therapeutische Wohngruppe

#1
Hallo ihr

Tut mir Leid, falls es so ein Thema schon gibt - hab grad ein Bisschen gestöbert, aber nichts gefunden, deshalb öffne ich ein neues Thema...
Ich habe das Gefühl, dass ich meine Bulimie alleine nicht mehr in den Griff bekomme, ich bin mittlerweile seit 4 Jahren in Therapie - 2x stationär - und zuhause bin ich immer wieder in meine alten Muster zurückgefallen. Deshalb hab ich mir überlegt, in eine WG für Essgestörte zu ziehen. Ich hab gehört, dass es das zB in München gibt. Jetzt wollte ich mich erkundigen, ob jemand Erfahrungen damit hat? Ich hab schonmal ein paar Berichte über so was gelesen und da waren alle begeistert. Ich stell mir das allerdings auch schwierig vor, da ich nächstes Jahr mein Abitur mache und ja jetzt nicht nochmal schnell die Schule wechseln kann...
Wäre nett, wenn mir jemand weiterhelfen könnte :)

Re: therapeutische Wohngruppe

#2
Hallo Lenchen,

also, Kätzchen wohnt in so einer therapeutischen WG für ESler... Kannst ihr ja mal ne pn schreiben. Soweit ich mich erinnere, hatte das seine guten Seiten und seine Schattenseiten. :roll: Die Betreuer sind wohl teilweise etwas komisch (ein Mal musste sie Abend mitessen, obwohl sie gerade einen FA gehabt hatte, der noch nicht mal verdaut war). Und die Mitbewohner können natürlich triggernd sein... Aber immerhin ging's ihr phasenweise mit der ES besser, soweit ich mich erinnere.

lg

aire

Re: therapeutische Wohngruppe

#3
Hey aire, finde ich ja krass, dass du dich noch an die Auseinandersetzung mit meier Betreuerin erinnern kannst! :mrgreen:

Ja, also ich habe bis vor 2 Monaten in einer betreuten WG gewohnt und bin dann nach einem dreiviertel Jahr frühzeitig ausgezogen, weil sie mich ab einem gewissen Punkt nicht mehr weitergebracht hat.
Aus heutiger Sicht würde ich eine therapeutische WG auf jeden Fall empfehlen- allerdings nicht eine, die auf ESler spezialisiert ist. Vielleicht hat meine WG das so komisch gehandhabt, aber das Thema Essen war einfach viel zu groß. Es gab nachmittags und abends Pflichtmahlzeiten, die IMMER wahrgenommen werden mussten, also auch, wenn man beispielsweise mit einer Freundin verabredet war (oder eben gerade einen risigen FA hatte). In meinem Fall war es einfach so doof, weil ich eh Schwierigkeiten dabei hatte, mich zu verabreden und durch die Pflichttermine war ich ohnehin schon eingeschränkt. Abgesehen von den Pflichtmahlzeiten gab es dann noch einmal wöchentlich Ernährungsberatung, Entspannungsgruppe, Gruppenstunde, gemeinsmes Kochen und Therapie. Eine gemeisame Freizeitaktion einmal im Monat war auch vorgesehen.
Also bevor alles in einen langen unübersichtlichen Text ausartet, schreibe ich einfach mal stichpunktartig auf, was für mich Vor- und Nachteile der therapeutischen WG waren:

Pro:
- ich habe meine solzialen Ängste reduzieren können, dadurch, dass ich mich Menscen zusammengewohnt habe, die mich voll und ganz verstehen konnten und wir uns gegenseitig unterstützen konnten
- ich habe gelernt, Mahlzeiten einzunehmen, von denen ich die Kalorien nicht weiß, ohne danach einen FA zu haben--> und somit habe ich auch gelernt gekochte Gerichte ohne schlechtes Gewissen zu essen
- ich habe gelernt, einen FA mittendrin zu stoppen
- ich bin mit einigen Gefühlen konfrontiert worden, die ich von mir gar nicht kannte, weil ich aushalten musste, ohne FA klarzukommen--> ich habe mich besser kennengelernt und auch meine Schwierigkeiten
- ich hatte jederzeit einen Ansprechpartner, wenn es mir nicht gut ging
- ich konnte mit der Zeit immer mehr Lebensmittel zu Hause lagern (vor der WG konnte ich nichts mehr zu Hause haben, jedes Nahrungsmittel endete in einem FA)
--> und somit musste ich nicht mehr jeden Tag einkaufen gehen
- ich habe generell mehr angefangen, meine Gefühle wahrzunehmen, wie ich mit ihnen umgehen soll, habe ich allerdings nicht mehr gelernt, da ich eben so früh ausgezogen bin

Contra:
- das Thema Essen war einfach viel zu groß
- mein Hinweis: Ekundige dich vorher, welche ESler in der WG wohnen, denn in meinem Fall waren alle außer mir anorektisch und da ist es sehr sehr schwer sich abzugrenzen!
- es gab keine Möglichkeit Mahlzeiten oder Termine ausfallen zu lassen (es gab nur einen Joker im Monat- also quasi durftest du einmal im Monat eine Mahlzeit ausfallen lassen für Verabredungen). Und kurz bevor ich ausgezogen bin, gab es sogar am Wochenende Pflichtmahlzeiten, da fühlte man sich also komplett eingegrenzt!
- es ist schon schwer, sich immer wieder eine Ausrede einfallen zu lassen gegenüber Freunden, wenn es um die Termine geht und vor allem kann man die Freunde solange ja nicht zu sich in die WG holen, solange sie nichts von der ES wissen

