Kritik an der Gesprächspsychotherapie

#1
Hallo,
Vielleicht sind einige von euch wegen der Ess-Störung in ambulanter Therapie, waren es oder haben es noch vor. Ich maße mir jedenfalls nach fünf Jahren Therapieerfahrung an, euch von der klassischen (tiefenpsychologischen) Gesprächstherapie abzuraten. Aufgrund der folgenden Kritikpunkte, die sich aus meinen Erfahrungen und Reflexionen ergeben, halte ich diese Therapieform zur Behandlung einer Ess-Störung für ungeeignet:

1) Es wird davon ausgegangen, dass "der Konflikt bei Ess-Störungen immer in der Familie liegt" (meine Therapeutin) und die Ess-Störung sozusagen das Symptom darstellt.
-> diese Aussage widerlegt dementsprechend ironischerweise die Gesprächstherapie, denn wie kann ein Therapeut die Familiendynamik ändern, wenn er nur ein Familienmitglied behandelt? Außerdem zeigt sich ein weiterer Widerspruch im Bezug auf diese Annahme und die Gesprächstherapie, denn warum wird die Ess-Störung überhaupt behandelt bzw der Essgestörte, wenn das Problem doch eigentlich ganz woanders liegt? Ist dann nicht eher eine Familientherapie sinnvoll?

2) Die Therapie wird grundsätzlich non-direktiv gestaltet, d.h. "er geht nicht selektiv auf den Klienten ein, nimmt alle Inhalte auf, macht keine Vorgaben, usw". Der Klient entscheidet also das "Thema" der Therapie: er erzählt von seinen Problemen, Alltagsschwierigkeiten usw. Aber ist es nicht so, dass manche Erlebnisse sehr viel belastender/einflussreicher auf die Psyche wirken? Läge es da nicht gerade in der Aufgabe und Macht des Therapeuten zu entscheiden welcher Inhalt vertieft wird?
Ein Beispiel hierzu aus meiner eigenen Erfahrung:
-> seit 5 (!!) Jahren bin ich in Therapie und erst seit 2 Wochen behandeln wir meine traumatischen Kindheitserfahrungen (Demütigung und Gewalt). Diese Erfahrungen haben meine Psyche enorm geprägt und insbesondere meine Empfindungen. Das Gefühl der Ablehnung und Demütigung wird durch diese Kindheitserfahrung bei mir dementsprechend schneller hervorgerufen als bei anderen Menschen und ich nehme diese Gefühle (durch die Nicht-Verarbeitung der Traumata) sehr intensiv wahr. Die Beendigung einer Beziehung ist für mich daher etwas existentiell bedrohendes und nicht beachtet zu werden setze ich gleich mit bewusst abgelehnt zu werden. Ebenso habe ich fast dauerhaft Angst! Meine Therapeutin stellt diese Gefühle stets als normal und vollkommen verständlich dar, denn Liebeskummer sei schließlich etwas ganz natürliches, niemand ist gerne alleine.. und Angst kann ja auch Unsicherheit bedeuten usw. Sie dichtet es immer so um, dass ich mich zwar normal fühle, aber es mir gleichzeitig überhaupt nicht weiterhilft, denn die traumatischen Erfahrungen bleiben und halten u.a. die Bulimie aufrecht. Wenigstens kam vor zwei Wochen die Einsicht..

3) Sollten im Laufe einer Therapie nicht bestimmte Ziele festgelegt werden und die Erreichung dieser nicht mittel- oder langfristig gemeinsam mit dem Klienten überprüft werden?
-> Sicherlich gibt es viele Faktoren, welche die Bulimie aufrecht erhalten und immer wieder tun sich neue Schwierigkeiten auf, welche Redebedarf erzeugen, ebenso ist die Motivation der Klientin nicht immer die gleiche, allerdings ist es doch gerade wegen diesem "Chaos der Psyche" so wichtig eine (positive) Struktur vorzugeben und Ziele zu setzen. Sonst bleibt die Ess-Störung letztlich doch immer nur die einzige Konstante im Leben der Klientin. Die große Baustelle, weshalb sich die ES schließlich manifestiert hat, will Schritt für Schritt leergeräumt werden und gerade dabei sollte eine Therapeutin doch begleitend helfen und nicht nur (sinnfrei) durch ständige therapeutische Akzeptanz und Empathie den Patienten erzählen lassen und zwischendurch mal etwas bewerten.

