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Angst, vor Therapie/Therapeuten abhängig zu werden

Verfasst: Sa Sep 24, 2005 13:42
von Sophia_21
Hallo ihr!

Ich bin seit Feb. dieses Jahres bei einem Therapeuten (ist Arzt und macht gleichzeitig auch Psychotherapie) wegen Depressionen in medikamentöser Behandlung. Er hat mir immer wieder neben den Medikamenten auch eine Psychotherapie vorgeschlagen, aber anfangs wollte ich das überhaupt nicht. Mit der Zeit merkte ich dann aber immer mehr, dass ich dazu bereit wäre, habe aber immer noch gezögert, weil ich Angst davor hatte, über mir unangenehme Themen (wie z.B. meine ES) zu reden und ich habe auch immer befürchtet, von einem Therapeuten abhängig zu werden.

Letzte Woche hab ich mich endlich zu einer Psychotherapie entschlossen und hatte auch schon meine erste Sitzung. Ich hatte furchtbare Angst vor der ersten Sitzung, weil ich mir vorgenommen hatte, ihm endlich von meiner ES zu erzählen.
Aber es war dann überhaupt nicht schlimm, ganz im Gegenteil, er war sehr verständnisvoll und hat auch gleich gemerkt, dass es mir nicht leicht fällt, über meine ES zu reden und hat mich einfach nur erzählen lassen, ohne mir irgendwelche „unangenehmen“ Fragen zu stellen. Ich war also ziemlich erleichtert nach der Stunde, dass es überhaupt nicht schlimm war und mich im Gegenteil sogar recht gut gefühlt habe, nachdem ich das endlich erzählen konnte.

Aber jetzt habe ich wieder ziemlich große Angst, von der Therapie abhängig zu werden, ich merke jetzt schon, dass ich viel zu viel über meine erste Sitzung nachdenke. Ich habe Angst, dass sie einen zu großen und zu wichtigen Teil in meinem Leben einnimmt.
Es fällt mir schwer, das zuzugeben, aber irgendwie genieße ich es schon, dass ich während der ganzen Therapiestunde die Aufmerksamkeit meines Therapeuten habe; das ist wahrscheinlich mein altes Schema, ich bin damals zu Anfang meiner ES wohl auch deshalb MS geworden, weil ich irgendwie Aufmerksamkeit wollte.

Ich versuche, gegen diese Gefühle anzukämpfen, mir zu sagen, dass die Therapie nur ein kleiner Teil in meinem Leben ist, versuche, mich gedanklich von meinem Therapeuten so weit wie möglich zu distanzieren, sag mir, dass ich nur eine Patientin unter vielen bin und absolut nichts besonderes.

Kennt einer von euch diese Gefühle? Wie geht ihr damit um? Ich glaube nicht, ob ich (momentan) den Mut hätte, das in der Therapie anzusprechen.

Danke fürs Lesen!

Liebe Grüße, Sophia

Verfasst: Sa Sep 24, 2005 16:13
von Nivea
Hallo,Sophia!! :)


Ich fange in der nächsten Woche wahrscheinlich auch eine Therapie an (die Therapeutin weiß aber schon über meine ES bescheid), also bin ich da noch nicht so erfahren.
Auf jeden Fall ist es aber ein guter Schritt über deine ES zu reden, weil die Therapie dir ja auch helfen soll, sie loszuwerden. Es ist, denke ich, völlig normal, dass diese eine große Rolle in deinem Leben spielt, und Aufmerksamkeit genießt wohl jeder. Die Therapie ist schließlich dafür da, sich mit dir und deinen Problemen zu befassen!

Mach dich nicht selbst schlecht, indem du dir sagst, du seist nichts besonderes. Die Therapie ist für dich und diese Hilfe und Aufmerksamkeit kannst du auch Annehmen.

Viel Glück!!

