Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werden

#1
Hallo zusammen,

ich bin neu hier. Ich habe keine Essstörung, aber meine Partnerin. Ich möchte gerne ein Gefühl dafür bekommen, ob ich mich richtig verhalte denn meine Partnerin und unsere Beziehung bedeutet mir sehr viel.

Ich habe hier auch schon quergesucht und einige Beiträge zu ähnlichen Fragen Angehöriger oder Partner von von Essstörungen Betroffener gelesen und auch schon einmal ein Buch dazu gelesen (von Geneen Roth).

Ich habe schon Höhen und Tiefen mit meiner Partnerin und ihrer Essstörung durchlebt und es fällt mir nicht leicht mich dazu richtig zu disponieren. Ich habe hier viel darüber gelesen, was Betroffene sich nicht von ihrem Partner wünschen und was nicht hilfreich ist in deren Umgang damit (Besserwissen wollen/ initiativ Thematisieren/ Helfen/Heilen wollen...) etc. Es scheint ein ganz eklatantes Merkmal von Essstörungen zu sein, dass es sich um etwas handelt, was der Betroffene eigeninitiativ aus eigenem Antrieb heraus angehen muss. Erst wenn er das tut und um Hilfe/Beistand/Nähe/Unterstützung/etc. bittet, kann man das tun.

Tatsache ist aber auch, dass eine solche Essstörung für den nicht betroffenen Partner eine besondere Belastung darstellt. Während der/die Betroffene nach der Erkenntnis zur eigenen Essstörung weiß und fühlt, dass nur er/sie alleine das Problem lösen kann, wird oftmals die Dimension mit der der/die Partnerin damit in Anspruch genommen wird entweder nicht erkannt ("Ich bin das Problem, nicht du!" | "Das ist mein Thema, halte dich raus!" | "Das hat nichts mit dir zu tun!" etc.), oder versucht zu vermeiden ("Ich bin nicht gut für dich!" | "Ich bin ein kaputter Mensch! Halte dich lieber fern von mir!" | "Ich belaste nur!" | "Ich verletze dich nur!" etc.). Gleichzeitig ist der Betroffene aber auch abseits dieser Essstörung normal und hat die gleichen oder sogar größere Sehnsüchte nach Partnerschaft wie andere auch. Kommt dann eine Beziehung zu stande, so entsteht rasch ein emotionales Ungleichgewicht, welches schwierig auszubalancieren ist. Der/die Betroffene kommt nicht aus seiner Haut, der Partner passt sich an und lernt damit umzugehen, oder die Partnerschaft zerbricht.

Ich selbst habe am Anfang aus Unwissenheit und mangelnder Erfahrung mit dem Thema viele Fehler gemacht und mache vermutlich heute noch viele Fehler, bloß andere. Meine Partnerin geht verhältnismässig offensiv mit dem Thema um und hat es sehr schnell von sich aus thematisiert. Aber nie als Dialog, sondern immer rein informatorisch unter aggressivsten Reaktionen, wenn ich darauf eingegangen bin oder nachgehakt habe. ich weiß mittlerweile, dass sie offensiver und offener mit dem Thema umgeht, als sie es eigentlich aushalten und ertragen kann. Das schafft viel Verletzungspotenzial. Da bin ich in sehr viele Fettnäpfchen getreten. Kurz nachdem ich sie kennenlernte, hat sie Antidepressiva abgesetzt und dadurch sind manche Dinge wohl noch zunächst etwas verstärkt an die Oberfläche getreten. Ich weiß nun bereits von vielen Dingen, die meine Partnerin tut/nicht tut, um sich zu regulieren und den Alltag zu überleben. Das fängt natürlich an beim Essen, und betrifft dann aber auch alle anderen Lebenssbereiche, Nähe und Distanz in der Beziehung, Sexualität, gemeinsame Zeit, Freunde etc. Ich habe mittlerweile einen gewissen Umgang mit dem Thema und dessen Auswirkungen gefunden und mich stark angepasst. Scheinbar zu stark. Denn sie macht mir dies nun immer wieder zum Vorwurf. In gewisser Weise zu Recht, ich kann ja keinen Beziehungshalt geben, wenn ich mich so sehr verbiege, dass ich nicht mehr ich selbst bin, der Mann in den sie sich verliebt hat. Auf der anderen Seite versteht sie nicht, dass ihr Handeln und Empfinden aus ihrer eigenen Disposition heraus nur selten zulässt, dass ich ich selbst bleibe, weil es für sie mit Unzumutbarkeiten verbunden wäre, auf die sie in aller Regel reagiert, in dem sie die Beziehung massiv in Frage stellt oder droht sie zu beenden. Dies umschreibt im Wesentlichen meinen Hauptkonflikt. Ich mache mich erpressbar aus dem Wunsch der Beziehung und der Beziehungsnähe. Das geht aber nicht, da die meiste Zeit dafür aufgewendet werden muss, den Alltag oder sich selbst - also meine Partnerin sich selbst - zu regulieren. Dieses Ungleichgewicht kann ich recht gut wegstecken, aber ab einem gewissen Punkt kostet es mehr Kraft als ich habe. Dann geht es an meine Substanz. Dann verliere ich mich selbst und kann weder für mich selbst richtig sein und handeln, noch in unserer Beziehung normal agieren. Ich suche dann ihre Nähe und Sexualität - beides hält sie dann immer weniger aus und distanziert sich. Ein Teufelskreis.
Die Frage, die ich ans Forum stellen möchte ist, inwieweit muss ich egoistisch sein und auf mich selbst achten und wo muss ich akzeptieren, dass ein gewisses Ungleichgewicht einfach stehen bleibt. ist das überhaupt so, wie ich es empfinde, oder sehe ich das falsch? Ich liebe meine Partnerin. Sehr. Und ich möchte alles tun um unsere Beziehung aufrecht zu erhalten. Aber mit meiner Partnerin kann ich an diesem Thema, zumindest im Moment nicht arbeiten, zumindest weiß ich keinen Ansatz, da sie sofort die Beziehung in frage stellt. Dann heißt es auch sofort ich soll nicht um sie kämpfen, ich soll einfach auf ihre Selbstregulierung vertrauen, ich soll es einfach nehmen wie es ist. Das würde ich gerne tun, aber es kostet bei längeren schlechten Phasen einfach unfasssbar viel Kraft. Und in einem dunklen Eck in mir für das ich mich schäme entstehen dann so Gedanken wie, das es ungerecht ist, dass ich dieses Defizit erfahren muss und sie mir da nicht entgegenkommt, dass ich alleingelassen werde von ihr, dass ich mich zu einem gewissen Grad ungelibt von ihr fühle und erpressbar weil ich so Angst vor dem Verlust dieses von mir geliebten Menschen habe. Hinzu kommen Alltagsauswirkungen wie z.B. immer weniger Sex, mit denen ich nur schwer zurecht komme.
Ich kann das durchaus noch eine Weile aushalten und auf bessere Tage hoffen. Aber ich hoffe auch, dass ihr mir hilfreiche Worte sagen könnt. Vlt. denke ich ja in manchen Dingen ganz falsch oder ungerecht oder naiv oder was auch immer. Habt bitte keine Scheu mit mir Klartext zu reden, ich bin gerne bereit mich vom Kopf bis zu den Füßen zu hinterfragen und Dinge anzupacken. Ich will dieser wunderbaren Frau der Partner sein, den sie verdient. Ich will das Leben mit dieser Frau. Ich liebe sie. Und ich will Liebe erfahren.