4) Konkrete Hilfestellungen und therapeutische Modelle: Gerade bei einer Bulimie wäre es meiner Meinung nach mehr als angebracht, oberflächliche Tipps à la "Hör doch einfach mal vor so einem Ess-Brech-Anfall in dich hinein und schau wonach dir wirklich ist" sein zu lassen! Es ist verdammt nochmal eine SUCHT. Und Sucht impliziert Sucht-DRUCK. Da ist es längst zu spät, um in Ruhe mal in sich hinein zu hören. (Vielleicht liegt es auch daran, dass viele Psychologen weder nachvollziehen können wie es ist essgestört zu sein noch wie sich eine Sucht anfühlt - aber das nur mal so nebenbei...) Aber ich möchte nicht die Psychologie allgemein in Frage stellen. Keineswegs. Ich denke im Gegenteil sogar, dass die Erklärungen und Modelle zumeist sehr zutreffend sind. Jedoch muss diese "Theorie" in die Praxis umgesetzt werden und genau diese Brücke zu bauen und Hilfestellungen aufzuzeigen ist die Aufgabe des Therapeuten wie ich finde. Da sind oberflächliche Tipps und reine Erklärungen fehl am Platze. Stattdessen würde ich mir wünschen, dass das erarbeitete theoretische Modell - welches bei jeder Bulimikerin ein anderes ist! - einem im Alltag hilft die ES zu verstehen und man gleichzeitg damit in Zusammenhang stehende konkrete Handlungsalternativen zur Bulimie erlernt.

5) "Es gibt nichts Gutes außer man tut es"
Kritik habe ich ja bereits reichlich inhaltlich geäußert ;-) Doch auch formal weist die Gesprächspsychotherapie erhebliche Mängel auf, denn alleiniges Reden ist nicht ausreichend habe ich festgestellt. Warum werden die Modelle, Ideen, (hoffentlich vorhandenen) Ziele nicht mal zu Papier gebracht oder in irgendeiner Form veranschaulicht? Warum findet so wenig symbolische oder konkrete Arbeit am Symptom/an der Ursache statt? Beispielsweise das Essen "lernen" und die Gefühle dabei beschreiben und das Ganze therapeutisch aufarbeiten usw.

Vielleicht erscheinen euch meine Kritikpunkte und teilweise auch alternativen Ideen schwachsinnig, aber als selbstkritischer, heilungswiller, ehrgeiziger Mensch ist man nach fünf Jahren mehr oder weniger erfolgloser Therapie doch etwas gefrustet. Besonders wenn man am Anfang wegen leichten Untergewichts und einer latenten Magersucht in Behandlung kam und nun wegen einer massiven Bulimie in eine Klinik geht...
Wünsche euch alles Gute und hoffe, dass ich den ein oder anderen doch erreichen konnte und davor bewahren kann.
Ich schaue in den Himmel:
die Nacht ist sternenklar,
im Mondlicht singt die Wahrheit
es ist so wunderbar

Re: Kritik an der Gesprächspsychotherapie

#2
Halialo,
erstmal Herzlich Willkommen hier :).


Es tut mir Leid, dass du nicht so gute Erfahrungen in deiner Therapie machen konntest.... Finde es aber schade, dass du das so verallgemeinerst. Viele hier sind unsicher bevor sie eine Therapie beginnen und werden durch sowas vielleicht ersteinmal abgeschreckt. Ich denke aber, dass es IMMER ein Versuch wert ist und vielen Leuten auch helfen kann.

Zu 1) Da hat es sich deine Therapeuten aber ziemlich einfach gemacht. Mit Sicherheit kann die Familie in vielen Fällen eine Rolle spielen, aber mit Sicherheit muss dem nicht immer so sein. Aber auch wenn dem so ist, kann eine Therapie unabhängig von den anderen Familienmitgliedern viel wert sein. Denn so hat man viel mehr Freiräume, es geht nur um einen selber und man muss keine Angst haben WAS man sagt, da man sicher sein kann, dass es in der Therapie bleibt. Je nach dem was für Probleme vorliegen kann es auch arg wichtig sein UNABHÄNGIG von der Familie in Therapie zu gehen. Stell mal vor jmd. wird jahrelang in seiner Kindheit von der Familie m*ssb**ch*. Dann ist es doch auch ziemlich sinnfrei das in einer Familientherapie mit den Tätern zusammen aufarbeiten zu wollen oder ? Das nur so als Beispiel um zu zeigen, dass es nicht immer in jedem Fall gleich sein muss.