Nivea

Das

Re: Angst, vor Therapie/Therapeuten abhängig zu werden

Verfasst: Sa Sep 24, 2005 18:04
von hope05
Sophia_21 hat geschrieben: Ich war also ziemlich erleichtert nach der Stunde, dass es überhaupt nicht schlimm war und mich im Gegenteil sogar recht gut gefühlt habe, nachdem ich das endlich erzählen konnte.
...
Aber jetzt habe ich wieder ziemlich große Angst, von der Therapie abhängig zu werden, ich merke jetzt schon, dass ich viel zu viel über meine erste Sitzung nachdenke. Ich habe Angst, dass sie einen zu großen und zu wichtigen Teil in meinem Leben einnimmt.
Es fällt mir schwer, das zuzugeben, aber irgendwie genieße ich es schon, dass ich während der ganzen Therapiestunde die Aufmerksamkeit meines Therapeuten habe;
...
Ich versuche, gegen diese Gefühle anzukämpfen, mir zu sagen, dass die Therapie nur ein kleiner Teil in meinem Leben ist, versuche, mich gedanklich von meinem Therapeuten so weit wie möglich zu distanzieren, sag mir, dass ich nur eine Patientin unter vielen bin und absolut nichts besonderes.
Sei froh, dass du so einen tollen Therapeuten gefunden hast und dich ihm sofort anvertrauen konntest. Rede mit ihm schnell über deine Angst, abhängig zu werden, er kennt diese Problematik sicher und kann dich bestimmt beruhigen.
Aber ich finde deinen Gedanken interessant... wie kommst du auf diese Idee der Abhängigkeit und was würde schlimmsten Falls geschehen in deiner Phantasie? Angenommen, du verlierst die Bulimie und bist kurzzeitig "abhängig" von der Therapie... was ist schon dabei? Sie tut dir gut, du kannst einen ziemlich langen Zeitraum hingehen... und wenn du auf dem Weg der Genesung bist, wirst du sicher merken, wie du selbstsicherer wirst und von nichts mehr abhängig sein wirst, weder Essen noch Kotzen noch Therapie.
Im Übrigen ist es ganz normal soviel über die Sitzungen nachzudenken, ich würde es sogar eher positiv werten, weil du es ein Stück weit mit dir trägst und dich auch alleine damit beschäftigst.

Genieße es weiterhin, dass dir diese eine Stunde gehört. Du magst zwar eine von vielen sein und es ist auch sein Job ihm zuzuhören... aber ist nicht gerade das das Tolle daran??
Du musst nicht mit ihm befreundet sein, du musst ihm nicht gefallen, dir kann es egal sein, was er über dich denkt oder ob er dich leiden kann, er hat kein Recht von sich zu erzählen, er hört die ganze Zeit nur DIR zu und schenkt DIR seine volle Aufmerksamkeit, er gibt keine dummen Ratschläge wie so mancher Freund, er ist immer zuverlässig an genau diesem Termin da und zwar nur für DICH. Das ist es doch, worauf es ankommt.

Ich wünsche dir alles Liebe... von Herzen!

Verfasst: Sa Sep 24, 2005 20:10
von Sophia_21
Hallo Nivea und Hope!

Vielen Dank für eure lieben Antworten, sie helfen mir sehr, das ganze nicht mehr so eindimensional zu sehen.

@ nivea:
Dank dir! Ich wünsche dir auch alles Gute für deine Therapie!!

@ hope:
Ja, ich bin superfroh, diesen Therapeuten auf Anhieb gefunden zu haben, da ich sowieso Probleme hab, anderen Menschen zu vertrauen und lange Zeit mit niemand über meine Sorgen reden wollte.
Und ich hoffe auch, dass ich möglichst bald den Mut finde, mit ihm über meine Abhänigkeits-Ängste zu reden.
Wie ich auf diese Idee der Abhängigkeit komme? Hmm, so ganz genau kann ich das auch nicht sagen… es ist mehr nur so ein Gefühl, dass es für mich nicht gut sein kann, das eine Sache/ein Mensch für mich in kurzer Zeit so wichtig für mich wird, wenn diese Gefühle nur von einer Seite (also von mir) ausgehen und nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Ich habe Probleme mich auf andere Menschen einzulassen, aber wenn ich einmal zu jemand wirklich Vertrauen gefasst habe, dann wird diese Person sehr wichtig für mich. Deshalb habe ich auch früher dazu geneigt, solchen Menschen alles Recht machen zu wollen und ich wollte unbedingt ihre Anerkennung, sie haben einen größeren Raum in meinem Leben eingenommen, als sie eigentlich sollten und war somit irgendwie von ihnen abhängig.
Was schlimmstenfalls in meiner Phantasie passieren würde? Gute Frage… Schlimmstenfalls hätte ich das Gefühl, ohne die Therapie/meinen Therapeuten nicht mehr klar zu kommen.

Du schreibst: „du musst ihm nicht gefallen, dir kann es egal sein, was er über dich denkt oder ob er dich leiden kann“
Irgendwie ist genau das auch mein Problem: auch wenn das total dumm ist, ist es mir absolut nicht egal, was er von mir denkt. Ich will ihn irgendwie „beeindrucken“; beeindrucken ist vielleicht das falsche Wort, ich will von ihm geschätzt werden und will ihm nicht gleichgültig sein.
(Oh Gott, hören sich diese Gedanken total verrückt an???) Und genau das sollte ich wohl in meiner Therapie ansprechen, aber ich glaube das krieg ich vorerst echt nicht hin … Schäme mich viel zu sehr für diese Gefühle…

