Erstmal hallo Leonie,
ich war zwar schon länger nicht mehr hier im Forum (bis vor kurzem), aber ich kann mich noch sehr gut an deinen ersten Beitrag erinnern...
Ehrlich gesagt hat er mich... naja, "inspiriert", wenn man das so sagen kann. Ich war unglablich erschrocken darüber, wie jemand SO verdammt LANGE einfach leiden, sich verstellen & schweigen kann... Du hattest ja im Forum zum ersten Mal davon erzählt, wenn ich mich recht entsinn... Und hattest du nicht 2 (fast erwachsene) Kinder?
Zu der Zeit hatt ich mich gerade hier angemeldet, um Infos zu einem Kurzfilm zu sammeln, den ich vor hatte zum Thema drehen (inzwischen auch längst gedreht habe) & deine Geschichte hat mich sehr aufgewühlt & mir gezeigt, dass man diese Krankheit tatsächlich so lange mit sich rumschleppen kann, weil sie sich herrlich verleugnen & verdrängen lässt...
Ich habe sehr viele Gedanken & Gefühle zu deinem Beitrag & normalerweise würde ich die erstmal besser ordnen... mich sammeln... aber ich will unbedingt jetzt antworten, ich hab Angst, dass du sonst auf nimmerwiedersehen weg bist... Muss nur schauen, dass ich das möglichst sensibel hinkrieg... also...
Erstmal soll das mit dem Film natürlich nicht heißen, dass ich nicht selbst betroffen wäre. Deshalb hab ich das Thema ja gewählt. Weiß also, wvon ich schreibe.
Damals schon und jetzt noch viel extremer merkt man bei dir, wieviel ungeheure Angst du hast & hattest & wie schrecklich es für dich war / ist, "unvollkommen" zu sein, was für dich anscheinend bedeutet: "Schwach" sein, sich nicht "beherrschen", Hilfe zu brauchen. Ich kann & mag mir fast nicht vorstellen, unter was für einem Druck du die ganzen Jahre gestanden haben musst... Es hat ja keine einzige Person gegeben, mit der du wirlich vertraut warst, du warst ganz allein... Du hast dich sogar von deiner Familie abgekapselt & dich verstellt, alles in dem Glauben, immer funktionsbereit, tüchtig, makellos & stark sein zu müssen (mein Gott, haben den Komplex viele Frauen!).
Kennst du denn jemanden, der vollkommen ist? Ist dein Mann denn so "stark" & verlangt er das deshalb von dir, oder ist es eher so, dass deine Familie dich in diese Rolle drängt, weil sie alle sich lieber gehen lassen? WOHER KOMMT DIESER RIESIGE ANSPRUCH AN DICH?? Du musst wissen, dass du ihn niemals erfüllen kannst, egal, ob du nun weiterkotzt oder nicht. Du bist nicht "unvollkommen", weil du kotzt, sondern das Kotzen ist nur der äußere Aufschrei deiner Seele, die einfach überlastet ist mit den Aufgaben, die du ihr aufbürdest.
DU BIST NICHT DESHALB SCHWACH; WEIL DU DIR EINGESTANDEN HAST; DASS DU HILFE BRAUCHST; SONDERN DAS IST DAS TÄRKSTE; WAS DU JEMALS VOLLBRACHT HAST:
Denn dazu gehören wirklich Unmengen von Kraft, und Mut, und Stärke: SICH SELBST ZU ERKENNEN, ehrlich zu sich zu sein und es AUSZUHALTEN; sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht & sie in Anspruch nehmen; das können nur die wenigsten auf dieser Welt.
Und die meisten SCHWÄCHLINGE und FEIGLINGE klammern sich lieber an ihre MASKEN... Spielen sich lieber vor, dass alles in Ordnung ist und welken langsam dahin... entscheiden sich dafür, nicht zu Ende zu kämpfen oder gar nicht erst anzufangen... leben die Lüge, weil es so viel einfacher ist, als sich selbst ins Gesicht zu sehen...
Sorry, dass es sich so hart anhört, aber ich habe das Bedürfnis, dich wachzurütteln...

Deine Familie braucht Zeit. Na klar ist die überfordert, aber dafür trägst du auch ein bisschen die Verantwortung mit. Wenn du jemandem SO LANGE absolut heile Welt vorspielst, darfst du dich ernstens nicht darüber wundern, dass sie aus allen Wolken fallen, und zweitens: Der Anspruch an dich steigt j auch, je mehr du ihn selbst hochschraubst. Wenn du sagst: "Ach, das ist halb so wild... das kann ich auch noch tragen, und das, und das, gar kein Problem, ladet mir das auch noch auf..." Dann laden dir die Leute natürlich skrupellos immer mehr auf und erwarten höhere Leistungen von dir... Wahrhaft starke Menschen wissen, wann sie sagen: "Es ist genug, ich kann nich mehr."