Ich will um sie und um uns kämpfen dürfen und es nicht einfach aufgeben wenn die Kraft versiegt ist!


Liebe Grüße

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#2
Lieber namenloser User,

deine Schreiben hat mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Dass du deine Partnerin wirklich liebst, ließt man - besonders gegen Ende - heraus. Es ist toll, dass du bereit bist, dich und dein Verhalten zu ändern, Respekt dafür!

Zu aller erst: Weiß sie über diese Gedanken von dir bescheid? Weiß sie, wie viel dir die Beziehung bedeutet, bist du bei ihr genauso offen mit Gefühlen wie hier?
Würde sie zufällig auf diesen Post treffen, wäre sie glaube ich sehr gerührt ...

Ich will dir von meinen Erfahrungen erzählen:
In meinen Beziehungen gehe ich auch sehr offen mit dem Thema um und erzähle das bereits ganz am Anfang. Die Art und Weise wie Männer (und generell die meisten Menschen, auch Verwandte und Freunde) damit umgehen ist oft gleich: viiieeel Vorsicht, besser gar nix sagen, als das Falsche, Hilflosigkeit, Unwissenheit, ... Dabei geht es mir persönlich besser, wenn man mit viel mehr Offenheit an das Thema rangeht. Für mich ist Bulimie etwas ganz Normales. Deshalb kann ich auch normal darüber reden. Auch mit nicht-Bulimiker. (Wie das bei Anderen ist, weiß ich nicht) Deshalb macht es mich nervös, wenn Männer mit einer "Lieber nix sagen, sonst ist es etwas Falsches"-Einstellung kommen.
Einmal traf ich jemanden, der mit mir tatsächlich darüber geredet hat, als wäre es ein ganz gewöhnliches Gesprächsthema. Er fragte wie oft ich das mache, zu welchen Tages- und Uhrzeiten, was genau ich da esse, wie genau ich es wieder raushole, wie ich mich dabei fühle, wie ich mich danach fühle, was es mir gibt, ob es weh tut, usw. Er hat natürlich gefragt, ob es mich eh nicht stört, darüber zu reden. Und das hat es überhaupt nicht. Es hat gut getan, jemanden alles zu schildern ohne dass dieser einen "OMG-Blick" aufsetzt. Und nicht gleich Dinge wie "du musst aufhören", "das ist krank", "wie kann ich dir helfen" sagt. Denn dass es scheisse ist, wissen wir Bulimiker selber ;-) Das muss uns keiner sagen.
Ich persönlich will keinen Mann, um meine psychischen Probleme zu heilen. Mir ist klar, dass in einer Beziehung auch in gewisser Weise auch ein bisschen darum geht, aber in erster Linie seid ihr Männer da, damit eine gemeinsame, glückliche Zeit verbracht werden kann. Damit man jemanden zum Austausch hat, zum Zeit-Verbringen, zum gemeinsamen Sachen machen, zum Liebe machen (gaaanz wichtig :-)) etc.

Um nochmal zurückzukommen: Ich werde nie vergessen, wie ich mit diesem einen Menschen komplett offen über das Thema sprechen konnte und er eben nicht diesen "ich mach mir Sorgen"-Blick aufgesetzt hat. Es hat richtig gut getan.

Richtig helfen kannst du ihr in meinen Augen nicht. Du kannst schauen, dass ihr nie was Süßes daheim habt, oder sie nach dem Essen nie alleine lassen :-)
Aber der Rest muss von ihr kommen ... hast du denn das Gefühl, dass sie sich wirklich ändern will? Ich habe beispielsweise seit fünf Jahren Bulimie, aber den Wunsch, damit aufzuhören erst seit ein paar Monaten.

Es kommt ganz auf sie an, du kennst sie besser, aber vl kannst du ja mal versuchen, dieses Thema aus ganz anderem Winkel anzusprechen, ohne dem Sorgen-Unterton. Mich setzt es unter Druck, wenn Menschen, die ich liebe sich Sorgen machen und sich Veränderung für mich wünschen. Und Druck ist nie gut bei Blumikern.

Bestimmt hast du ihr schon mal die Frage gestellt "Wie kann ich dir helfen?". Ich hab sie schon öfter gehört und höre sie nicht gern. Weil es keine Hilfe ist, wenn ICH jemand Anderem erklären muss, was er zu tun hat. Ich persönlich finde es ist viel hilfreicher, wenn man Menschen, die Hilfe brauchen, viel konkretere Fragen stellt. Diese sind nämlich auch leichter für den Betroffenen zu beantworten.
- Willst du überhaupt, dass wir darüber reden?
- Wenn ja, wie oft?
- Darf ich das Thema - wenn ich mit dir darüber reden will - einfach ansprechen?
- Schämst du dich deshalb vor mir? (Wenn ja muss man unbedingt daran arbeiten!)
- Darf ich dich Details zu der ES fragen? (Wenn ja, dann unbedingt alles erfragen, was dich interessiert! Wenn du siehst, ihr fällt das leicht und es stört sie nicht, dann frag sie alles genau aus! Je mehr du darüber weißt, desto besser kannst du damit umgehen!)
- Was für Gefühle erlebst du, wenn du kotzt? Und davor? Und danach?
usw.

