Ich kurriere mich gerade selber zu Hause aus der Bulimie raus und habe ab dem ersten Tag normal esssen kein tTopfen Alkohol angefasst und es auch nicht vermisst! ich denke man hat da ganz andere Gedanken udn Probleme *lach*.
Es ist wohl leider etwas was einfach oft aneinander hängt, auch ich habe nur Abends getrunken und sonst normal Job etc gehabt und konnte auch ohne auskommen, somit hab weniger Angst, eigentlich löst sich das Problem meist von selber in der Therapie. Wenn deine Angaben stimmen, denke ich das du keinen Entzug machen müsstest, aber nun da du es aber leider schon der Klinik mitgeteilt hast, musst du da durch.. Hab aber keine Angst!



edit von equilibre (bitte forenregeln beachten)
Zuletzt geändert von equilibre am Mi Dez 05, 2012 15:12, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Alkoholentzug vor stationärer Behandlung?

#6
Hallo Bela!

Ich arbeite im Spital und kann dir aus Ärztesicht sagen, was sich da in den Köpfen der Kollegen abgespielt haben wird. Aus Erfahrung wissen wir, dass Menschen, die ein Alkoholproblem haben das tendenziell untertreiben. Ich habe nicht erst einmal erlebt, dass Patienten in ein Alkoholentzugsdelir gekommen sind, die mir beim Aufnahmegespräch noch versichert haben, dass sie nur "ab und an einmal ein Bier" trinken. Und das ist dann alles andere als lustig!

Eine Entmündigung (wie Andalucia schreibt) sehe ich hier aber absolut nicht. Sie sagen, dass sie sich nicht (zu)trauen dich ohne Entzug aufzunehmen, das ist ihr gutes Recht. Sie zwingen dich nicht zum Entzug, du kannst auch einfach so weitermachen, nur dass sie dich dann halt nicht stationär nehmen würden, weil sie das für sich sonst nicht verantworten können.

Ebenso mit deiner Hausärztin: Du willst im Advent weitertrinken und trotzdem in die Klinik? Gut, nur musst du dann halt vorher auf die Psych. Willst du nicht? Nun, man kann nicht alles haben, es gibt auch Spielregeln im Leben. Dass die Hausärztin (die ja an deiner Gesundung interessiert ist und eine Flasche Wein am Tag ist alles andere als gesund und auch nicht wenig) nicht sagt "gut, schädigen Sie Ihren Körper noch ein wenig und damit die Klinik sie nimmt machen wir vorher noch 10 Tage einen ambulanten Entzug" liegt wohl auch auf der Hand, oder? Damit würde sie sich auf die Seite des Alkohols stellen, nicht auf deine Seite. Und nachdem ich auch schon auf einer Station für Alkohol-Kranke war (die im übrigen gar nicht so schrecklich ist. ;) ) weiß ich, dass Kontrollen absolut nötig ist, weil Menschen mit einer Sucht (egal nach was, das Essen für uns Bulimiker hat da ja eine ähnliche Funktion) für ihr Suchtmittel viel machen, um an ihr Suchtmittel zu gelangen ohne es zugeben zu müssen, schummeln ist da noch das mindeste. Die Patienten dort sind teilweise mit über 1%o vom Ausgang zurück gekommen und schworen Stein und Bein, dass sie außer ein Schnitzel und ein Wasser nichts zu sich genommen hätten...

Ich sage nicht, dass das bei dir so wäre, nur warum die Ärzte (aus Erfahrung) so reagieren wie sie reagieren. Sie kennen dich nicht, wissen nicht wie sehr sie dir vertrauen können, also gehen sie auf Nummer sicher um sich und vor allem auch dich zu schützen. Sieh es als Chance nicht als unnötige Strafe! Ich hoffe du kannst, was ich geschrieben habe halbwegs annehmen und wünsche dir alles Gute!

Kibi
Zuletzt geändert von kleines Ich-bin-ich am Mi Dez 05, 2012 19:45, insgesamt 1-mal geändert.
Für uns sind die Anderen anders.
Für die Anderen sind wir anders.
Anders sind wir, anders die Anderen,
wie alle Anderen.

-Hans Manz-

Re: Alkoholentzug vor stationärer Behandlung?

#8
Hallo Bela,

mich würde ja mal interssieren, wie es jetzt weiter gegangen ist. Machst Du jetzt den Entzug mit Deiner Hausärztin? Und wenn nicht: Was machst Du sonst?

LG

Sophie
So spricht der Herr: "[...] Nein, wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er klug sei und mich erkenne, daß nämlich ich, der Herr, es bin, der auf Erden Gnade, Recht und Gerechtigkeit schafft!" (Jeremias 9,22-23)