Oh mein Gott, ich muss jetzt SOFORT etwas loswerden, sonst platze ich oder kriege einen Nervenzusammenbruch.
Wir hatten heute auf Arbeit die absolute Essstörungs-Eskalation, so gesprächsmäßig. So etwas habe ich in so komprimierter Form in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt, nichtmal in der gottverdammten Klink.
Irgendwie waren in den letzten Wochen in unserer Freitags-Kollegenkonstellation immer schon die Themen Essen, fett sein, zunehmen, abnehmen und überhaupt in einer sarkastisch schwelenden Weise da. Haben uns gegenseitig aufgezogen, dass wir ja so "fett" seien, obwohl es eigentlich keiner von uns ist - solche Dinge. Und ich weiß, dass die zwei Kollegen, mit denen ich in einem Raum arbeite, bei diesem Thema beide ein bisschen geschädigt sind. Man merkt es einfach an der Art, wie sie darüber reden, an der Art, wie sie an ihren Broten knabbern ... was weiß ich, egal.
Auf jeden Fall ging das heute so weiter. In der Mittagspause erzählte eine Kollegin, wie viele (schreckliche) Kalorien sie heute schon gegessen habe und zählte alles auf. Rechnete ihren Leistungsumsatz vor, erzählte von Weight-Watchers-Punkten und davon, dass sie heute noch zum Zumba müsse, obwohl sie eigentlich schrecklich müde sei. Es ging damit weiter, dass alle ihre Storys erzählten, wie dick sie mal waren und wie toll sie abgenommen hätten.
Zurück im Büro: Als ich mich einmal streckte (und man so mein Bäuchlein sah

) guckte mein Kollege mich feixend an, imitierte mein Strecken und machte eine Geste, bei der er angedeutet einen riesengroßen Bauch streichelte. Ich hab ihm dann irgendeinen blöden Spruch gedrückt; bin kurz danach aus dem Raum, um mir 'nen Kaffee zu machen. Als ich zurück kam, sagte er grinsend: "Ohhh, du musstest doch jetzt nicht kotzen gehen, nur weil ich dich disse!" Ich war irgendwie sprachlos, hab nur "Boah!" gesagt, ihm eine angedeutete Kopfnuss gegeben und bin zurück auf meinen Platz. Später haben wir uns eine Tafel Schokolade geteilt und alle stritten sich, wer den letzten Riegel nehmen solle. Dazu erzählte die Kollegin noch von der ach-so-geilen Schokolade, die es bei Aldi gibt (ich wohne direkt neben einem Aldi und kaufe da entsprechend oft für FAs ein, konnte also sehr gut mitreden

).
Wir haben uns dann zu dritt auf den Rückweg gemacht und die gleiche Bahn genommen. Als da schon wieder das Thema fett sein aufkam, hab ich mich irgendwann aufgeregt, warum das plötzlich das Lieblingsthema von allen sei. Und da rückte meine Kollegin mit der Sprache raus, wie schlimm das sei, sie habe ja so Probleme mit dem Essen, sei schonmal stark untergewichtig gewesen, hätte regelmäßig gekotzt, dann wieder ins ÜG zugenommen und dann wieder ab ... ich war so geschockt, dass ich einfach auch offen gesprochen hab. Erzählte von meiner krassen anorektischen Phase, von meinem Klinikaufenthalt. Schließlich sagte die Kollegin, es sei auch so schwierig gewesen, weil das Kotzen ihr immer so leicht gefallen sei. Ich entgegnete, das sei bei mir auch so. Und es sei immer noch so. 20 Sekunden später musste ich umsteigen.
Und da stand ich, alleine. An einem Bahnhof, an dem ich schon geschätzte fünf Millionen Mal beim Umsteigen für FAs eingekauft und sie gestartet hatte. In den vergangenen Wochen/Monaten jeden Tag. Ich stand da, hatte Zeit, bis meine Bahn kommen sollte, und war wie in Trance. Was hatte ich da gerade getan? Warum hatte ich die schöne Fassade fallen gelassen, die ich mir auf der Arbeit so mühevoll aufgebaut hatte? Warum gerade jetzt, wo ich den neunten Tag "clean" bin, wo ich so erfolgreich kämpfe? Wie krass ist es eigentlich, dass so viele verdammte Menschen in meinem Umfeld bei dem Thema vorbelastet sind? Alles in mir schrie nach einem FA. Ich hatte ja eh schon Schokolade gefressen, warum nicht noch mehr davon? Es war doch eh schon alles egal.
Nein. War es nicht. Ich hab mich innerlich selbst an den Schultern gepackt und geschüttelt und hab einfach meine Bahn genommen. Und auf meinem Handy Sudokus gemacht wie eine Irre, um mich abzulenken. Jetzt bin ich gerade zur Tür rein, bin als erstes an den Laptop gestürzt und schreibe diese blöden wirren Worte, weil ich immer noch wie in Trance bin und gar nicht fassen kann, was da heute alles passiert ist. Und weil Ihr hier vielleicht versteht, was in mir vorgeht (vielleicht besser als ich), falls das überhaupt jemand zuende liest.
Das Positive: Wenn ich den heutigen Tag ohne fressen und kotzen überstehe (da bin ich mir noch nicht sicher), übersteh ich eigentlich alles, oder?