Ich hoffe, ich konnte dich ein wenig inspirieren. Und ich will nochmal betonen, dass das "nur" meine eigenen Meinungen sind :-)

LG Kathi

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#3
Hallo liebe Kathi,

vielen Dank für deine Antwort, ich merke wie gut es mir tut diesen Austausch gesucht zu haben. Ich möchte versuchen auf deine Fragen und Anregungen einzugehen.
Weiß sie über diese Gedanken von dir bescheid? Weiß sie, wie viel dir die Beziehung bedeutet, bist du bei ihr genauso offen mit Gefühlen wie hier?
Sie weiß einiges davon, ja. Vieles habe ich versucht zu thematisieren, auch wiederholt, aber es kamen stets Abwehrreaktionen. Ich solle einfach zufrieden sein, wenn sie etwas mit mir teile und nicht nachforschen oder fragen. Was ich für sie empfinde weiß sie, denn ich sage es ihr jeden Tag immer wieder. Aber auch das mache ich glaube ich nicht richtig. Wenn sie sich vor den Spiegel stellt und sagt sie sei zu dick, dann gehe ich hin, umarme sie und sage ihr, dass sie wunderschön ist - denn genau so empfinde ich es. Ihre Reaktion reicht von an schlechten Tagen mich auslachen oder verspotten dass ich ja keine Ahnung habe, über an normalen Tagen schlichtes Nein sagen und bekräftigend wiederholen bis hin zu an sehr guten Tagen, dass sie mir dankt und sagt, sie könne es aber innerlich nicht annehmen.
Erst vor einigen Tagen hatte ich ein Streitgespräch mit ihr, weil sie sich vor den Spiegel stellte und sich wiederholt als fette Sau beschimpfte. Ich habe ihr dann gesagt, dass sie so nicht über sich sprechen solle, dass das nicht stimme und dass sie nicht nur sich selbst damit verletze, sondern auch mich, weil sie mittlerweile so tief in meinem Herzen verankert ist, dass ich viele ihrer Schmerzen mitfühle, ob ich das will oder nicht.
Ich denke das ist ein kritischer Punkt bei mir, ich liebe sie absolut bedingungslos und leidenschaftlich, und ich glaube das ruft in ihr Verletzungsängste hervor weil sie mich ja auch liebt. Sie distanziert sich von meiner leidenschaftlichen Sexualitätsempfindung ihr gegenüber glaube ich zum Teil deswegen, weil sie meine Liebe für ihren Körper spürt, sie ihren Körper aber hasst und dann nichts davon wissen will. Daher wird unser Sex immer weniger. Andererseits möchte sie dann glaube ich auch Distanz erzwingen, damit sie weniger Gefahr läuft mich zu verletzen. Das wiederum schlägt genau in die Kerbe meines nach Nähe und Sexualität hungernden Herzens...
Einmal traf ich jemanden, der mit mir tatsächlich darüber geredet hat, als wäre es ein ganz gewöhnliches Gesprächsthema.
Ich würde auch unglaublich gerne ganz locker mit ihr über ihre Essstörung reden, ich habe das am Anfang versucht, aber das ist absolut nicht möglich. Sie hat es das ein oder andere Mal versucht darauf einzugehen, aber nach spätestens 2-3 Sätzen ist Aggression mir gegenüber da und dass fällt sie in einen Hassmodus rein, aus dem sie dann Stunden, ja teilweise Tage braucht um sich wieder herauszuholen.
Um nochmal zurückzukommen: Ich werde nie vergessen, wie ich mit diesem einen Menschen komplett offen über das Thema sprechen konnte und er eben nicht diesen "ich mach mir Sorgen"-Blick aufgesetzt hat. Es hat richtig gut getan.
Ich glaube das ist ein wirklich hilfreicher Hinweis für mich. Ich glaube ich habe mich, auch bedingt durch ihre starken Reaktionen ein wenig in diese Richtung entwickelt, wobei es mal die Sorge um Ihren Zustand, dann wieder die Sorge um unsere Beziehung oder auch, ganz egoistisch, um mich sein kann. Sie sagt mir auch immer wieder, dass ich den Fokus von ihr wegnehmen muss und mehr für mich sein soll. Ich denke da habe ich selbst eine Baustelle in mir, da ich bei ihr dieses Bedürfnis nach Nähe stärker empfinde als jemals zuvor in meinem Leben in einer Beziehung. Sie ist die Eine, die fürs Leben, die ich will und bei der ich große Verlustängste entwickelt habe durch dieses Thema. Das ist wirklich ein Punkt den ich anpacken muss, aber es fällt mir so unfassbar schwer, denn alles in mir schreit nach ihr, nach Nähe, nach Harmonie und Geborgenheit in ihrer Liebe. Aber ich fürchte dass ist für sie im Moment einfach erdrückend, zu viel, zu nah.

Vielen Dank für deine Zeilen, das hilft mir es wieder ein wenig besser zu verstehen und neue Blickwinkel anzusetzen. Danke!

Liebe Grüße

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#4
Lieber Unbekannter,

auf ein Neues sehe ich, wie viel sie dir bedeutet. Hast du schon mit anderen Leuten in eurem Umfeld darüber geredet? Deinen Eltern? Vor allem ihren Eltern? Die eigenen Eltern können einem Menschen oft am besten zeigen, wenn er etwas falsch macht, vielleicht macht es Sinn, wenn diese mit ihr reden.
Denn so wie du eure Situation schilderst, scheint sie tatsächlich nicht zu sehen, dass sie dich damit sehr verletzt.

Ich kann voll und ganz verstehen, dass sie deine Aussagen über ihren Körper nicht annehmen kann. Ich nehme es auch nicht ernst, wenn jemand zu mir sagt, ich sei nicht dick. ICH finde, ich bin dick, NIEMAND, aber wirklich NIEMAND könnte mich vom Gegenteil überzeugen, denn ich sehe mich ja im Spiegel und kann es beurteilen. So ist das bei "uns". Also jedes "du bist nicht dick", "du bist wunderschön" ist überflüssig ...

Hast du dich damals in diesen Menschen verliebt? Der sich mit diesen Gedanken quält, dich damit belastet, usw.? Oder war sie damals anders? Oder hat dir eine andere Seite von sich gezeigt? Vielleicht könntest du ihr erklären, dass du wieder diesen Menschen haben willst, der so wie damals war (wenn es denn damals besser war natürlich). Denn das ist die Frau in die du dich verliebt hättest ...

Hast du schon mal überlegt, mit einem Therapeuten darüber zu sprechen? Wenn ich mit jemanden "Differenzen" habe, legt mir meine Therapeutin wirklich gute Phrasen und Fragen in den Mund, die ich dem Gegenüber stellen kann, mit denen wir auch zu einer Lösung kommen. Sie weiß genau, was ich sagen/fragen muss, um richtig auf meinen Diskussionspartner einzugehen ...

