Wie viele Menschen sind krank / machen Psychotherapie?

#1
Hello zusammen!

Ist zwar vielleicht jetzt eine etwas seltsame Frage, aber vielleicht kennt ihr da ja Zahlen: Mich hat schon immer interessiert, wieviel Prozent der Allgemeinbeölkerung eine psychische erkrankhung hat und wieviele Therapie machen. Weil zumindest in Wien ist es so, dass man an jeder Straßenecke eine/n Thera findet, die müssen ja von irgendwas leben! Es müssten also extrem viele Menschen Therapie haben, aber kaum jmd. sagt, dass er Thera hat. Hab versucht dazu Zahlen zu finden, aber leider nix gefunden. Kennt ihr Zahlen? Bzw. wie schaut das in eurem Bekanntenkreis aus? Wieviele (außer euch und Leuten aus der Therapie oder dem Forum) kennt ihr, die Therapie machen und/oder irgendeine psychische Krankheit haben? Würd mich echt mal interessieren...

gglg, ein neugieriges Hörnchen :)

Re: Wie viele Menschen sind krank / machen Psychotherapie?

#2
Hab erst gestern in der Prüfungsliteratur Zahlen gelesen:
Bei einer repräsentativen Erhebung in Deutschland ergab sich eine 12-Monats-Prävalenz psychischer Störungen von 32,1% der deutschen Bevölkerung im Alter von 18-65 Jahren, das entspricht 15,61 Mio Menschen. Davon werden jedoch nur 36,4% versorgt. Die Zahlen beziehen sich auf den Beitrag
Wittchen, H.-U. & F. Jacobi (2001). Die Versorgungssituation psychischer Störungen in Deutschland. Eine klinisch-epidemiologische Abschätzung anhand des Bundes-Gesundheitssurveys 1998. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 44, 2001. oder Psychotherapeutenjournal 2002, Heft 0, 6-15 oder www.Psychotherapeutenjournal.de

Re: Wie viele Menschen sind krank / machen Psychotherapie?

#3
Aus meinem persönlichen Bekanntenkreis haben oder hatten sich etwa 1/3 der Menschen bereits professionelle Hilfe gesucht. Es waren Lebensumstände, wie Scheidung, Tod eines sehr nahen Menschen, Mobbing, Gewalt und auch Suchtkrankheiten.
Von einigen wußte ich es und ich habe ihnen auch dazu geraten, von einigen wußte ich es in der Akut-Phase nicht und erfuhr es erst später.

Egal, wie es sei, alle haben für sich etwas aus der Therapie mitgenommen, nachdem die Angst, sich diese "Blöße" zu geben, einen solchen Schritt zu tun, überwunden war. Sie haben Lebensqualität zurückgewonnen und wären auch bereit, in einer weiteren Lebenssituation, mit der sie nicht klar kommen würden, diesen Schritt erneut zu tun.

Sie sind heute offener geworden, sie reden über Probleme, anstatt sie zu versuchen, kräftezehrend und aufreibend, selber auszusitzen und zu lösen.

Darüber sprechen, daß man diesen Schritt gemacht hat, ist eine andere Sache. Weil in unserer Gesellschaftsform dieser Schritt nach wie vor als "Schwäche" abgetan wird. Wir sind leistungs- und erfolgsorientiert und die Inanspruchnahme eines Therapeuten entspricht nicht der Klasse der Erfolgreichen und des "Normalen".

... und keiner wird es je erfahren, wieviele der Erfolgreichen und Normalen in ihrem privaten Leben scheitern, sich in ihren Mauern betrinken oder ihre Frauen und Kinder schlagen oder sie erniedrigen, weil sie zu feige sind, das zu tun, worauf sie abschätzend mit dem Finger zeigen ---> sich Hilfe zu holen.

Ein Therapeut an jeder Ecke ist mir auf jeden Fall lieber, als hinter 1.000 Wohnungsfenstern lieber nicht zu wissen, was dort alles passiert und wieviele Opfer (geschweige den Täter) es nie wagen werden, den Gang um die Ecke zu gehen, ob dort nicht Hilfe angeboten würde ...

*seufz*

Philosophie-Stunde Ende.

Caruso
Zuletzt geändert von Caruso am Mi Jul 08, 2009 11:19, insgesamt 2-mal geändert.
Die Weisheit lief mir nach, doch ich war schneller .....

Re: Wie viele Menschen sind krank / machen Psychotherapie?

#4
Ich schätze dass ca. 80% meines Freundes- und Bekanntenkreises zumindest schon einmal in ihrem/seinem Leben therapeutische Hilfe in Anspruch genommen hat. D
ie wenigsten davon haben eine schwere psychische Erkrankung, das heisst sie zählen zu der vermeintlich "normalen" Bevölkerung.

Therapie ist daher für mich und mein Umfeld ein sehr positiv besetztes Thema, ich habe sie auch von Anfang an als Ressource gesehen (sofern man an die/den richtigen TherapeutIn gerät) und nie Angst vor dem Schritt gehabt.

Lg,
LF

Re: Wie viele Menschen sind krank / machen Psychotherapie?

