Umgang mit Demenz

#1
hallo an euch alle :)

jetzt, da sommerferien sind, bin ich wieder am land bei meiner familie - sonst studiere ich in wien.
da kriege ich natürlich auch die demenz meiner oma wieder stark mit.
kurz zum hintergrund: sie ist 82 jahre alt und leidet seit etwa 3-4 jahren daran. es wird nicht wirklich besser.
im moment, wenn ich so ihre krankheit mitkriege, denke ich mir oft so: das ist doch gar nicht deine krankheit, du bist einfach eine böse , alte frau und schätzt die pflege deiner töchter (meine mama und meine 2 tanten) doch gar nicht.

ein paar beispiele:
sie weiß genau, dass am freitag alle ein wenig im stress sind wegen wochenendbesorgungen etc. war schon immer so. gerade heute muss sie ihre wäsche waschen - aber: aufhängen geht selber ja nicht mehr.

man fragt sie, was sie essen will. sie sagt etwas, man geht und macht es ihr. (wir alle wohnen gleich nebeneinander, also die häuser sind nur durch ein paar meter getrennt). man kommt dann ca. 10 minuten später mit dem fertigen essen. und sie? sie sitzt am tisch und hat sich selbst etwas gemacht.

sie "beschimpft" meine mutter/tanten als fett - ja FETT. die 3 sind nicht gerade schlank und haben ein paar kilos zu viel auf den rippen. aber FETT - das hat niemand verdient! dann sagt sie über sich selbst: sie sollten mehr wie ich werden, ich habe ja soviel abgenommen. dabei wiegt sie selbst keinen gramm weniger und sieht auch nicht dünn aus. manchmal würde ich gern sagen: kauf dir doch einen spiegel und schau DICH an!

man kocht für sie und es passt ihr nicht, was auf den tisch kommt.
etc. etc.


ich bin zurzeit so geladen und wütend auf sie. meine mutter muss ihr leben ganz nach ihr richten. (wir wohnen am nähesten bei meiner oma - sind nur durch den garten getrennt). ich merke, wie meine mutter immer mehr leidet. natürlich helfe ich ihr und greife ihr so gut es geht unter die arme. aber es ist ja trotzdem nie genug, wenn man durch worte so verletzt wird.
ich denke mir manchmal, es wäre besser.. naja. will ich jetzt nicht aussprechen. ich hab sie ja sehr gerne und sie hat sich immer um mich gekümmert. aber ich kann mit dieser krankheit einfach nicht umgehen.

hat jemand erfahrungen damit?

lg
Love yourself first and everything else falls into line. You really have to love yourself to get anything done in this world.

Re: Umgang mit Demenz

#2
War deine Oma immer schon so drauf?
Oder erst seit sie Demenz hat?

Nein, ich würde ihr es nicht persönlich nehmen.
Ich denke doch es liegt an der krankheit, durch diese krankheit verändert sich die persönlich keit stark.

Es gibt Demenz kranke die wirklich Böse werden durch die Krankheit.
Meine cousine arbeitet in einem Altersheim und dort hat es Demenz kranke
die auf die Pfleger los gehen und sie schlagen wollen.

Diese Leute waren früher nicht so, doch durch die Krankheit vergessen die leute ziemlich viel und
auch ihr eigentliche Art.
Sie wissen nicht mehr was sie tun und ob es richtig oder falsch ist.

Meine uhrgross mutter hatte auch Demenz, sie war 95 .

Die wusste nicht mal mehr das sie kinder hatte und kannte sie auch nicht mehr.


Es ist eine wirklich schlimme krankheit und man kann es ihr nicht übel nehmen,
glaub mir.



Ich denke auch oder bin mir sogar ziemlich sicher, dass deine Oma vergessen hat, das du essen kaufen bist.

Re: Umgang mit Demenz

#3
sie war früher schon immer eine eher boshafte frau. immer am schimpfen über andere und nie bei sich selbst begonnen.
aber das hat sich jetzt natürlich verschlimmert.

das schlimme ist: ich weiß das alles. ich weiß, dass die krankheit schlimm ist und was sie mit menschen macht.

aber ich komm damit trotzdem nicht klar. manchmal empfinde ich richtig hass.. :?
Love yourself first and everything else falls into line. You really have to love yourself to get anything done in this world.

Re: Umgang mit Demenz

#4
Liebe ahcsleoh,


ich habe tagtäglich mit Demenzkranken zu tun.
Ich arbeite im Krhs und wir haben jede Woche mind. zwei von ihnen.