Und gaaaanz eventuell könntest du deine Freundin überreden, das nächste Mal mitzukommen. Mit der Argumentation, du leidest gerade sehr, aber dir ist die Beziehung so unendlich wichtig, dass du daran arbeiten möchtest. Du würdest auch an dir selber arbeiten, aber es wäre dir wichtig, dass ihr gemeinsam zu einem Therapeuten geht. Ein, zwei mal können schon reichen, um ihre Sichtweise auf eure Beziehung und ihre Aussagen ein wenig umzulenken ...

LG Kathi

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#5
Hallo liebe Kathi,

mit ihren Eltern darüber zu reden ist, zumindest im Moment nicht möglich. Ihre Eltern sind, soweit ich das von ihr erfahren und mir den Rest zusammengereimt habe, zumindest Teil des - wenn nicht sogar DER Auslöseer für ihre Essstörung. Sollte ich mit ihren Eltern darüber reden, so würde sie das mit Sicherheit erfahren, und wenn sie es erfahren würde, dann würde sie dies als maximal möglichen Verrrat empfinden. Das ist also ein absolutes Tabu! Diesen Weg könnte ich nur mit ihr gemeinsam einschlagen und das wird nicht in den nächsten Jahren sein, denn im Moment ist sie eher am sich noch weiter distanzieren von den Eltern, als sich Annähern.

Ja, dieses Körpergefühl bei dem nur die eigene Sichtweise akzeptiert wird ist wohl ein Kernthema. Ich beginne das zu verstehen. Erst dieses Wochenende hat sie mir sinngemäß gesagt, dass sie da einfach meine Loyalität spüren möchte. Klar ich kann sagen - pass auf, du empfindest dein Gewicht so, aber neutral ist es so und so, oder ich sehe es so oder so - aber das ist kontraproduktiv und hilft nicht. Sie möchte, dass ich ihren Gefühlen folge und ihr Halt gebe und keinen Angriff von außen darstelle.

Am Wochenende hatten wir wieder eine Situation, die eskaliert ist. Es ist so, dass sie mir ja oft ihre negativen Empfindungen über sich selbst mitteilt. Ich habe mich unvorsichtigerweise dann in ein Gespräch zwingen lassen, weil ich wieder den obigen Fehler gemacht habe und ihr gesagt habe, dass ich ihr Gewicht das anders sehe als sie, da war ihre Stimmung dann restlos gekippt. In diesem Zustand wird sie sehr persönlich verletzend und macht alles nieder was man sagt, alles wird verdreht und immer weiter in einer Negativspirale gedreht bis die Talsohle erreicht ist - und die ist dann meist die Aussage, dass eine Trennung her muss, weil das ja alles nicht passt. Ihr aber in einer solchen Situation nicht ins Gespräch zu folgen hat meist einen sofortigen "Trotzsprung" zu dieser Talsohle zur Folge, da heisst es dann sofort, die Trennung muss her. Ich folge ihr daher fast immer in diese Gespräche, trotz des Risikos und versuche ihr einen Gesprächs-Ausweg aus dem Negativkarussel aufzuzeigen. Und es ist mir dann auch mit ihrer Mithilfe gelungen. Nach wildem Austeilen kam der innerliche Zusammenbruch. Sie war verzweifelt und sagt mir nur, dass ich einfach nicht verstehe, wie das mit der Essstörung und ihrer Depression funktioniere, dass wir einfach inkompatibel seien. Ich habe ihr dann erklärt, dass ich nicht gewillt bin, ihr menschlich in Kategorien von Essstörung und Depression zu begegnen, dass ich sie immer als den Menschen sehen werde, den ich liebe und nicht als Essgestörten Mensch, dem ich in Fressanfall 4 mit in der Literatur empfohlenen Methode 5 begegne. Und das war der Türöffner, der es ihr ermöglicht hat aus der Abwärtsspirale auszubrechen, der es ihr wieder ermöglicht hat, sich von mir in den Arm nehmen zu lassen und sich an mich zu lehnen, innerlich wie äußerlich.

Was für ein wunderbares Ereignis!!! Es gibt nur wenige Dinge auf der Welt, die mich glücklicher machen können, als das gesehen zu haben! Das zeigt mir, dass es sich als Partner lohnt, diesen Weg zu gehen, einzustecken, auszuhalten, darauf zu vertrauen, dass der geliebte Mensch da eben drin steckt in dem Zornanfall, nur eben verschüttet von Angst und Schmerz und der genauso von der einen Seite versucht deie Mauer wegzuarbeiten, wie man es von der anderen Seite versucht. Trotz der vielen Tränen und harten Worte war dies für mich ein wundervoller Tag in unserer Beziehung, der mir sehr viel gegeben hat. Sie ist so ein wundervoller Mensch, welche Leistung muss das für Sie bedeutet haben und welche Liebe muss sie antreiben, sich in dieser Situation mir gegenüber so zu öffnen, wenn es doch schon für mich schon so schwer war das auszuhalten, was mir da alles entgegenkam.

Ich lernte sie erst kennen, als sie diese Probleme schon einige Jahre mit sich herumtrug. Sie hatte sich in dieser Welt eingerichtet, in dieser Welt aus Schmerz und Enttäuschungen durch andere Menschen. Manchmal habe ich das Gefühl in bestimmten Situationen wählt sie freiwillig diese Welt, wenn die Gefahr zu groß wird. Diese Schmerzen hat sie schon so oft durchlebt, von allen Seiten,gedreht und gewendet, dass er berechenbar geworden ist. Sie weiß, wie lange und wie heftig jeder Schmerz ist, der in ihrer Welt stattfindet und sie hat sich regulieren gelernt und wählt dann eben oft den Rückzug in den bekannten Schmerz, als neue potenziell größere Schmerzen zu riskieren. Doch trotz allem ist sie eben auch der Mensch der genau dieses Risiko eingeht. Mir zuliebe. Für mich. Das muss ich mir ganz klar vor Augen halten. Es müssen unglaubliche Anstrengungen dahinter stecken, die ich vermutlich nie ganz verstehen werde.

Ich glaube das ist etwas, was mir jetzt klar geworden ist. Von diesem Menschen kann ich unglaublich vieles lernen, von Ihrer Stärke, Ihrer Geduld, Ihrer unglaublichen Ausdauer. Und ich kann mich geehrt fühlen, dass sie ausgerechnet mich wert erachtet, diese Risiken der Verletzung und des Schmerzes auf sich zu nehmen, nur um mir zu begegnen.

Was für ein wundervoller Mensch!!!

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#6
Hallo,

ich freue mich für dich, dass ihr so ein Ereignis erlebt habt! Ich hoffe, ihr könnt daran anknüpfen und gemeinsam nach vorne schauen!

