"Haben Sie noch Hoffnung..."

#1
heute hatte ich meinen wöchentlichen thera-termin. da kam die besagte frage (nicht zum ersten mal): „glauben sie generell, dass es besser werden kann?“

viele dinge habe ich probiert, bin schon so viele jahre in therapie... und ich habe eine menge gelernt - über mich, meine denk- und verhaltensmuster... aber geholfen in dem sinne, daß ich tatsächlich weitergekommen wäre oder es mir besser ginge, hat das alles nicht. :(

mittlerweile kann ich mir nicht mehr vorstellen, daß es irgendwann besser, leichter sein wird/sein kann. und da geht es in erster linie um meine ängste, die daraus resultierenden beeinträchtigungen und die "verstimmungen" - nicht um die bulimie. ich denke nämlich (vielleicht auch total naiv), daß sich das bessern würde, wenn das andere nicht so belastend für mich wäre.

lange war ich mir nicht sicher, wie ich die frage meines therapeuten beantworten soll. auch unter der fragestellung, wieso ich denn eine therapie mache, wenn ich keine hoffnung auf besserung habe.
habe ich das recht, einen therapeuten zu belästigen, ihm seine kostbare zeit zu stehlen, der krankenkasse kosten zu verursachen, sozusagen ein schmarotzer zu sein… wenn ich nicht dran glaube, dass es was bringt? darf ich das??? trotzdem? wieso gehe ich da hin? vielleicht zumindest unbewusst noch ein fünkchen hoffnung? :?: :?: :?:

der wunsch nach „leben“ ist da. sicherlich! gäbe es ihn nicht, diesen wunsch, diese sehnsucht, dann wäre die verzweiflung auch nicht so groß!

aber hoffnung, das jemals zu erreichen? :roll: nein! nicht mehr!
irgendwann überwiegen enttäuschung, frustration, hilflosigkeit, resignation und eben verzweiflung... werden größer und größer… und der glaube an die möglichkeit (positiver) veränderung im fühlen und empfinden verschwindet.

und trotzdem gehe ich jede woche zur therapie. wieso? weil mir dieser termin ein kleines bisschen sicherheit, ein kleines bisschen halt, ein kleines bisschen struktur gibt. es geht nicht (mehr) um die suche nach ursachen, um die suche nach lösungen. es ist wie es ist. das leben geht seinen gang und ich versuche mitzugehen, zu kämpfen, auszuhalten – soweit ich kann, solange ich kann – bis zum „geht nicht mehr“, was früher oder später eintreten wird.

die thera ist eine begleitung. etwas, was da ist. ein fester termin, ein fixpunkt. wo es um mich geht (wenn ich es zulasse). etwas, dass nur mir gehört. meine eine stunde in der woche, in der ich mir gestatte, mich so zu zeigen, wie ich mich fühle. kein funktionieren. keine maske.
ein ort, an dem ich sagen darf, dass ich nicht dran glaube, dass es jemals besser/leichter werden wird. ... :(

#2
Dein beitrag geht mir sehr nah.
Vielleicht weil ich meine erste therapie voller Hoffnung im Februar beginne....
Natürlich kenne ich deine Situation nicht aber ich denke dass du dir die mögliche und ersehnte Heilung verbaust indem du nicht daran glaubst.
An was glaubst du nicht?
An eine Therapie die helfen kann?
Oder an dich?
Ich kann dir nur meinen Eindruck vermitteln.
Du glaubst nicht an dich. Du hast dich aufgegeben.
Vielleicht sollte das der Kern deiner nächsten Therapiestunde sein.
Denn dieser (dein) Zustand ist kein muss.

Wenn du daran glauben willst.
LG Curly

#3
Hi Hella

Das klingt nach Resignation. Auch ich kenne dieses Gefühl. Das Gefühl, nicht mehr ein und aus zu wissen.
Aber ich schaffe es immer wieder, zumindest für kurze Zeit, meinen Kampfgeist einzuschalten.
Denn das es ein Kampf ist, ist klar. Und das schlimmste ist, dass es ein Kampf mit einem selbst ist und dadurch sehr bedrohlich wirkt.
Ich glaube ein wichtiger Schritt ist es, die ES anzunehmen und sie als Chance zu sehen über sich und das Leben etwas zu lernen. Im Endeffekt sind wir ja nur auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, unseres Lebens. Aber es ist schwierig etwas zu finden von dem man nicht genau weiß wo es zu finden ist.
Ein wichtiger Schritt wäre sicher, jeden Tag eine Chance zu geben. Geh mit offenen Augen durch den Tag und versuche die Kleinigkeiten, die uns das Leben versüßen, zu erkennen.
Denn es sind die Kleinigkeiten auf die es ankommt. Ich schaue zum Beispiel gerade aus dem Fenster und freue mich darauf einen kleinen Spaziergang zu machen und die Sonne zu genießen.
Auch ich leide seit Jahren unter ES aber ich schaffe es immer öfter dem Leben etwas positives abzugewinnen, in kleinen Schritten zwar, aber in die richtige Richtung.
Für mich war es sehr wichtig, dass ich gelernt habe Geduld zu haben. In Allen anderen Lebensbereichen schaffe ich alles was ich mir vornehme auf Anhieb. Aber mit der ES geht das leider nicht. Hier musste ich lernen, dass ich im Hier und Jetzt leben muss. Dass jeder Tag eine Chance ist die ich nutzen kann, wenn ich will.
Dass ist das Beruhigende, dass ich es tun kann wenn ICH will. Ich habe es in der Hand und ich kann es steuern. Die ES läuft mir ja nicht davon und ich kann immer wieder darauf zurückgreifen wenn ich dass Gefühl habe, dass es sein muss. Aber genau diese Gewissheit gibt mir die Kraft an manchen Tagen darauf zu verzichten. Dann merke ich, dass es ohne auch gehen kann.