Zu 2) Auch hier habe ich stets andere Erfahrungen gemacht. Natürlich habe ich die Möglichkeit in meiner Therapie mit zuentscheiden, aber dennoch gibt meine Therapeutin auch häufig Themen vor. Gerade, wenn sie eine Vertiefung irgendwo wichtig findet, spricht sie genau diese Punkte an.
Im Übrigen kann es oft sehr sinnvoll und taktik sein, dass die Therapeutin erst jetzt über das traumatische spricht. Wenn man ein Trauma erlebt hat, ist es wichtig erst wirklich stabil zu sein um an der Situation arbeiten zu können. Es würde keinen Sinn machen, wenn der Therapeut dir das nicht zutraut und dich dennoch konfrontiert.
Dass deine Therapeutin deine Gefühle nicht ernst nimmt und als normal abtut, tut mir sehr Leid. Aber ich vermute, dass das eher an deiner Thera als an der grundsätzlichen Therapieform liegt ;).

3) Ich habe in meiner Therapie regelmäßig über Ziele gesprochen (auch wenn ich das nicht wollte). Ich denke es ist bei jedem anders, was ihm hilft. Ich habe auch in der Gesprächstherapie oft verschiedene Dinge mit meiner Therapeutin gemacht (Körperschema-Übungen, Entspannung, Stabilisation usw). MIR zum Beispiel hat dennoch das Reden am meißten geholfen. Hast du deiner Therapeutin mal gesagt, dass du unzufrieden bist und gerne einige Dinge anders machen würdest ??

4) Hier ist mir nicht so klar, was du dir wirklich wünscht von deiner Therapeutin...! Natürlich können Therapeuten einen roten Faden geben und einen beim Weg begleiten. Aber WIR GANZ ALLEIN sind die jenigen, die was ändern können und müssen. Da kann der Therapeut machen was man will. SOlange wir nicht anfangen etwas zu tun, wird sich halt nichts ändern

5) Auch hier bin ich der festen Überzeugung dass man diene Erfahrungen nicht verallgemein darf !!!!!! Wir haben oft in der Therapie DInge veranschaulicht oder so.
flieder hat geschrieben:Warum findet so wenig symbolische oder konkrete Arbeit am Symptom/an der Ursache statt? Beispielsweise das Essen "lernen" und die Gefühle dabei beschreiben und das Ganze therapeutisch aufarbeiten usw.
Das kenne ich zum Beispiel als Grundbestandteil der Therapie. WIr haben oft Protokolle und Ernährungstagebücher geführt und diese besprochen
flieder hat geschrieben:Vielleicht erscheinen euch meine Kritikpunkte und teilweise auch alternativen Ideen schwachsinnig, aber als selbstkritischer, heilungswiller, ehrgeiziger Mensch ist man nach fünf Jahren mehr oder weniger erfolgloser Therapie doch etwas gefrustet. Besonders wenn man am Anfang wegen leichten Untergewichts und einer latenten Magersucht in Behandlung kam und nun wegen einer massiven Bulimie in eine Klinik geht...
Als ich zu einer Therapie gewzungen wurde, habe ich auch lediglich ein paar mal geritzt gehabt.. Erst im Laufe der Therapie bin ich in die Essstörung gerutscht, habe versucht mich umzubringen, massiv selbstschädigend gehandeln usw usw. Ich war bereits 4 mal in Kliniken und gehe bald zum 5. Mal ! Dennoch würde ich nie auf die Idee kommen der Therapie die Schuld zu geben oder zu glauben das hötte nicht passieren dürfen.
Therapien können nur begleitend sein, aber tun müssen wir selber was !!!!

Am meißten interessieren würde mich dennoch, ob du deine Kritiken deiner Therapeutin denn mal gesagt hast. Vielleicht geht sie davon aus, dass das für dich der beste Weg ist und weiß garnicht, dass du dir was ganz anderes wünscht.