#5
Ich finde auch, dass es eher eine große Stärke von jemanden ist, wenn er sich professionelle Hilfe holt. Die meisten Menschen machen nach wie vor ihre Probleme mit sich aus und kommen nicht weiter oder stürzen noch weiter ab. Jeder, der sich traut diesen Schritt zu gehen, zeigt Verantwortungsgefühl sich selbst gegenüber und ist überhaupt nicht feige, sondern eher mutig sich mit seinen Problemen auseinander zu setzen.

Aus meinem Umfeld weiß ich von keinem, dass er Therapie macht oder psychisch krank ist.
Dennoch gibt es Personen, bei denen ich es mir denken kann..
Zuletzt geändert von Unique am Mi Jul 08, 2009 11:36, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Wie viele Menschen sind krank / machen Psychotherapie?

#6
Hallo zusammen!

@ Bumble-bee: Danke, genau das habe ich gesucht! :D 1/3 der Allgemeinbevölkerung hat eine psychische Erkrankung???? Wow, mit so viel habe ich nicht gerechnet! :shock: Und dass nicht mal die Hälfte davon in therapeutischer Behandlung ist, ist ähnlich erschreckend, wenn auch weitaus weniger unerwartet...

@ Caruso, Lebensfreude, Unique: Ja, das habe ich von einer Freundin auch schon gehört, dass recht viele ihrer Bekannten "einfach so" in schwierigen Lebenslagen eine Therapie gemacht haben, hat mich recht erstaunt, weil in meinem Bekannten/Verwandten/Freundschaftskreis Therapie als sehr negativ und "gaga" betrachtet wird. Ich habe zwar ein paar Freundinnen, die das anders sehen, aber die haben fast alle selbst eine psychiatrische Diagnose (2x Depression, 1x Essstörung, 1x Panikattacken) Ich bin auch sehr vorsichtig damit, wem ich von meiner ES und meiner Therapie erzähle, weil ich nicht mitleidig belächelt werden möchte. Ich find's aber sehr positiv, dass ihr so viele kennt die sich in privaten Krisen helfen haben lassen Vorbeugung ist schließlich die beste Medizin! ;)

gglg und noch nen schönen Nachmittag, genießt die Sonne!
Hörnchen 8)

Re: Wie viele Menschen sind krank / machen Psychotherapie?

#7
Also ich persönlich kenne 2 weitere Personen, die momentan in Therapie sind und weitere 2, die es mal waren.

Das finde ich persönlich auch schon viel, weil ich damals immer gedacht habe, dass eine Therapie sowas wie eine Psychiatrie ist oder so- heute weiß ich natürlich, dass dazwischen ein himmelweiter Unterschied liegt.

Meiner Meinung wird es immer mehr akzeptiert, wenn einer in Therapie ist.
Zwar denken die meisten noch, dass man dann wahrscheinlich durchgeknallt ist oder so, aber die wenigen, mit denen ich über das Thema spreche, sind ziemlich offen.
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Wie viele Menschen sind krank / machen Psychotherapie?

#8
Meine Mutter kann nix aussprechen, worin "Psych" vorkommt. Die 3 mal, die wir bis dato auf das Thema in Zusammenhang mit mir gekommen sind, hat sie herumgedruckst und von "dort" und von "Onkel Doktor" gesprochen. :roll: Und wenn wir mal ganz allgemein über Psychotherapie reden, dann vertritt sie die Meinung, dass TherapeutInnen sowieso alle selbst "einen Schuss" haben... :? Naja, sie ist auch Meisterin darin, die Tatsache zu verdrängen dass ich eine ES habe, also muss sie das böse "Psych"-Wort auch nicht allzu oft aussprechen. ;)

Re: Wie viele Menschen sind krank / machen Psychotherapie?

#9
Hörnchen hat geschrieben:Naja, sie ist auch Meisterin darin, die Tatsache zu verdrängen dass ich eine ES habe, also muss sie das böse "Psych"-Wort auch nicht allzu oft aussprechen.
Na toll.
Das tut mir echt Leid für dich, dass deine Mutter dich überhaupt nicht ernst nimmt.
Meine Mutter redet zwar ziemlich offen mit mir über die ES, wenn ich es will, aber ich spreche sie nur ungernt auf das Thema an, weil sie mir das Gefühl gibt, als würde sie denken, dass man die ES einfach "abstellen" kann, indem sie mich zum Beispeil fragt, ob ich denn während meiner FAs nicht einfach mit dem Essen aufhören kann.

Das zeigt mir zwar, dass sie sich für mich interessiert, aber sie begreift einfach nicht, dass es wirklich eine Sucht ist und sieht es einfach als Bequemlichkeit, weil mir nichts besseres einfällt als zu essen.

Meine Mutter ist deshalb eigentlich auch nicht so der perfekte Ansprechpartner. Aber es regt mich trotzdem total auf, dass deine Mutter nicht mit "Psych-" aqussprechen will, als wäre das etwas Abartiges!
Hörnchen hat geschrieben:Und wenn wir mal ganz allgemein über Psychotherapie reden, dann vertritt sie die Meinung, dass TherapeutInnen sowieso alle selbst "einen Schuss" haben...
Naja, das kann zwar sein, weil ich zum Beispeil auch gern Psychologin werden wollte, um mich nebenbei selbst zu therapieren, aber dennoch ist es nicht richtig, Therapeuten dehalb als Witzfiguren darzustellen! :|
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."
cron