SYSTEMISCHE FAMILIENTHERAPIE

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SYSTEMISCHE FAMILIENTHERAPIE

Begriff: Die Systemische Familientherapie ist ein psychologisches Verfahren, das zwar in erster Linie gesprächs- und verhaltensorientiert ist, aber auch darstellend-kreative Techniken einsetzt.
Oberbegriff: Systemische Therapie. Diese wird - vor allem in Form von Beratung und Supervision - in einer Vielzahl von Arbeitsfeldern eingesetzt (Gesundheitswesen, Arbeit mit Organisationen, Arbeitsteams etc.). Die traditionell auf Familien und Paare ausgerichtete Perspektive der Systemischen Familientherapie wurde im Rahmen der Systemischen Therapie erweitert und auch auf andere soziale Systeme angewandt.
Gemeinsam ist allen systemischen Ansätzen die Perspektive - und das unterscheidet sie von den meisten anderen Verfahren -, Probleme und Symptome nicht als Pathologie (»Krankheit«) eines Individuums zu sehen, sondern als Rollen-Definition und -Festschreibung (z. B. als »Sündenbock«) durch ein soziales System (Familie, Paar, Gruppe, Team etc.).

Ziele: Grundsätzliches Ziel der Systemischen Familientherapie ist es, die Autonomie und den Selbstwert jeder einzelnen Person bzw. jeden Familienmitglieds zu stärken - sowie den Zusammenhalt untereinander zu festigen, die Kommunikation und den Austausch zu verbessern und schädigende Beziehungsmuster zu verändern.
Im psychotherapeutischen Bereich: Heilung von psychischen und psychosomatischen Problemen und Störungen aller Art. Im Beratungsbereich: Lösung von Generations-, Ablösungs-, Entscheidungs-, Trennungs- und anderen Problemen und Konflikten.
Zielgruppen: In der Systemische Familientherapie kann sowohl mit dem gesamten System, als auch mit Teilsystemen und Einzelpersonen gearbeitet werden. Die Familientherapie wendet sich dementsprechend an Familien, Paare, Gruppen, Organisationen und andere soziale Systeme, aber auch an Einzelpersonen.

Vorgehensweise: Die Systemische Familientherapie ist eher lösungs- als problemorientiert. Sie geht davon aus, dass die Problemgeschichte für die Entwicklung geeigneter Lösungen oft wenig relevant ist.
Die Ziele (bzw. der »Auftrag«) der Therapie werden von den KlientInnen (z. B. Familienmitgliedern) und den TherapeutInnen (oft sind es zwei oder mehr TherapeutInnen) in der ersten Stunde gemeinsam festgelegt. Die Ziele können sich allerdings im Laufe der Therapie ändern und werden immer wieder gemeinsam überprüft.
Je nach Situation werden die Sitzungen mit dem ganzen System, mit Untergruppen (z. B. nur die Eltern, Geschwister) oder auch mit einzelnen Mitgliedern durchgeführt. Bei Gruppensitzungen entscheiden die TherapeutInnen, wer an den Sitzungen teilnimmt.
Die TherapeutIn regt das zu »behandelnde« System bzw. dessen Mitglieder mit »zirkulären« Fragen an, über ihre Beziehungsmuster zu sprechen, und erschließt aus den Antworten, nach welchen Regeln das System funktioniert. Eine besonders wirksame Technik hierfür sind die so genannten »Familienskulpturen«: Eine Person soll ihr inneres Bild von der Familie (oder einer Situation) mit Hilfe von Holzfiguren und Stühlen (oder den Personen selbst) widerspiegeln. Durch die besondere Art, in der sie diese anordnet, werden die sozialen Positionen, Beziehungskonstellationen und Konflikte für alle anschaulich.
Durch paradoxe Interventionen (Aufträge, die das Gegenteil dessen bezwecken, was sie besagen) kann das Familiensystem bzw. die bisherige Ordnung innerhalb eines Systems »verstört« werden. Die TherapeutIn »verschreibt« dabei beispielsweise einer Person genau das Symptom, unter der sie leidet (so wird zum Beispiel dem unter Schlaflosigkeit leidenden Familienmitglied aufgetragen, auf jeden Fall wach zu bleiben; dem streitenden Paar wird der Auftrag gegeben, jeden Abend eine Stunde lang vor dem Abendessen zu streiten - aber nur dann).
Neuartige Verhaltensweisen wie diese zwingen alle Mitglieder zum Umlernen: Das System soll mit Hilfe der therapeutischen Interventionen in Bewegung geraten und sich mittels seiner selbststabilisierenden Eigenschaften neu ausrichten bzw. neu arrangieren. Alte Regeln und Muster können auf diese Weise revidiert und neue in das System eingeführt werden.
Eine Übernahme der Kosten für Systemische Therapien durch die gesetzlichen Krankenkassen ist in Deutschland in aller Regel nicht möglich. In Österreich ist die systemische Therapie als eigenständiges psychotherapeutisches Regelverfahren anerkannt.

Die systemischen Sitzungen werden in etwa 2- bis 4-wöchigen Abständen durchgeführt (teilweise auch längeren). Häufig reichen zur Erreichung der Therapieziele 10 bis 20 Sitzungen. Die Gesamtherapiedauer liegt meist bei einem Zeitraum von zwischen wenigen Monaten und zwei Jahren.




Quelle: www.psychotherapie-netzwerk.de (20.06.06)