Lieber Gruß,
Sophia

Verfasst: So Sep 25, 2005 8:53
von hope05
Hey Sophia, also schämen brauchst du dich nun wirklich nicht. Gefühle sind Gefühle und bei uns "Gestörten" :wink: sind die sowieso immer etwas verquer. Was dein Therapeut auch verstehen wird.
aber wenn ich einmal zu jemand wirklich Vertrauen gefasst habe, dann wird diese Person sehr wichtig für mich
Das kenne ich eigentlich auch von mir, aber irgendwie nur aus früheren Zeiten. Ich bin gerade dabei, mir alles nicht so zu Herzen zu nehmen, was andere betrifft, um mich mehr um mich zu kümmern und um diejenigen, die mir schon seit Jahren beistehen.
Ich könnte z.B. auch nie sagen, dass ich meine Therapeutin als Mensch total toll finde. Ich weiß ja nix von ihr. Und du wirst nichts über deinen Therapeuten erfahren. Du merkst nur, ob er aufmerksam ist und zuhören kann oder ob er dir gut tut und sinnvolle Denkanstöße gibt. Das wars dann aber auch schon. Ich kann nur aus meiner Sicht sagen, dass mir genau deshalb meine Therapeutin nicht zu wichtig werden könnte.
ist es mir absolut nicht egal, was er von mir denkt. Ich will ihn irgendwie „beeindrucken“; beeindrucken ist vielleicht das falsche Wort, ich will von ihm geschätzt werden und will ihm nicht gleichgültig sein.
Es sollte dir aber egal sein! Wirklich. Ok, ich gebs zu... letztens hab ich meiner Th. auch etwas erzählt, wofür ich mich so richtig geschämt habe und hab auch überlegt, ob ich weiter erzählen sollte. Aber dann hab ich mich darauf besonnen, was ich mir vorgenommen habe: und zwar ehrlich zu sein mit meiner Th. und besonders mit mir. Denn ich habe schon eine Therapie hinter mir, die es nur noch schlimmer gemacht hat, nur weil ich nicht aufrichtig war. Ich wollte auch toll dastehen. Es war allerdings eine Gruppenth. und noch mal ne Ecke anstrengender.
Und noch was... du bist ihm natürlich nicht gleichgültig. Auch wenn du eine von vielen bist, wird er sich mit dir freuen, wenn es dir besser geht und du von einem Erfolgserlebnis erzählst und wenn es dir schlecht geht, wird er dich aufmuntern und mit neuen Ideen füttern.

Alles Liebe, Denise

Verfasst: So Sep 25, 2005 16:53
von Sophia_21
Hi Denise!

Ich wünschte ich hätte deine Einstellung zur Therapie. Ich nehme das alles (oder besser: ich nehme mich) einfach noch viel zu wichtig… Weiß auch nicht, woher das kommt, dass ich immer irgendwie Aufmerksamkeit und Anerkennung brauch. Von meinen Eltern bekam ich eigentlich von beidem immer genug, im Gegenteil, es störte mich eher, wenn sie sich Sorgen machten.
Und ich hab mir auch fest vorgenommen, die Therapie nicht zu „m*ssb**ch*“, und von mir nur ein Bild zu zeichnen, und mich so gebe, wie ich gesehen werden will. Wenn ich schon eine Therapie mache, dann will ich auch, dass sie was nutzt und damit sie was nutzt, muss ich ehrlich sein, auch wenn mir das wohl teilweise sehr schwer fallen wird.
Naja, mal schauen, wie sich das so entwickelt…

Danke noch mal für deine ausführlichen Antworten!
Dir auch alles Gute!
Lieber Gruß,
Sophia

Verfasst: So Sep 25, 2005 19:15
von hope05
Deine Pläne hören sich aber doch schon mal sehr vernünftig an.
Ich nehme das alles (oder besser: ich nehme mich) einfach noch viel zu wichtig… Weiß auch nicht, woher das kommt, dass ich immer irgendwie Aufmerksamkeit und Anerkennung brauch.
Noch eins dazu... Ich denke eher, dass du dich nicht wichtig genug nimmst. Denn wenn du wüsstest, wie wichtig und wertvoll du bist, würdest du dir nämlich KEINEN Kopf darum machen, was die anderen denken!

Drück dich! Alles wird gut, ehrlich!!

Verfasst: Mo Sep 26, 2005 7:43
von Sophia_21
Hey Denise!

Vielen lieben Dank noch mal für deine Antworten. Bis ich mit dem Thema wirklich klar komme, wird zwar noch dauern, aber du schaffst es wirklich, einem „hope“ zu geben :D .

Ganz liebe Grüße,
Sophia

Verfasst: Mo Sep 26, 2005 15:28
von hope05
Das freut mich zu hören. Wenn was ist, bin immer da, ok?!! 8)

Verfasst: Mo Sep 26, 2005 18:01
von Sophia_21
Das ist echt superlieb von dir!!! Komme sehr gerne auf dein Angebot zurück! :D

Sophia