Umso mehr darfst du dich loben, dass du es endlich geschaft hast! Vielleicht werden sie es nie verstehen, aber es kommt nicht darauf an, es kommt auf niemanden an außer auf dich: Es ist DEIN Leben und du lebst es für DICH; und du DARFST schwach & unvollkommen & hilfsbedrüftig sein, verdammt nochmal!

Das ist nur natürlich & menschlich & egal, was jemand sagt, nichts Verwerfliches! Und wenn du nachdenkst, glaube ich, weißt du das selbst auch sehr gut, verstandesmäßig!

Stell dir vor, dein Mann würde total verzweifelt zu dir kommen & dir offenbaren, dass er ein Alkoholproblem hätte... oder was weiß ich, schon ganz lange eine Spielsucht hat... Würdest du ihn dafür verstoßen??? Verachten??? Bestrafen??? Hassen???

NATÜRLICH ist eine Therapie harte Arbeit! Natürlich ist das nicht immer angenehm! Du hast 28 Jahre gef* & gek*, du kannst doch von keinem Therapeuten Wunder erwarten! Allerdings hat sie nicht gesagt, dass es unmöglich ist & ich bin der festen Überzeugung, dass alles immer vom WILLEN abhängt, und den kannst nur du aufbringen.

Ich glaube dir nicht, Leonie. Ich kaufe dir nicht ab, dass du nicht gesund werden willst, ich kaufe dir nicht ab, dass früher "alles" in "Ordnung" war, und ich glaube dir nicht, dass du mit deiner Entscheidung glücklich bist! Du bist hierher ins Forum gekommen NICHT OHNE GRUND. Du hast diese Therapie angefangen, NICHT OHNE GRUND. Und dein Entschluss, hier das zu posten, was du gepostet hast, ist ebenfalls NICHT OHNE GRUND.
Es geht dir damit scheiße & das weißt du.
Was du lernen musst, ist, es zuzulassen.
Ich glaube dir nicht, dass dies kein Hilferuf ist. Ich glaube, du könntest dir nie eingestehen, dass du Zuspruch & Mut brauchst, um die Therapie weiterzumachen, ich glaube, du brauchst im Moment etwas Aufmunterung & Hilfe, und ich glaube, dass es deine Art ist, uns das mitzuteilen.
UND ES IST GUT SO.
Es ist GROSSARTIG! Es ist OK. Lass uns mal die Termini etwas verändern:

Sich Hilfe zu suchen & Schwächen einzugestehen & nicht aufzugeben & sich durch die eigene Hölle kämpfen ist ab jetzt
DAS TAPFERSTE, STÄRKSTE, MUTIGSTE & VOLLKOMMENSTE, was man tun kann;

sich zu verkriechen, vor sich selbst kapitulieren, wenn etwa snich auf Anhiebklappt, sich den eigenen Ängsten ergeben & sich der Krankheit auf gedeih & Verderb ausliefern ist SCHWACH, UNVOLLKOMMEN & FEIGE;
BITTE, bitte nimm dir das zu Herzen & überleg nochmal! Ich meine es nur gut! Und ich müsste eigentlich noch viel mehr sagen...
Wir hier im Forum, wir sind die Starken; wir steh auf deiner Seite & wir werden dir helfen, so gut wir können;
wir sind die Starken: wir in den Badezimmern, die wir verbissen unserem Spiegelbild ins Gesicht schauen und sagen: "HEUTE NICHT." Wir in den Fluren von Schulen & Universitäten, die wir versuchen, unseren Kopf aufrecht zu halten, obwohl wir Narben auf den Armen & der Seele haben; wir, die wir der Hölle getrotzt & sie überlebt haben & trotzdem noch weiterleben, wir, die wir gegen Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, manchmal auch Freunde gekämpft haben, wir, die in Therapiesitzungen zusammenbrechen, wenn uns die ganze Scheiße unter sich begräbt, wenn wir nach uns einer durchgekotzen Nacht die Tränen abwischen und wieder aufstehen, wir, die wir fremden Ärzten unser Innerstes offenbaren können, weil wir müssen, wir, die wir verzweifelte Hilferufe ins Forum posten und auf verzweifelte Hilferufe antworten, wir, die wir Doppelleben führen & mehr Kraft in einem Jahr aufbringen müssen als andere in ihrem ganzen Leben; wir in den Irrenhäusern, in den einsamen Schlafzimmern, auf den Straßen, in den Träumen vom Ich-Sein: WIR.
Wir sind die Starken.
ICH WÜNSCHE DIR KRAFT.
Mit einer festen Umarmung:
Om