Ich hoffe aber auch, dass dir diese Beziehung nicht mehr Energie raubt als Liebe schenkt. Ich will nicht pessimistisch klingen, aber kontrollier das ab und zu in deinem Hinterkopf ... so lange das nicht so ist, wünsche ich euch alles Gute und vor allem dass sie die ES in den Griff bekommt!

Hast du ihr mal vorgeschlagen, sich hier zu registrieren? Vielleicht hilft es ihr mit Gleichgesinnten zu reden ..

LG Kathi

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#7
Hallo liebe Kathi,

ich habe schon das Gefühl, dass dieses Ereignis auch mit ihr etwas gemacht hat. Es hat etwas angestoßen. Sie ist schon die ganze Woche sehr liebevoll, auch wenn es sie extrem viel Mühe kostet, das sehe ich ihr an. Sie hat mit mir über ein sehr intimes Thema gesprochen (Essen in den Mund und wieder ausspucken...) und ist dabei immer wieder von Tränen übermannt worden. Aber sie spricht mit mir darüber!!! Das ist doch alles was ich wollte! Ich will sie ja nicht heilen oder Tipps geben, ich will einfach nur Teil ihres Lebens sein und zwar nicht nur an guten Tagen und bei fröhlichen Themen. Das schafft bei mir Beziehungsvertrauen und das ist es was ich so sehr gesucht habe in den letzten Wochen. Ich hatte immer das Gefühl, ich darf das nicht wissen, alles ist ein großes Geheimnis, sie versteckt sich und schämt sich und spricht nicht darüber mit mir. Ich denke also dass das wirklich gerade einen großer Schritt vorwärts in unserer Beziehung war.

Ja, ich gebe dir Recht, ich muss schon sehr auf meine Kräfte und meinen Ausgleich achten. Was mich sehr belastet ist, dass durch die ganze Situation und die Depression insgesamt sehr wenig "quality time" für unsere Beziehung übrig bleibt - und damit für mich. Ich brauche das sehr, ich brauche die Zuwendung meiner Partnerin, Berührung, Kuscheln, Sexualität. All das kommt gerade sehr zu kurz. Wir unternehmen extrem wenig, weil sie unter der Woche abends platt ist, weil der Tag sie so anstrengt. Da ist dann der Ablauf - Heimkommen, ein wenig aufräumen/putzen, etwas essen und dann entweder gleich ins Bett oder manchmal noch eine Stunde oder so auf die Couch irgendwas am Rechner machen oder so und dann ins Bett. Im Bett hat sie dann zwar noch 15min. bis ne halbe Stunde Zeit für WhatsApp & Co. am Handy, aber wenn sie es dann aus der Hand legt, dann ist sie meist nicht mehr wirklich ansprechbar und schläft immer extrem schnell ein (2-5Min. max.). Tja und ich lieg dann da neben ihr, alleine mit meiner Sehnsucht nach der Frau, die direkt neben mir liegt. An den WE ist es so, dass jedes 2. WE meine Kids da sind, das kostet sie dann alle Kraft, das auszuhalten und obgleich sie wirklich wundervoll zu den Kindern ist, bin ich immer hin und hergerissen, zwischen dem genießen dieser Familiensituation und dem ständigen nach ihr schauen, weil sie gerade wieder am emotional und kräftemäßigen Wegbrechen ist. Das ist immer schlimm, das hin- und hergerissen sein zwischen dem Bedürfnis für meine Kids da zu sein und dem Bedürfnis für meine Partnerin da zu sein. Die anderen WE sehen dann so aus, dass meistens irgendetwas mit ihrem Freundeskreis geplant ist. Aus meinem Verwandten und Bekanntenkreis kennt sie bislang nur meine Mutter von einem Besuch und meine Kids, den Rest der Familie und Freunde versuche ich ihr immer mal wieder vorzuschlagen kennen zu lernen, aber da gibt sie mir immer zu verstehen, dass sie das noch nicht kann/will.

Sie sagt zu dieser Gesamtsituation immer, es wird schon mal wieder andere - bessere Zeiten geben, aber ich persönlich bin mir da nicht sicher. Ich glaube ich muss jetzt in der aktuellen Situation einen Umgang damit finden, denn sonst hoffe ich immer nur auf eine Zeit die vieleicht nie kommt und das würde mich glaube ich kaputt machen. Nur wenn ich einen Weg finde, die jetzige Situation ganz zu akzeptieren und meinen Frieden damit zu machen, ohne die Liebe zu ihr zu verlieren, nur dann hat diese Beziehung eine Zukunft. Deswegen suche ich mir meine Momente, wie der, von dem ich berichtet habe, die mir Kraft geben. Das kann auch mal ein Kuss zwischen Tür und Angel sein, bei dem ich merke es ist mehr als ein auf die Backe geklatschtes Bussi, eine Umarmung, die zu einem Festhalten wird, ein Gespräch in dem wir uns wirklich begegnen. Sicherlich werde ich was das Körperliche angeht in dieser Beziehung niemals wirklich das bekommen, was ich mir wünsche. Ich bin sehr körperlich in Beziehungen, ich brauche das. Ich brauche Berührung, Küsse und ich brauche Sex. Vermutlich mehr als andere. Sie bräuchte im Moment eigentlich gar keinen Sex. Sie überwindet sich dann aber doch immer wieder mal. Mir zuliebe. Und das macht mich fertig. Ich will keine Almosen im Bett, ich will eine Partnerin die wenn sie mit mir Sex hat sich in dem Moment halt genau das wünscht. Das passiert aber eigentlich so gut wie gar nicht mehr. Ich habe dann immer das Gefühl, ich tue ihr Gewalt an und zwinge sie zu etwas. Wie schön der Sex unter solchen Umständen ist... frag nicht... Das war alles mal da in den ersten Monaten der Beziehung, da war der Sex phantastisch und häufig und abwechslungsreich. Jetzt ist das vorbei und ich denke das kommt bei ihr auch nicht wieder. Dazu sind wohl die Depressionen und die Essstörung und die Begleiterscheinungen all dessen einfach ein zu großer Lustkiller. In Hinsicht des Körperlichen werde ich mir also ganz darüber klar werden müssen, dass es immer ein Defizit geben wird, dass sie niemals wird auffüllen können und wollen.

Aber wenn sie sich dafür auf der menschlichen Seite weiter so öffnet wie es im Moment der Fall ist und es so schöne Entwicklungen geschehen, dann ist das wohl ein Preis den ich bereit bin zu zahlen, denn ich bekomme dafür den Menschen den ich liebe.

Jedenfalls danke ich dir für deinen Rat und deine Wünsche! Es tut sehr gut immer wieder mal eine andere Perspektive einzunehmen und die eigene Sicht zu hinterfragen und auch zu korrigieren.