Es sind zwar nicht so viele Contrapunkte, aber dass das Thema Essen so groß gewesen ist, ist bei mir ein sehr sehr wichtiger Grund gewesen, um auszuziehen! Und eine, die direkt aus der Klinik kam, meinte auch, dass es selbst in der Klinik nicht so ein großes Thema war. Also ich meine, als ESler verbringt man ja schon sehr viel Zeit mit dem Thema, aber dort hatte ich das Gefühl, dass es so gut wie nichts anderes mehr in meinem Kopf gab!

Also wie ich schon sagte, eine therapeutische WG würde ich dir schon empfehlen, aber auf jeden Fall nicht die, in der ich gewohnt habe. Ich wollte dir gerade schreiben, dass ich keine nehmen würde, die auf ESler spezialisiert ist, aber es kann auch gut sein, dass andere einfach ganz anders arbeiten als die, in der ich war. Vielleicht sind sie ja gut!
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: therapeutische Wohngruppe

#4
Okay, danke für eure Antworten :)
Wie lange hat es denn gedauert, bis das alle genehmigt wurde und du einziehen konntest? War die WG weit weg von dir zu Hause? Lief das über so ne Organisation (ich hab von ANAD gehört)? Wie lange hättest du denn eigentlich dort wohnen sollen, wenn du nach nem Dreivierteljahr vorzeitig ausgezogen bist?
Wenn die WGs nicht auf Essstörungen spezialisiert sind, ist da beim Essen doch gar niemand dabei? Oder ist da die ganze Zeit jemand, der "aufpasst"?
Sorry, dass ich so viele Fragen stelle :oops:

Re: therapeutische Wohngruppe

#5
Lenchen+- hat geschrieben:Wie lange hat es denn gedauert, bis das alle genehmigt wurde und du einziehen konntest?
Das hat schon eine Weile gedauert...etwa 4 Monate. Das lag aber auch daran, dass mein Jugendamt sich total viel Zeit genommen hat bzw. mich die ganze Zeit unterschwellig abservieren wollte. Bis wir irgendwann einen Anwalt eingeschaltet haben, da ging dann mit einem Mal alles durchtbar schnell. :wink:
Das Gute ist aber auch gewesen, dass meine WG mir den Platz die ganze Zeit freigehalten hat und meinte, dass ich keine Angst haben brauche, sie würden auf mich warten. :D
Lenchen+- hat geschrieben:War die WG weit weg von dir zu Hause?
Naja schon, also ich bin dann von Niedersachsen nach Berlin gezogen, aber das lag auch daran, dass ich in Berlin studieren wollte und deshalb ohnehin dorthin gezogen wäre! :mrgreen:
Lenchen+- hat geschrieben: Lief das über so ne Organisation (ich hab von ANAD gehört)?
Also nicht das ich wüsste, ich habe mich nur mit dem Jugendamt und der WG in Kontakt gesetzt. Ich weiß nur, dass das von einem größeren Unternehmen finanziert wird, aber mit dem musste ich mich nich in Verbindung setzen..
Lenchen+- hat geschrieben: Wie lange hättest du denn eigentlich dort wohnen sollen, wenn du nach nem Dreivierteljahr vorzeitig ausgezogen bist?
Das ist individuell unterschiedlich. Durchschnittlich leben die Mädchen dort 1 Jahr, aber es gab auch welche, die 3 Jahre dort gewohnt haben. Für mich war eigentlich vorgesehen, dass ich auf jeden Fall 1 einhalb Jahre da wohne und wir dann weiterschauen, wie weit ich dann bin.
Lenchen+- hat geschrieben:Wenn die WGs nicht auf Essstörungen spezialisiert sind, ist da beim Essen doch gar niemand dabei? Oder ist da die ganze Zeit jemand, der "aufpasst"?
Öhm, da habe ich leider keine Ahnung, weil ich ja nur in der WG gewohnt habe, müsstest du vielleicht das Internet durchforsten oder mal durchklingeln! :mrgreen:
Lenchen+- hat geschrieben:Sorry, dass ich so viele Fragen stelle :oops:
Kein Problem! Ich finde es eher positiv, dass du dich vorher informieren möchtest! :D
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: therapeutische Wohngruppe

#6
Hallo Lenchen,

ich finde deine Idee sehr gut. Von ANAD in München habe ich nur positives gehört. Ich habe auch gerade ein Buch gelesen (Interdisziplinäre Therapie von Essstörungen), das von der Therapeutin dort geschrieben ist und das klingt alles sehr gut.