Wie gesagt, ich bin noch nicht geheilt, aber ich bewege mich in die richtige Richtung. Mit kleinen Schritten und mit der Gewissheit, dass der Weg das Ziel ist.
Und das Ziel ist klar: LEBEN

Zum Abschluss schicke ich dir eine dicke Umarmung und etwas von meiner Hoffnung.
Finde deinen Weg, mit deiner Geschwindigkeit und auf die Art und Weise die für DICH richtig ist.

Liebe Grüße Inside

Re: "Haben Sie noch Hoffnung..."

#4
Liebe Hella,
so falsch ist das alles doch gar nicht, was Du da schreibst:
hella hat geschrieben:mittlerweile kann ich mir nicht mehr vorstellen, daß es irgendwann besser, leichter sein wird/sein kann. und da geht es in erster linie um meine ängste, die daraus resultierenden beeinträchtigungen und die "verstimmungen" - nicht um die bulimie. ich denke nämlich (vielleicht auch total naiv), daß sich das bessern würde, wenn das andere nicht so belastend für mich wäre.
An das, was Du hier geschrieben hast, glaube ich auch auf jede Fälle. Und das KANN doch eigentlich auch nur so sein... Bulimie ist doch auch eine psychische Krankheit, und die entsteht "nur" durch Probleme und Situationen, mit denen wir nicht umgehen können. Meine Hoffnung ist das auch. Ich habe ja gerade erst mit der Therapie begonnen, aber ich will sie beim nächsten Termin auch mal fragen, wie das alles jetzt weitergehen soll. Muss ich erstmal nur über mein Essverhalten sprechen - oder auch über mein "Alltagsleben", mit dem ich nicht so dolle zurecht komme?! ich würde ja gernes über beides, denn ich vermute da ja auch starke Zusammenhänge. Aber 45min sind immer so schnell vorbei und hinterher habe ich Fragen über Fragen. Aber ich werde Dir gerne mal erzählen, was Sie mir darauf geantwortet hat, wenn Du magst.

hella hat geschrieben:habe ich das recht, einen therapeuten zu belästigen, ihm seine kostbare zeit zu stehlen, der krankenkasse kosten zu verursachen, sozusagen ein schmarotzer zu sein… wenn ich nicht dran glaube, dass es was bringt? ... vielleicht zumindest unbewusst noch ein fünkchen hoffnung?


Ja sicher, darfst Du das! Was für eine Frage! :wink: Ich bin mir sicher, hättest Du nicht noch ein Fünkchen Hoffnung und würdest Du nicht was verändern wollen - würdest Du keine Therapie machen. Und wenn es momentan vielleicht auch nur die Hoffnung ist, durch die Therapie mehr Hoffnung zu bekommen...

Ich glaube, das es auch bei Dir besser werden wird. Man muss eben Geduld haben! Und bleib dabei - geh weiter hin und glaub an Dich.
Sprich das doch einfach mal aus - also laut, nicht nur denken und im Anschluss gleich "ne - das stimmt doch gar nicht". Sags doch einfach mal zu Dir selber, dass Du an Dich und Deinen Erfolg glaubst. Fühlt sich komisch an - aber manchmal hilfts...

Bis bald und ein schönes Wochenende
Kathrin

#5
danke euch dreien für's lesen und eure gedanken dazu!

es ist kompliziert und schwierig in worte zu fassen, was meine hoffnungslosigkeit ausmacht...

es geht mir jetzt und hier nicht um die ES. das ist es nicht. ich habe meine bulimie akzeptiert, sie ist ein teil meines lebens. ich wäre froh, wenn ich's endlich schaffen würde, sie aufzugeben. klappt nicht, zumindest nicht jetzt. das ist okay. manchmal/oft ist es auch nicht okay. aber ich versuche es jeden tag auf's neue. und in dem punkt hab ich auch hoffnung. :wink:

das ist es nicht! es ist ... das was dahinter steht - das gefühl. das läßt mich verzweifeln...

gibt es etwas, wovor ihr angst habt? angst, so groß, daß ihr euch am liebsten weinend unter der bettdecke verstecken wollt?
stellt euch vor, diese angst ist da, die bedrohung allgegenwärtig, jeden tag, jede stunde... ohne ausnahme. und ihr könnt nichts dagegen tun. alle versuche, das es besser und leichter wird, sind fehlgeschlagen. und dennoch stellt ihr euch den situationen, jeden tag. es stellt sich aber keine gewöhnung ein, die angst wird nicht weniger, die bedrohung nicht kleiner. ... jeden tag, jede verfluchte stunde... :(

hab ich es in der hand, daß sich das gefühl verändert? kann ich das beeinflussen? wenn ja, wie funktioniert das???? wie???

der mensch ist die summe seiner erfahrungen...
ich habe wirklich viel probiert, es ist nicht die erste therapie und nicht der erste therapeut. ich weiß nicht, wie ihr nach 9 jahren (ist ja fast schon peinlich :oops: ) therapie empfinden würdet, ob ihr noch hoffnung hättet... ?
... und ich wünsche mir und euch, daß ich von euch nie ein antwort darauf kriegen werde (weil ihr hoffentlich eure probleme viel schneller und effektiver lösen werdet - ganz bestimmt)!

therapie ist gut und oft sehr, sehr hilfreich und wichtig! ich wollte hier niemandem etwas anderes vermitteln oder gar die hoffnung nehmen!

vielleicht paßt das alles auch gar nicht hierher, vielleicht ist es zu negativ, zu viel :( ... sorry!