Auf dieses Forum hier bin ich übrigens auch über sie gestossen. Sie hat mir hier einen Beitrag gezeigt zum Thema Essen in den Mund und wieder Ausspucken. Ich weiß es nicht, aber es ist gut möglich, dass sie bereits hier angemeldet ist...

Ich wünsche dir einen schönen Tag!

Liebe Grüße
Zuletzt geändert von User4711 am Fr Okt 16, 2015 9:44, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#8
Deine Partnerin braucht Hilfe, und das ganz ganz schnell und sehr sehr dringend!
Sie macht sich noch weiter und dich auch gleich mit kaputt. Du schreibst es selber, du stellst sie mit deinen Kindern auf eine Stufe, was das "drum kümmern" angeht. Das kann nicht sein.
Sie ist eine erwachsene Frau, die für sich selbst verantwortlich ist und nicht dir ihr Wohl und Wehe aufbürden kann.
Es liest sich so, als habe sie sich mit ihrem essgestörten Leben ganz gut arrangiert und solange du das mitträgst, ist alles gut. Wenn du "ins Wespennest stichst", reagiert sie aggressiv, beleidigt, droht mit Trennung. Das ist emotionale Erpressung!! Warum lässt du das mit dir machen? Eigentlich eine rhetorische Frage, denn du schreibst es ja in deinem Eingangspost: in dem Punkt bist du aufgrund der großen Liebe zu ihr erpressbar. Aber sie verhält sich schäbig.
Eure Beziehung besteht ja scheinbar zu 80 (?) Prozent nur aus "Therapie"arbeit, also aus dem Umgehen mit ihrer Depression und ihrer Essstörung und sonstigen Problemen. Was ist denn das für eine Beziehung? Wo bleibst du da mit deinen Bedürfnissen?
Ihre Aufgabe wäre es, soweit an ihren Problemen zu arbeiten (gerne mit deiner Unterstützung), dass sie ein beziehungsfähiges Leben führen kann und nicht permanent belastet ist (und damit auch du ständig belastet bist). Aber im Moment gibst du ihr nicht viel Anlass, sich helfen zu lassen oder etwas zu ändern.
Du trägst ja wirklich alles mit. Immer wieder hast du ihr gezeigt, dass du bei ihr bleibst und gewillt bist, ihre Launen, ihre Passivität, ihre Abweisungen etc. mitzumachen. Warum sollte sie da was verändern wollen?
Vielleicht solltest du mal richtig konsequent klare Kante zeigen. Wie wäre das?