Ich kann aus Erfahrung sagen, dass Demente eigentlich immer die Eigenschaften verstärken, die sie früher auch schon hatten, d.h. wenn sie bösartig waren, werden sie bösartiger etc.
Ich denke es ist immer leicht gesagt, man darf es ihnen nicht übel nehmen wenn sie sind wie sie sind.
Auf mich als Krankenschwester darf und sollte es zutreffen, ich habe keine persönliche Bindung zu diesen Menschen, sie sind Patienten wie alle anderen auch, wenn auch ein bisschen schwieriger.
Als Angehöriger ist es da schon wesentlich schwieriger und ich kann durch aus verstehen dass Du manchmal Hass empfindest.
Meiner Meinung ist das vollkommen legitim, Du solltest es nur nicht an ihr auslassen, denn Tatsache ist wirklich sie kann nichts für diese Krankheit.
Es heisst aber nicht dass man diesen Menschen nun nicht mehr kritisieren darf oder sollte.
Demenz ist ja kein "Freibrief" für Bösartigkeit.
Sie sollte trotzdem darauf hingewiesen werden dass es nicht in Ordnung ist wie sie mit Euch umgeht, ob sie das nun versteht sei mal dahingestellt, geschweige denn das sie es ändert.
Aber es bringt Dir selbst was, Du hast das Gefühl es zumindest gesagt zu haben.
Und iwas kommt immer an auch wenn es vielleicht nicht immer sichtbar ist.

Leider ist es eine Endlosaufgabe, denn besser wird es nun mal nicht.
Es wird höchstens schlimmer.
Wenn Du versuchen möchtest besser mit ihr umzugehen dann erkundige Dich mal zum Thema Validation, manchmal bewirkt das wahre Wunder, zwar auch nur für den Augenblick aber immerhin.

ein kleiner Link dazu:
http://www.demenz-kompakt.com/Validation.php?xid=ms-DEZ

Demenzkranke kann man nicht verstehen aber man kann wenigstens versuchen damit umzugehen.

Ich wünsch Dir alles Gute!

Liebe Grüsse

Re: Umgang mit Demenz

#5
hallo mariella!

danke für deine liebe antwort. und kompliment - ich bewundere deine arbeit!

wir versuchen auch, ihr beizubringen, was nicht ganz okay ist, was sie nicht sagen sollte. das versteht sie aber leider meistens nicht und reagiert dann wütend und trotzig.
mir tut meine mutter dabei halt am meisten leid. weil sie unter der situation sehr leidet. natürlich greifen mein vater und ich ihr immer unter die arme, aber sein elternteil so krank zu sehen ist einfach schwierig.

ich hab mich auch schon viel mit dem thema beschäftigt, viel gelesen etc. vielleicht ist dir ja "der alte könig in seinem exil" von arno geiger dazu bekannt. sehr tolles buch und sehr berührend.

danke für den link! werd mich da gleich mal einlesen - vielleicht bringt's ja wirklich was :)

lg
Love yourself first and everything else falls into line. You really have to love yourself to get anything done in this world.

Re: Umgang mit Demenz

#6
Hallo Ihr. :-)

Leider kenn ich das nur zur Genüge. :-(
War unzählige Male in der Psychiatrie. Und dort sind auch immer oft demenzkranke.
Extrastation gibt's dort nicht.
Auch als ein Bekannter erkrankte. Später habe ich ein Praktikum in einem Altenheim gemacht. Hauswirtschaft.
Dort hab ich den Bekannten nochmal getroffen. Er kannte mich nicht mehr. :-( Heftig wie sehr das jmd. verändern kann. Vor allem die Aggressivität.
In diesem Altenheim war auch eine Frau die ich aus der Psychiatrie kannte. Das wusste sie auch noch.
Das war immer etwas schwierig. Gestern hab ich in der Zeitung gelesen, dass sie verstorben ist.