Alles gute für die Klinik ;)
Knisie

Re: Kritik an der Gesprächspsychotherapie

#3
Hallo,
uiui...
aaaaalso. Es sind sehr wohl alle Modelle in der Psychologie 'auf Papier gebracht'n. Es gibt verschiedene Paradigmen (Kognitive Psychologie, Behaviorismus, Konstruktive Psychologie, etc..), oder auch Richtungen. Jede existiert neben der anderen her. Wie meistens in der Wissenschaft. Es gibt zig Untergruppen und Querverbindungen. Dazu kommt natürlich aber auch noch der Therapeut, der ein Mensch ist, und sich aus diesen zigsachen etwas heraussuchen muss, was er vertreten kann. Dazu muss er natürlich auch noch wissenschaftlich vorgehen. Die Persönlichkeit des Theras kommt auch noch dazu.

Wegen Familie: Doch, das geht schon, dass nur du behandelt wirst. Wenn du gewisse Dinge begreifst, kannst du gesunde Verhaltensweisen an den Tag legen und dadurch deine Familienmitglieder dazu bewegen, dass auch sie sich ändern. Was, wie ich finde, aber relativ utopisch ist, wenn man schon volljährig ist, und auch zu spät.
Wichtig ist aber, dass du gewisse Dinge begreifst. Es ist wichtig zu wissen, ob die Familie im Rahmen tickt, oder ob da schon einiges schief lief. Du kannst deshalb nämlich deine Denkweisen umändern, oder gewisse Dinge überprüfen, die in dir 'eingepflanzt' sind.
Kinder bekommen ja auch oft Familientherapie, es gibt auch viele Kliniken, die die Familie mit einbezieht (was ich aber bei volljährigen bissle albern finde)

Wegen: schau, was dahintersteht, wenn dir nach einem Fa ist...das ist NICHT oberflächlich. So wird schon auch sogar mit richtigen Süchtigen umgegangen. Und vergiss nicht, du hast keine ganz richtige Sucht. Das wäre ja auch zu einfach, wenn du dich darauf 'ausruhst'. Und auch wenn es eine wäre: auch hier wäre wichtig zu schauen wann der Auslöser auftritt, wie du damit umgehst, wie du davon wegkommen kannst. Natürlich bekommen die Süchtigen dazu oft noch Medikamente, aber gegen Bulimie kannst du keine Medis nehmen damit der Körper mit dem Entzug klarkommt! Höchstens ein Antidepressivum.

Du kannst natürlich auch zu einer Verhaltenstherapeutin wechseln. Du kannst dann Protokolle schreiben, dir überlegen wie es dir vor dem essen ging, danach, währenddessen, was du gegessen hast, dann darüber sprechen; konkrete Übungen bekommen...aber die Seele bleibt dabei ja außen vor! Was gerade dann wichtig ist, wenn du traumatisiert bist.

Und es ist durchaus normal, wenn man in so einem Fall Ängste aufweist, das ist ,so paradox es klingt, eine gesunde Reaktion der Seele. Du hättest auch psychotisch werden können, oder anderes...was du anscheinend nicht bist. Und man muss ja nicht alles im Blickwinkel: oh das ist krank! sehen...deshalb vielleicht das bagatellisieren und schönreden deiner Therapeutin. Schwierig zu erklären, was ich meine...

Ziele: Eigentlich müsste deine Thera doch am Anfang mit dir Ziele ausgemacht haben? Und eigentlich ist es dein Ding dass du ihr Ziele nennst oder mit ihr besprichst. Vielleicht weiß sie auch einfach nicht was mit dir anfangen, wenn du nichts vorgibst, und spricht deswegen so wie sie mit dir spricht. Andererseits klingt es schon so, als ob ihr durchaus arbeitet. Wobei ich mich frage, wie kann es angehen, schon alleine wenn ich an die Krankenkasse denke, dass du schon seit 5 Jahren zu ihr hingehst?

Was denkst DU denn, woher die ES kommt? Wenn nicht aus der Familie? Hast du nicht dort deine schlimmen Dinge erlebt? Natürlich spielen auch andere Dinge eine Rolle, aber die Familie ist das erste, was ein Kind wahrnimmt, ehe der Kindergarten und die Schule kommt, von daher...

Wenn ihr erst jetzt traumatische Dinge bearbeitet, dann warst du davor vielleicht noch nicht bereit dazu? Vielleicht musstest du erst stabilisiert werden?
Und nein...wenn man über Alltag und Co spricht, und kein richtiges Ziel angibt, dann muss die Bulimie nicht das einzigste sein, was die Patientin als eine Art Ziel hat. Wenn man über Alltag spricht, kann es sein, dass die Patientin den Schwerpunkt wieder verlagert, weg von der Bulimie und hin in den Alltag, zu einem neuen Hobby, einem anderen Job, Denkmuster verändert was sich wiederum auf die Bulimie auswirkt...