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#9
Hallo liebe Christie,

vielen Dank für deinen Beitrag. Ich habe ein paar Tage gebraucht um ihn für mich richtig zu sortieren, denn es ist im ersten Moment sehr verlockend deiner emotionalen Bestätigung für all die "Defizitgefühle" in mir zu folgen. Aber ich glaube es ist nicht ganz so einfach. Ich möchte versuchen darauf näher einzugehen.
Deine Partnerin braucht Hilfe, und das ganz ganz schnell und sehr sehr dringend!
Sie macht sich noch weiter und dich auch gleich mit kaputt.
Ich denke, dass sie Hilfe braucht ist ihr klar, genauso wie jeder anderen Person, die sich als an einer Essstörung leidend bezeichnet. Sie war ja auch schon einmal aus eigenem Antrieb in stationärer Behandlung. Sie ist sich also darüber im Klaren, dass sie ein Problem hat und dass sie bei dessen Lösung Hilfe benötigt. Es ist aber auch so, dass eine Essstörung keine Grippe ist, bei der man einmal das richtige Medikament anwendet und dann ist man geheilt. Es gibt gute und schlechte Phasen, ganz unabhängig von dem Grad der empfangenen Unterstützung oder auch professionellen Hilfe. Manche können die Essstörung gänzlich hinter sich lassen. Andere wiederum kämpfen damit ein Leben lang obwohl sie viel in die Lösungssuche investieren.
Essstörungen sind immer mit starken destruktiven Kräften und Tendenzen verbunden, sowohl sich selbst, als auch anderen gegenüber. Wenn man als Partner oder Angehöriger nicht gewillt ist, dass richtig einzuordnen, ja zu akzeptieren, dass man immer wieder Verletzungen und Zurückweisungen erfahren wird, die aber eben aus dem Krankheitsbild und NICHT aus der Persönlichkeit der betroffenen Person erwachsen, so muss man sich distanzieren und eingestehen, dass man nicht in der Lage ist, so einem Menschen adäquat zu begegnen. Ich meine, dass ich sehr wohl bei meiner Partnerin unterscheiden kann, wann eine destruktive Handlung aus dem Krankheitsbild heraus geschieht, und wann es einfach aus der Person kommt. Beidem muss ich unterschiedlich begegnen, will ich ihr gerecht werden. Das muss ich natürlich nicht tun, aber ich will es, denn ich liebe sie. Ich sagte ihr in einem Gespräch nach einem Streit, dass ich ihr nicht begegnen möchte, wie ein Therapeut, der mit Methode B nach Handlung A auf sie eingeht, sondern immer als Mensch. Ist es eine kritische Situation, in der sie aus der Essstörung heraus mich beispielsweise angreift, dann sage ich ihr, dass ich sie liebe und zu ihr stehe, weil ich in solchen Momenten neben dem Schmerz der Verletzung nichts anderes als das für sie empfinde. Kommt eine Verletzung aus der Person heraus, dann grenze ich mich ab und sage ihr, dass ich das nicht ok etc. finde, denn dann kann ich ihr zumuten, dass sie sich die Kritik anhört und sich und ihr Verhalten reflektieren muss. Klar gelingt das nicht immer und oft sind die Grenzen fließend und ich ja auch nur ein fehlerbehafteter Mensch, aber das ist meine Grundhaltung ihr gegenüber von der ich überzeugt bin, dass es die richtige ist.
Sie ist eine erwachsene Frau, die für sich selbst verantwortlich ist und nicht dir ihr Wohl und Wehe aufbürden kann.
Ja. Und Nein. Natürlich ist sie erwachsen und für sich selbst verantwortlich. Aber gleichzeitig kann man ja nicht ausblenden, dass wir auch soziale Wesen sind und Teil einer Gemeinschaft (der Menschen in unserem Leben um uns herum) von der man sich nicht mit seinen Problemen abgrenzen kann. Wesder im Negativen, noch im Positiven. Und es kann auch nicht Ziel eine Gemeinschaft sein, Probleme zur individuellen "Privatsache" zu machen und die positiven Dinge zum "Allgemeingut". Das ist leider ein etwas komisches Gesellschaftsbild das heute zu Tage gefördert und proklamiert wird. Wir sind alle jung und schön und ohne Probleme und alles was hässlich, krank oder negativ ist, wird gesellschaftlich negiert.
Meine Meinung ist, dass man bis zu eineem gewissen Grade durchaus von der Gemeinschaft fordern darf, dass sie sich mit der individuellen Problematik auseinandersetzt. Auch wenn das zusätzliche Belastungen über die "Norm" heraus erfordert und einfordert. Das richtige Maß zu finden, ist dann aufgabe des Einzelnen, wie der Gemeinschaft. Für mich im konkreten Fall heißt das, dass meine Partnerin durchaus einen Anspruch an mich haben darf, dass ich mich über das gewöhnliche "Normalmaß" einer Beziehung hinaus mit ihrer Thematik auseinandersetze. Die Suche nach der individuellen Balance kann dauern, das ist mir klar und es wird immer wieder Phasen geben, in denen ich darunter leide. Aber, und dasss darf ich nicht vergessen, Sie leidet auch, permanent, ohne unterlass und dennoch kämpft sie jeden Tag mit sich und mir, um Beziehung zu ermöglichen.
Es liest sich so, als habe sie sich mit ihrem essgestörten Leben ganz gut arrangiert und solange du das mitträgst, ist alles gut. Wenn du "ins Wespennest stichst", reagiert sie aggressiv, beleidigt, droht mit Trennung. Das ist emotionale Erpressung!! Warum lässt du das mit dir machen? Eigentlich eine rhetorische Frage, denn du schreibst es ja in deinem Eingangspost: in dem Punkt bist du aufgrund der großen Liebe zu ihr erpressbar. Aber sie verhält sich schäbig.
Ich glaube du meinst das Richtige, aber drückst es für mich persönlich gesagt, falsch aus. Niemand mit einer Essstörung arrangiert sich mit dieser. Genausowenig wie ein Alkoholiker mit dem Alkoholismus, ein Borderliner mit dem Borderline-Syndrom, oder ein Beinamputierter mit sseinem fehlenden Bein. Sie finden einen Umgang damit. Dieser Umgang mit der Essstörung gestaltet sich bei meiner Partnerin so, dass sie über die Jahre Strategien entwickeln musste, diese permanente psychische und körperliche Belastung zu regulieren um nicht permanent in den Abgrund von bsp.weise Selbstmordgedanken zu blicken. Diese Strategien mögen für einen Außenstehenden im ersten Augenblick selbstbezogen und egoistisch erscheinen - und"objektiv" betrachtet sind sie das auch - aber es sind Überlebensstrategien, keine Selbstverwirklichung eines egoistischen Prinzips oder Charakters! Ich versuche mir in schwierigen Situationen immer wieder die Person vor Augen zu führen, die darunter verschüttet ist und von der anderen Seite der Mauer genauso versucht Steine abzutragen, wie ich von dieser. Man darf von jemandem mit einem Problem wie einer Essstörung nicht erwarten, dass er die gleichen körperlichen und psychischen Kräfte in Lösungen investieren kann, wie wir als "gesunde" dies können. Für uns sieht die Lösung immer einfach aus. Der Alkoholiker soll aufhören zu trinken - Problem gelöst, der Essgestörte soll normal essen - Problem gelöst. Vlt. kann man das noch am ehesten vergleichen mit dem Gefühl, dass man vlt. im eigenen Leben haben mag mit etwas, was man schon immer machen wollte, schon immer - und einfach nie geschafft hat, warum auch immer (z.B. Kontakt zu einem Familienmitglied aufnehmen, welches im Streit von uns gegangen ist). Nur dass bei der Essstörung noch unfassbare psychische und körperliche Leiden hinzukommen.
Natürlich bin ich erpressbar und ich werde immer am kürzeren Hebel sitzen, was die "Gleichverteilung" in der Beziehung angeht. Doch gleichzeitig sitze ich auch immer am längeren Hebel, was die mir zu verfügung stehenden Kräfte angeht, die ich in Beziehungsarbeit investieren kann - und daraus erfolgt auch eine größere Beziehungsverantwortung für mich! Bin ich nicht gewillt das zu leisten, so muss ich das beenden, ja, weil es immer "ungerecht" sein wird. Aber ich will das, denn sie ist die eine. Die Frau meines Lebens. Und ich übernehme dieses "Mehr" an Beziehungsverantwortung gerne, wenn ich dafür ihre Liebe erfahren darf und sie als Partnerin an meiner Seite habe.
Ihr Verhalten ist nicht schäbig. Nein. Es ist hilflos! Sie kann nicht anders! Und sie weiß das und es tut ihr unendlich leid und weh und sie weiß genau, was ie mir immer wieder zummutet. Aber sie weiß auch, dass sie sich nicht von heute auf morgen ändern kann. Sie bietet mir aber an, dass sie ees versucht, immer und immer wieder, und das bedeutet für sie unglaubliche Anstrengung und Mühe und Schmerz. Man könnte es also auch genau anders herum sehen. Ihr Verhalten ist nicht schäbig, sondern mutig, riskant und zeigt einen unglaublichen Willen für unsere Beziehung.
Eure Beziehung besteht ja scheinbar zu 80 (?) Prozent nur aus "Therapie"arbeit, also aus dem Umgehen mit ihrer Depression und ihrer Essstörung und sonstigen Problemen. Was ist denn das für eine Beziehung? Wo bleibst du da mit deinen Bedürfnissen?
Ja, dass ist eine Thematik, die ich ganz für mich persönlich entscheiden muss. Kann ich das? Schaffe ich das? Habe ich die Kraft dazu? ...ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Aber was ich weiß ist, dass ich es versuchen MUSS, weil sie es wert ist!!! Alles!!!
Ihre Aufgabe wäre es, soweit an ihren Problemen zu arbeiten (gerne mit deiner Unterstützung), dass sie ein beziehungsfähiges Leben führen kann und nicht permanent belastet ist (und damit auch du ständig belastet bist). Aber im Moment gibst du ihr nicht viel Anlass, sich helfen zu lassen oder etwas zu ändern.
Du trägst ja wirklich alles mit. Immer wieder hast du ihr gezeigt, dass du bei ihr bleibst und gewillt bist, ihre Launen, ihre Passivität, ihre Abweisungen etc. mitzumachen. Warum sollte sie da was verändern wollen?
Diese Aufgabe, das vergewissere ich dir ist ihr nicht nur bewwusst - es ist ihr Lebenstraum!!!
Und ja, möglicherweise verhalte ich mich nicht richtig, das mögen andere für sich beurteilen. Ich verhalte mich so, weil ich ihr Vertrauen gewinnen möchte. Denn ich möchte dass sie genau das erfährt. Vertrauen. Vertrauen in sich selbst, in Ihren Charakter, in Ihren Körper. In unsere Beziehung, in meinen Willen all dies mit Ihr zu tragen weil ich Sie als Menschen so sehr schätze. Ich möchte Ihren verletzten Wesenskern so mit Wertschätzung, Liebe und Zuwendung überschütten, dass dieser sich soweit stärken und erholen kann, dass er sich wieder heraustraut aus seinem Schutzpanzer des Selbsthasses und der Selbstzerstörung, den immerwährenden Kreisläufen aus Schmerz und Enttäuschung. Ich sehe hinter dem "Alltagsmenschen" der immer wieder an der Essstörung scheitert, der destruktiv und verletzend sein kann, eben immer die Person, die es sie wieder versuchen lässt, die wieder aufsteht und mir wieder mit Liebe begegnet.