Ich hätte, wie Kätzchen beschreibt, meine Bedenken dass man sich halt nur noch auf das Thema versteift, das hab ich sogar in der Klinik schon gemerkt- andererseits legen die dort auch Wert auf außer- WGliche Freizeitaktivitäten, also dass du dir was mit "gesunden" Menschen suchst (ihr wisst schon).
Wäre es nicht einen Versuch wert?
Du könntest zB jetzt schon mal alles anfangen zu beantragen und dann nach dem Abi zB ein FSJ oder Praktika in München machen oder dir dort gleich ein Studium/ Ausbildung suchen. Letzteres klappt leider nicht immer so wie man das will.
Oder, wenn du denkst du packst das mt dem ganzen Jahr nicht mehr (ich kenne ja deine momentane Situation ein bisschen), ist es doch sicher auch möglich dass du so ein Zwischenjahr dort (in München) machst oder? Mir wurde das damals zwischen der elf und der zwölf vorgeschlagen, um eine Therapie zu machen... weiß nicht ob das was anderes ist, weil ich da ja krank geschrieben wäre...

so, das waren so meine Ideen...
achja: meine Freundin ist in einer TWG in Freiberg, weiß nicht ob das näher bei dir ist. Das ist die Internetseite dazu:
http://www.hella-essstoerung.de/html_do ... chtung.htm
ich kann dir leider nicht sagen, was sie nebenbei macht geschweige denn wie es ihr dort geht, wir haben seitdem leider keinen Kontakt mehr.
Ich weiß, dass dort auch alle Mahlzeiten Pflicht sind, aber irgendwie finde ich das auch ein bisschen verständlich? Naja zumindest die ersten Monate... dann könnte man es vielleicht irgendwann lockern...

und jetzt ist mir grad nochwas eingefallen, ich hatte mal überlegt in ein ACL- Haus zu gehen, da lebt man 1-2 Jahre in einer therapeutischen Familie sozusagen, da gibts irgendwie 50 oder mehr in Dtl, manche für Alkoholiker, Drogen, aber es gibt auch welche für ES:
http://www.acl-deutschland.de/die-rehab ... en-der-acl
da geht man allerdings nebenbei nicht arbeiten, also man hat dort halt Arbeitstherapie vormittags, aber ansonsten ist man da nur in Therapie. Ich hab dort ne Probewoche gemacht in einem der Häuser, wenns dich interessiert kann ich dir dazu mal mehr schreiben.

smutek
Zuletzt geändert von smutek am Fr Aug 05, 2011 19:28, insgesamt 1-mal geändert.
Ganz gleich,
was deine Mutti sagt,

Du bist eine Prinzessin.

Re: therapeutische Wohngruppe

#7
Danke nochmal für die Antworten... Sorry, dass ich erst jetzt schreibe, muss zur Zeit den ganzen Tag arbeiten und dann hab ich als abends keine Kraft & Zeit mehr gehabt, hier zu antworten.
Am Di hab ich frei, dann werd ich mal in München anrufen. Und vll frag ich meinen Therapeuten, ob er noch was hier in der Gegend weiß. Dann meld ich mich auf jeden Fall noch mal.
@ Smutek: Ja, mir dort einen Studienplatz zu suchen wär praktisch, München ist sowieso ne wunderschöne Stadt, dann könnt ich davon noch profitieren :)
Ich werd jetzt einfach mal schaun, wie sich die ES die nächste Zeit so weiterentwickelt, dann merk ich ja, ob es nötig ist, das Abi später zu machen oder ob ichs so lange noch aushalte. Hab heute nämlich schon Tag 2 geschafft - eig kaum zu glauben, so wies die letzte zeit lief :) Und mein Freund weiß jetzt auch von der Bulimie, habs ihm gestern Abend erzählt. Bei ihm bekomm ichs ja auch einigermaßen hin mit dem Essen, ich schau halt, dass ich so viel Zeit wie möglich bei ihm verbringe...

Danke ihr :)

Re: therapeutische Wohngruppe

#10
Aalso, ich hab mir das gestern mal angeschaut und das hat sich alles echt gut angehört. Also für Leute, die sowieso in der Nähe von München wohnen, muss das toll sein.
Bei mir stellt sich die Sache etwas schwieriger dar, ich könnte da zwar nach dem Abitur nächstes Jahr hin, allerdings wär das 4 Stunden von zuhause weg und mein Freund hat eigentlich nicht vor, nach München zu ziehen.
Geplant wären da 6 Monate und Ziel ist es ja, das Essen in den den Alltag zu integrieren. Wenn ich allerdings nicht in München wohnen bleiben möchte, kann ich ja dort auch nicht anfangen, zu studieren... Ich könnte zwar dort ein Praktikum oder so machen, aber deshalb würd ich meinen Freund ja trotzdem so selten sehen =/ Naja, jedenfalls bin ich noch am Überlegen, wie ich das machen soll.
Ab Donnerstag bin ich erstmal mit meinem Freund 2 Wochen im Urlaub, mal sehen, wie ichs da mit dem Essen hinbekomm. Falls es dort super laufen würde, wärs natürlich auch ne Möglichkeit, statt in so ne WG einfach mit ihm zusammenzuziehen. Hat da jemand Erfahrung damit - meint ihr, das kann mir helfen?!