Mach doch wirklich mal ein Protokoll und schreibe auf, wann der Bulimiedruck auftritt. Nach 2 Wochen wird dir sicherlich etwas auffallen...und zwar nicht, dass das eine Sucht ist, sondern dass sich Situationen gehäuft haben, wo es passiert ist, oder dass du gleiches davor gedacht hast, oder gefühlt hast oder nicht gefühlt.

Du sprichst selbst von 'Handlungsalternativen'. Was stellst du dir vor?
Klar, man kann dir sagen: ach, gib dein Geld ab, deine Ec-Karte, verschließ dich in deiner Wohnung damit du kein Essen klauen gehen kannst und schon bist du die Bulimie los, sagen wir, nach 1 Woche. Äh, glaubst du das klappt?
Man kann dir auch sagen: Iss regelmässig, iss ausgewogen, habe keine Verbote...(das ist auch die Wahrheit, das hilft wirklich)
Und man kann dir sagen: höre in dich hinein, was ist jetzt anders als vor 5 Minuten als dir noch nicht nach einem Fa war? Was geht dir gegen den STrich? Hättest du lieber ja/nein gesagt anstatt was du wirklich gesagt hast? Hat deine Vergangenheit damit zu tun? Etc...(das hilft auch wirklich).
Man kann dir auch sagen: Zögere den Fa 5 Minuten heraus. Dann 10, dann 15, usw., Man kann sagen: Geh unter die Dusche, joggen, malen, singen, tanzen, wasch Geschirr ab, usw., wenn Fa-Druck kommt. Ablenken.
Man kann sagen: Kauf dir absichtlich Fa-Zeug und erlaube dir einen Fa. (wen du das ein paar mal gemacht hast, wird es wahrscheinlich so sein, dass du dann gar keinen willst - ich habe es probiert, es klappt!).
Du kannst diese Tipps aber auch alle hier im Forum nachlesen und in Büchern.

Kurzum: Sag ihr, was dir nicht gefällt. Überleg dir, ob du mal zu einer Ernährungsberaterin gehen willst, oder ob du die Therapieform wechseln willst. Überdenke dich und deine Meinung auch vorsichtshalber mal neu. Mit Abstand, von außen. Hole dir Infos über Bulimie/Essstörung ein und mache dir dann ein eigenes Bild, aber lasse auch was von außen rein.
Tine

Re: Kritik an der Gesprächspsychotherapie

#4
@ ksiezniczka! : Danke für deine ausführliche Antwort :-) Selbstverständlich ist meine „Stellungnahme“ aus einer subjektiven Perspektive geschrieben, weshalb man von meiner Therapeutin nicht auf alle Theras schließen kann. Jedoch möchte ich auch nochmal anmerken, dass ich lediglich die Gesprächstherapie kritisch beleuchtet habe und keinesfalls davon abraten würde eine Therapie zu machen! Ganz im Gegenteil: Ich zeige ja auf wie es anders/besser in einer Therapie ablaufen könnte, womit ich der Therapie ja per se schon einen hohen Stellenwert beimesse.
Stell mal vor jmd. wird jahrelang in seiner Kindheit von der Familie m*ssb**ch*. Dann ist es doch auch ziemlich sinnfrei das in einer Familientherapie mit den Tätern zusammen aufarbeiten zu wollen oder ?
Ja, da würde ich dir zustimmen. Ich habe nur die Argumentation meiner Therapeutin weitergeführt bzw ich habe sie eher ab absurdum geführt. Die Rede war ja von einer krankmachenden Familiendynamik. Aber dass traumatische Erfahrungen am Besten in dem sicheren therapeutischen Umfeld - wie du es beschrieben hast - stattfinden sollten, sehe ich absolut genauso. Gerade dieses tut mir für die Verarbeitung meiner eigenen momentan auch sehr gut=)
Hast du deiner Therapeutin mal gesagt, dass du unzufrieden bist und gerne einige Dinge anders machen würdest ??
Ja, öfter. Vor einigen Monaten sehr direkt, die letzte Zeit oft indirekt. Meistens tut sie dies aber ab, indem sie mit ihrer psychologischen "Allmacht" meine Kritik zum Teil meines psychischen Problems macht. Beispiel: Ich schlage Ziele und konkrete Handlungsanweisungen in der Therapie vor. Sie antwortet, dass ich gut sei wie ich bin und nicht immerzu versuchen soll an mir zu arbeiten, sondern lieber alles einfach zulassen soll wie es kommt.

