Therapie der Bulimie

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Hallo Ihr!

Ich habe kürzlich im Internet folgende Beschreibung zur Therapie der Bulimie entdeckt, welche ich Euch nicht vorenthalten wollte:

"Therapie der Bulimie

Von Dr. med. Heike Helber-Böhlen

Die Auflösung der Symbiose ist das therapeutische Ziel. Die Bindung an das Elternhaus ist den Patienten mittels Traumanalyse und Verhaltenstherapie bewusst zu machen (1, 2, 3, 4). Der Weg aus der Symbiose beinhaltet das Überwinden der aggressiven und s*x**ll* Gehemmtheit, das Finden der Identität, eine Stärkung des Selbstvertrauens und die Annahme der Rolle als Erwachsener, nachdem Trauer und Trennung zugelassen wurden.

Es sind nicht allein der Widerstand oder die elterliche Bindungsmacht, welche die Therapie der Bulimie so schwierig machen, sondern auch die Vielfalt der anderen Miterkrankungen trägt dazu bei, die Bulimie den aufwendig zu behandelnden Leiden zuzuordnen. Angstzustände, ausgeprägte depressive Verstimmungen, auch Suizidgefährdung, andere Suchtformen, Kontaktstörungen und Störungen der Hingabe- und Bindungsfähigkeit lassen die Therapie der Bulimie langwierig werden. Wie auch andere Suchtkranke sind Bulimiker nicht kurzfristig und lediglich symptomorientiert zu heilen, sondern die Behandlung erfordert 1 1/2 bis 2 Jahre, manchmal 3 Jahre. Die eigenen Therapieergebnisse geben Anlass dazu, die Bulimie in die gut therapierbaren Suchtformen einzuordnen.

Das quälende Symptom der unbeherrschbaren und zwangsartig auftretenden Essanfälle wird den Patienten für längere Zeit nicht in Ruhe lassen. Dieses ist ihm mitzuteilen, aber auch, dass er das Symptom verlieren wird, wenn er ernsthaft und regelmäßig mitarbeitet. Auf seine Essproblematik ist immer wieder einzugehen. Ich fordere die Patienten bereits zu Anfang der Therapie auf, die Essanfälle zu bekämpfen, zu unterdrücken, soweit sie es können. Sie sollen sich loben für normales Essverhalten, sich jedoch nicht hineinsteigern in Schuldgefühle, falls die Essanfälle doch nicht beherrschbar waren. Das anfallsartige, zwanghafte Sich-Beschäftigen mit dem Essen und die Essanfälle selbst sind als Symptom unbewältigter Autonomiekonflikte gegenüber einem zumeist mütterlichen Objekt aufzufassen. Die Macht der Bindung und der regressive Sog äußern sich als Widerstand und Festhalten an den Essanfällen.

Bereits nach einigen Monaten wöchentlicher Gruppentherapie ist nicht selten zu hören, dass die Essanfälle gänzlich oder deutlich nachgelassen hätten. In diesem Moment spüren die Patientinnen wie auch die Psychiaterin eine deutliche Erleichterung und erhalten allein hierdurch eine Belohnung für ihr beidseitiges Bemühen.

Bulimikerinnen neigen dazu, Schwierigkeiten mit ihrem Partner allein auf dessen Unfähigkeit und Fehler zurückzuführen und sich selbst als Opfer der Beziehung zu empfinden. Eigene Passivität, eigene Ohnmacht gegenüber einem verschlingenden und grenzüberschreitenden Objekt werden auf den Anderen projiziert. Dieser erhält damit besonders bei narzisstisch gestörten Patienten vorwiegend böse und dämonische Charakterzüge. Daher neigen Bulimikerinnen leicht zu Trennungsgedanken, die jedoch eine Flucht vor inneren, negativ besetzten Objektbildern darstellen.

Schwierigkeiten sich abzugrenzen, Abwertungen des Partners, Angst vor Nähe oder ein Zuviel an Harmoniebestreben und Störungen der Sexualität treten als Behandlungsthemen im Verlauf der Therapie auf. Sie sind oft als Symptom einer persistierenden Symbiose aufzufassen.

Dem Patienten ist der innere Machtkampf zwischen Autonomie und Heteronomie anhand von Verhaltens- und Traumanalyse immer wieder zu vergegenwärtigen, wobei auf Seiten des Therapeuten auch heftige Gegenübertragungsgefühle auftreten können. Diese richten sich gegen die pathologischen Symptome des Patienten und nicht gegen sein Selbst. Der Therapeut hat sich mit den gesunden Anteilen des Patienten zu verbünden und ihn in seinem Kampf gegen verschlingende und zerstörerische Objektbilder zu unterstützen und ihm Möglichkeiten aufzuzeigen, sich adäquat abzugrenzen oder hinzugeben.

Wenn die Angst vor Aggressivität, vor Nähe und Abhängigkeit und vor der eigenen Identität überwunden ist und die "Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies" (5) nachgelassen hat, hat auch die Bulimie ihre Macht verloren.


Literatur

1. Fichter, M. M.: Magersucht und Bulimia, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo (1985), S. 271
2. Hsu, G.L.K., Holder, D.: Bulimia nervosa: treatment and shortterm outcome, Psychol. Med. 16 (1986), S. 65 - 70
3. Garner, D., Garfinkel, P., Irvine, J.: Integration and Sequencing of Treatment Approaches for Eating Disorders, Psychother. Psychosom. 46 (1986), S. 67 - 75
4. Potreck-Rose, F.: Anorexia nervosa und Bulimia, Deutscher Studien Verlag, Weinheim (1987)
5. Zoja, L.: Sehnsucht nach Wiedergeburt, Kreuz Verlag, Stuttgart (1986), S. 120"

Viele Grüße

Clarissa01