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Nichte mit Bulimie lebt vorübergehend bei uns - auf was muss ich achten?

Verfasst: Do Jul 21, 2022 8:16
von lady_tornado97
Guten Morgen zusammen.
Meine Nichte ist vor etwa 2 Wochen vorübergehend zu uns gezogen, weil sie zu Hause nicht mehr leben will. Schwierige Familienverhältnisse, deshalb musste sie dort raus. Bzw sie war bis dahin zum zweiten Mal in der Kinder und Jugendpsychiatrie und ist nach der Entlassung zu uns gezogen. Sie konnte nirgends anders hin, deshalb haben wir sie aufgenommem. Sie ist 15 Jahre alt und hat sich für eine vegane Lebensweise entschieden. Wir essen eigentlich alles und es ist eine recht große Herausforderung sie in ihrer Ernährungsweise angemessen zu unterstützen. Weiß oft nicht was ich kochen soll und ich tue mich extrem schwer ihr Essverhalten so wie es ist zu akzeptieren. Sie hat weder Sättigungsgefühl noch Hungergefühl. Dazu kommt, dass sie das Asperger Syndrom hat (erst kürzlich diagnostiziert) und noch nicht klar ist, inwieweit die Essstörung damit zusammen hängt. Wahrscheinlich wird es hier niemanden geben, der in einer ähnlichen Situation ist. Trotzdem versuche ich mein Glück. Gibt es bestimmte Dinge auf die ich achten sollte? Soll sie sich regelmäßig wiegen? Ich will nicht übergriffig sein, aber auch nicht meine Pflichten der Verantwortlichkeit ihr gegenüber verletzen. Vielen Dank schon mal.

Re: Nichte mit Bulimie lebt vorübergehend bei uns - auf was muss ich achten?

Verfasst: So Okt 02, 2022 17:16
von Campanula rapunculus
Schwierige Situation, aber schaffbar.
Ein paar Gedanken, die mir dazu einfallen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Wie viel Freiheit und unterstützende Regeln es braucht, das müssen Sie als Famiie dann leider selber abwiegen.

Beziehen Sie ihre Nichte mit ein!!!! Tun Sie einerseits nicht als wäre alles ok, sehen Sie aber auch nicht dauernd die Bulimie oder die Nichte als Problem und finden Sie raus, wie Sie die gemeinsame Zeit bestmöglich gestalten wollen.

Fragen Sie sie, was sie essen möchte. Vielleicht finden Sie gemeinsam Rezepte, die für die ganze Familie interessant sein könnten oder können ihre üblichen Gerichte leicht abwandeln (Öl statt Butter..), nicht alles zusammenmischen so dass jeder extra nehmen kann. Klassisches Beispiel: Familie isst Fleisch mit Soße, dazu Reis, Petersilerdäpfel und Salat: als Fleischersatz könnte man einen Tofu anbraten, Pertersilerdäpfel mit Öl statt Butter machen, Reis und Salat sind sowieso vegan.
Wichtig ist schon, dass die Gerichte alle Hauptnährstoffe enthalten, weil das Mangel und auch Heißhungerattacken vorbeugt.

Gibt es in ihrer Familie eine fixe Mahlzeitenstruktur? Wenn ja, ideal! Ermutigen Sie Ihre Nichte diese mitzumachen so gut es geht und seien Sie ihr nicht böse wenn es nicht immer geht. Falls nicht: vereinbaren Sie Rahmenessenszeiten für Ihre Nichte oder helfen Sie evtl den Essensplan am Vortag abzusprechen. Z.B. kann man ausmachen, ob Sie ihr das Frühstück richten oder ob sie sich selber nimmt.
Ideal wäre auch, falls Ihre Nichte während dem Klinikaufenthalt mit der Diätologin einen Plan erarbeitet hat. Fragen sie mal, ob es da einen gibt! Dann wären zumindest die Mengen für Frühstück, Zwischenmahlzeiten und Abendessen festgelegt. Auch für warme Mahlzeiten gibt es ganz einfache Richtmaße wie z.B. x handtellergroßer Eiweißanteil, x Fäuste Kohlenhydratbeilage, x Gemüse oder Salat, eine Dessertschale Nachspeise.

Überlegungen zum Wiegen: War Gewicht in der Therapie ein wichtiges Thema bei Ihrer Nichte? Besteht die Sorge, dass Sie in einen ungesunden oder gefährlichen Bereich kommt? Wenn ja würde ich empfehlen, das von einer externen Person machen zu lassen. Sie liegen richtig mit Ihrem Gespür dass sich das sonst übergriffig anfühlen kann. Sowas kann zb eine Ärztin, Therapeutin oder die Kinder- und Jugendpsychiatrie via Kontrolltermin übernehmen.


Alles leichter gesagt als getan, ich wünsche Ihnen ein liebevolles, unterstützendes Miteinander und letztendlich vielleicht sogar Freude am voneinander Lernen :)
Alles Liebe, weitere Fragen sind willkommen!