@ Tine:
aaaaalso. Es sind sehr wohl alle Modelle in der Psychologie 'auf Papier gebracht'n. Es gibt verschiedene Paradigmen (Kognitive Psychologie, Behaviorismus, Konstruktive Psychologie, etc..), oder auch Richtungen. Jede existiert neben der anderen her. Wie meistens in der Wissenschaft. Es gibt zig Untergruppen und Querverbindungen. Dazu kommt natürlich aber auch noch der Therapeut, der ein Mensch ist, und sich aus diesen zigsachen etwas heraussuchen muss, was er vertreten kann.
Ich habe ja wie oben geschrieben auch nicht die Psychologie infrage gestellt oder in irgendeiner Art und Weise als unwissenschaftliche brotlose Kunst dargestellt, sondern mich darüber empört, dass in meiner Gesprächstherapie nie etwas zu Papier gebracht wurde.
... gesunde Verhaltensweisen an den Tag legen und dadurch deine Familienmitglieder dazu bewegen, dass auch sie sich ändern. Was, wie ich finde, aber relativ utopisch ist, wenn man schon volljährig ist, und auch zu spät.
Ich habe es mit 13, 14, 15, 16 und 17 leider nicht geschafft meine Eltern zu ändern, aber heute stimme ich dir in dem hier zu: „Es ist wichtig zu wissen, ob die Familie im Rahmen tickt, oder ob da schon einiges schief lief. Du kannst deshalb nämlich deine Denkweisen umändern, oder gewisse Dinge überprüfen, die in dir 'eingepflanzt' sind." Das tut schon gut zu wissen irgendwo. Allerdings war ich damals verzweifelt und hilflos – während ich in Therapie war. Daher meine Kritik und gleichzeitige Forderung einer Familientherapie (für Minderjährige wie mich damals).
man muss ja nicht alles im Blickwinkel: oh das ist krank! sehen...deshalb vielleicht das bagatellisieren und schönreden deiner Therapeutin. Schwierig zu erklären, was ich meine...
Finde ich aber einen durchaus interessanten Punkt ;-) Magst du es mir noch genauer erklären? Meinst du es in der Richtung, dass es leichter ist gesund zu werden, wenn man sich selbst nicht als „Kranke“ stigmatisiert?
Das wäre ja auch zu einfach, wenn du dich darauf 'ausruhst'. Und auch wenn es eine wäre: auch hier wäre wichtig zu schauen wann der Auslöser auftritt, wie du damit umgehst, wie du davon wegkommen kannst.
Vielleicht hast du Recht und ich ruhe mich darauf aus oder arbeite nicht hart genug an mir, aber ich habe oft das Gefühl, dass die fehlende Struktur, ja, der rote Faden in meiner Therapie fehlt und ich dadurch die Bulimie als einen "Notanker" in meinem sonstigen Leben sehe. Das finde ich schade. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur gefrustet, dass ich während der Therapie überhaupt in solch eine massive Bulimie reingerutscht bin.

„Wobei ich mich frage, wie kann es angehen, schon alleine wenn ich an die Krankenkasse denke, dass du schon seit 5 Jahren zu ihr hingehst?“ Der Antrag wurde einfach immer und immer wieder verlängert und weil ich ein höchst selbstkritischer Mensch bin, (was natürlich gerade in diesem Thread nicht so rüberkommt, da ich ja explizit die Therapie infrage stelle) habe ich nicht meine Therapeutin infrage gestellt, sondern mich. Ich dachte, dass ich einfach härter an mir arbeiten müsste statt so wie hier formuliert die Gründe meiner Nicht-Genesung auch (!! Nicht ausschließlich) woanders zu suchen.
Was denkst DU denn, woher die ES kommt? Wenn nicht aus der Familie? Hast du nicht dort deine schlimmen Dinge erlebt?
Definitiv sogar aus der Familie. Ich hätte diese Dinge gerne früher therapeutisch in Angriff genommen und ich denke nicht, dass ich vorher nicht stabil genug dafür war. Ich habe momentan zwar eine mittlere Phase, aber vor 2,3 Jahren war ich auch schon deutlich stabiler – vor Beginn der Bulimie, während der Bagatellisierung heftigster Ess-Anfälle.