Zwischenzeitlich erkrankte meine Oma. :-(
Ich wohne seit zwei Jahren nicht mehr bei meinen Eltern. Dort wo meine Oma auch wohnt. Andere Großeltern habe ich seit 20 Jahren nicht mehr. Meine Oma ist soweit noch klar, jetzt 84 geworden.
Sie kümmert sich auch noch alleine um sich. Macht ihre Wäsche, kocht für sich, spritzt sich ihr Insulin und richtet ihre medies selbst.
Meine ma sagt sie baut immer mehr ab und ihr fehlt die Geduld. *sfz*
Ich nehm das iwie anders wahr. Mh. Viell. will ich das auch einfach nich anders wahrnehmen.
Aber ich hab Angst wie das alles weitergehen wird. Meine Mutter ist quasie alleine damit, ich hab keine Geschwister die in DE wohnen und helfen könnten. Die beiden Brüder meiner ma helfen naja. Schon auch. Aber jo. Meine ma hat sie im Haus.
Bin etwa jedes zweite WE Zuhause und mach halt auch was ich kann. Putze bei ihr, beschäftige mich mit ihr. Ich bin ja auch gerne bei ihr. :-) und kann auch immernoch viel mit ihr machen. (Bin momentan auch öfter körperlich angeschlagen. Unter anderem auch wegen der Bulimie) Naja. *sfz*


Ab dem nächsten Monat mache ich wieder Praktikum im Altenheim.
Nicht Pflege. Ich bin gespannt. Ich hoff ich komm dort klar.

Danke auch für den Link. :-) Ich werd mir den auch mal anschauen.
Und auch das mit dem trotzig kenne ich nur zu gut.

LG

Re: Umgang mit Demenz

#7
ahcsleoh hat geschrieben:wir versuchen auch, ihr beizubringen, was nicht ganz okay ist, was sie nicht sagen sollte. das versteht sie aber leider meistens nicht und reagiert dann wütend und trotzig.
Das ist dass grundlegende Problem bei Dementen.
Und doch haben auch sie ein Gefühl von Moral/Recht/ Unrecht.
In diesem Stadium der Erkrankung sind sie sich sehr wohl bewusst dass sie ihrer Umwelt unrecht tun, sie können es nur nicht mehr differenzieren.
Ein Dementer hat für sich gesehen immer Recht, egal wie sehr er auch im Unrecht sein kann/ist.
Das hat nichts mit Bösartigkeit zu tun sondern einfach mit dem kognitiven Unvermögen sein eigenes Verhalten zu reflektieren.
Zugegeben, macht die Sache nicht einfacher.

Sie sind oft einfach wie Kinder denen man ein Bonbon weg nimmt und dann versucht zu erklären warum man es ihnen weg gemommen hat.
Das versteht ein Kind (im ersten Moment) genauso wenig wie ein Dementer, nur das ei Kind lernfähig ist während ein Dementer immer weiter abbaut und keinerlei Lernerfolge sichtbar sind.

Ich denke nicht das Du mich für meine Arbeit "bewundern" musst oder solltest, ich bewundere eher die Menschen die sich um ihre Angehörige mit Demenz kümmern.
Ich gehe nach meinen 8h Tag nach Hause und dann übernimmt jemand anderes die Geduldsarbeit.
Ich habe die Person nie anders kennen gelernt, ich kenne sie nur in ihrem jeweiligen Krankheitsstadium.

Während Ihr genau wisst wie Eure Angehörige vorher war und nun geworden ist, das stelle ich mir viel schwieriger vor und um einiges trauriger.

Demenz ist eine Erkrankung der Angehörigen, die Patienten selbst haben eigentlich "Glück im Unglück", denn abgesehen von Anfangsstadium der Demenz kriegen sie selbst nichts mit von ihrem geistigen Abbau.
Sie leben in ihrer kleinen Welt und sind (meist) relativ zufrieden mit sich un ihrer Welt.
Wenn man das einmal verstanden hat ist es, glaub ich einfacher damit umzugehen.

Wenn eine Angehörige von mir daran erkrankt wäre, fände ich es tröstlich das sie mit am wenigsten darunter leidet.

Liebe Grüsse
Zuletzt geändert von mariella am Mo Jul 15, 2013 22:17, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Umgang mit Demenz

#8
Trotzdem ist es sicher nicht einfach, tagtäglich von demenzkranken Menschen umgeben zu sein - deswegen Respekt :)

Wir geben ihr auch meist Recht, damit sie nicht wütend wird und sich aufregt. Bringt ja dann doch nichts, führt nur zu Streit.
Manchmal ist es einfach schwierig, zu verstehen, dass das alles die Krankheit ist.
Was das Ganze noch schwieriger macht ist vermutlich ihre an Alzheimer erkrankte Schwester. Denn sie selbst versteht mit ihrer Demenz die Alzheimerkrankheit nicht mehr und die beiden streiten oft stundenlang. Gut, wenigstens haben beide wen zum reden! :)

Um's kurz zu machen: wir werden weiter damit leben, auch wenn's mal schwieriger wird.

Lg und danke für deine lieben Antworten!
Love yourself first and everything else falls into line. You really have to love yourself to get anything done in this world.