Danke für deine Ausführungen zu den Handlungsalternativen ;-) Vielleicht fehlt mir momentan auch ein wenig die Motivation, weil ich schon so viele Anläufe unternommen habe und es da immer an den latent auftretenden Ängsten gescheitert ist, die wir erst jetzt bearbeiten. Das macht mich irgendwie wütend. Ich muss gestehen, dass ich die letzten Wochen oft gar keine Lust mehr habe zu kämpfen und die Bulimie all zu oft einfach hinnehme :-/ Aber du hast Recht Tine: „höre in dich hinein, was ist jetzt anders als vor 5 Minuten als dir noch nicht nach einem Fa war? Was geht dir gegen den STrich? Hättest du lieber ja/nein gesagt anstatt was du wirklich gesagt hast? Hat deine Vergangenheit damit zu tun?“ Solche Strategien, die ich allerdings nicht von meiner Thera, sondern aus dem Forum und aus Büchern habe, helfen wirklich. Oft gibt es schon einen Universalauslöser, der sich immer wider in anderen Formen äußert, festzustellen. Ich fange wieder an aufzuschreiben denke ich. Keine Ernährungsprotokolle, denn jegliche Pläne setzen mich nur unter Druck und engen mich ein, sondern bei FA-Druck schreibe ich meine Gefühle nieder und versuche dann die Parallelen zu entdecken und mit meiner Vergangenheit in Verbindung zu bringen.
Sag ihr, was dir nicht gefällt.
Freitag habe ich meine letzte Therapiestunde bei ihr bevor es nächste/übernächste Woche in die Klinik geht. Möglicherweise habe ich deshalb nochmal abschließend meinen "Therapieerfolg" bei ihr reflektiert. Da nach der Klinik ja noch eine ambulante Nachsorge stattfindet ziehe ich in Erwägung die Therapeutin zu wechseln. Auf der anderen Seite könnte ich natürlich auch die Therapie umgestalten und meine Kritik dabei äußern. Außerdem weiß sie schließlich auch von den traumatischen Erfahrungen und kennt die ganze Vorgeschichte. Zuletzt sagt mir mein Bauchgefühl aber immer wieder, dass mir nach einem Neuanfang ist. Sollte ich das am Freitag mal ansprechen?

Vielen Dank nochmal ihr beiden für eure konstruktiven Anregungen!
Ich schaue in den Himmel:
die Nacht ist sternenklar,
im Mondlicht singt die Wahrheit
es ist so wunderbar

Re: Kritik an der Gesprächspsychotherapie

#5
Hallo,
ach so, ich hatte es so verstanden, dass du dachtest, für 'Gesprächstherapie' gebe es keinen wissenschaftlichen Hintergrund oder so, ich hatte nicht verstanden, dass du meinst, dass bei dir im Rahmen der Therapie nichts aufgeschrieben wurde. Das ist übrigens, soweit ich weiß, nicht mehr immer üblich, dass die Therapeutin mit Block dasitzt und vor sich hinschreibt. Ähm manche nehmen auch heimlich auf...oder tun gar nichts. Je nach dem.

Vielleicht ändert sich ja etwas in der Klinik, und du siehst die Sache danach noch einmal anders als jetzt.

Schade, dass das so schief lief damals....aber vielleicht braucht das alles einfach seine Zeit und es musste, damit es besser werden kann, erst einmal schlimmer werden? Wer weiß...
Ist deine Thera eine Kinder-und Jugendtherapeutin? Die haben u.U. sowieso eine etwas anderes Ausbildung als die für Erwachsene.
Ich wünsche dir jedenfalls alles Gute für die Klinik, und dass dein letztes Gespräch mit der Thera gut verläuft.
Tine

Re: Kritik an der Gesprächspsychotherapie

#6
Mhm, es gibt sicher einige Probleme im system aber so negativ sehe ich das ganze nicht.
Ich hatte jahrelang eine tiefenpsychologische Therapeuten und einerseits kann ich sagen, dass es ja nie um meinen m*ssbr**ch ging und selten um die essstörung, aber dafür merke ich, dass ich eben genauso lange gebraucht habe, um über bereit zu sein über diese probleme mit jemandem zu reden.
You do it to yourself, you do
And that's what really hurts
Is that you do it to yourself
Just you and no one else