Von dieser Person kann ich unfassbar viel lernen.

Glaube mir, ich habe sehr oft diese Gerühle, wie du sie in deinem Posting geschrieben hast. Und nicht immer gelingt es mir diese wieder niederzuringen. Aber das ist die Lösung. Ich muss den Menschen sehen, der sie ist. Nicht den, der sie nicht ist und sie immer wieder quält. Ich glaube wenn mir das gelingt, wenn es mir gelingt immer den Menschen "dahinter" zu sehen, dann werden wir eines Tages unsere Beziehung und unsere Liebe zueinander auf ein Niveau erheben können, das andere nie erreichen.

Ist dass nicht die schönste Aufgabe, die man sich im leben stellen kann!?

Bitte verstehe mich nicht falsch, ich danke dir für dein Mitgefühl und deine Empathie, das hat mich sehr getröstet und mir wiedereinmal die Kraft gegeben auf alles mit mehr Zuversicht und Verständnis blicken zu können. Das war wichtig für mich!

Danke dir!

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#10
Ich glaube, du redest dir ganz ganz ganz viel schön und verkennst vieles.
Und ja, es gibt einige Bulimikerinnen/Anorektikerinnen, die sich mit ihrer Essstörung arrangieren.
Die auch Profis darin sind, ihrer Umgebung etwas vorzumachen. Das können Bulimikerinnen generell ja eh gut.
Und dann ist es natürlich nur praktisch, wenn der Partner sagt "sie kann ja nicht anders".

(Ich will das hier jetzt nicht pauschal allen ESlern unterstellen, nicht, dass jetzt hier gleich ein Shitstorm kommt, aber solche Verhaltensmuster sind nunmal nicht unüblich bei derartigen Erkrankungen)

Du musst letztendlich für dich selbst sorgen, ob du "in dein Verderben" rennst oder doch das richtige tust - who knows.
Ich hab meinen Senf dazu abgegeben, bin raus und wünsch dir viel Glück.

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#11
Hallo Christie,

ich habe das Gefühl von dir missverstanden zu werden. Aber ich kann dir gar nicht konkret sagen warum. Grund ist, dass du ja konkret gar nichts sagst, außer Allgemeinschauplätze mit einem Pauschalurteil ohne Inhalt zu versehen.

Was also ist es, das ich mir schönrede? Was verkenne ich? Wie kommst du zu diesem Urteil? Vlt. kann ich ja aus deiner Begründung wirklich etwas lernen!!!

Es ist immer einfach zu sagen etwas sei falsch. Aber zu begründen warum ist nicht mehr so einfach. Ich habe mir deine Worte in deinem ersten Posting sehr genau angeschaut, habe sie sacken lassen und mich dann aufrichtig dazu positioniert in der Hoffnung da in ein konstruktives Gespräch zu kommen. Ich möchte ja dazu lernen und die Dinge besser verstehen.

Ich habe das Gefühl, dass du eine sehr belastete Einstellung gegenüber Personen mit Essstörung hast. Es klingt so, als wäre da wenig Raum für positive Gedanken und Gefühle so jemandem gegenüber in dir. Ich habe versucht dir zu erklären, warum ich genau das Gegenteil tue. Ich möchte das Positive sehen! Ja, das bedeutet, dass ich das offensichtlich und real exisitierende Negative, welches mit diesem Krankheitsbild einhergeht anders bewerte. Aber ich glaube das ist der Schlüssel um die Öffnung einer Person mit Essstörung zu begünstigen. Abgrenzung, Härte, Urteil - sag du mir, sind das die Dinge, die jemandem mit einer Essstörung helfen? Würde es dir helfen (...wenn du denn eine Betroffene wärst - was ich jetzt nicht recherchiert habe...) Oder jemandem aus deinem Umfeld? Sicherlich muss man eine gesunde Widerstandsfähigkeit entwickeln, um sich nicht ganz vereinnahmen zu lassen. Aber wenn man nicht gewillt ist, differenzierter hinzuschauen, dann sollte man es wirklich ganz lassen. Und das gilt nicht nur für den Umgang mit essgestörten Menschen, sondern generell für den Umgang mit Menschen!!!

Ich habe erfahren müssen, dass meine Partnerin genau dieses Bild von sich auch hat - grenzt euch von mir ab, ich mach euch nur kaputt, ich füge nur Schmerz zu, ich bin nichts wert, ich darf niemandem zu nahe kommen - Gepaart mit Selbsthass, Verletzung und Enttäuschung und unendlicher Einsamkeit.

Das hat aber mit ihr als Mensch nichts zu tun, das ist das Krankheitsbild. Würde ich auf sie so reagieren wie ich jetzt dich verstanden habe, mit Abgrenzung, mit Einfordern meiner Bedürfnisse, mit Urteil und Härte... ich würde ihr nur jeden Tag zeigen, dass ich sie für das halte, was die Krankheit ausmacht. Ich will ihr aber etwas anderes zeigen. Nämlich dass ich den Menschen hinter dem Krankheitsbild sehe und liebe. Und dass ich gewillt bin etwas zu leisten um diesem Menschen begegnen zu dürfen.

Und das ist nichts Besonderes, mit dem ich mich in mein Verdereben stürze. Nein, es ist genau das was Liebe und Beziehung meiner Meinung nach ausmacht. Mehr füreinander sein als nur zwei Egoismen, die sich nur genießen können, wenn der andere jeweils top in Form ist. Deswegen bin ich hier und Frage nach euren Erfahrungen, nach eurer Hilfe, wie ich die gröbsten Fehler vermeiden kann etc.

Ich danke dir jedenfalls für deine Nachricht, ich würde mich aber sehr freuen, wenn du etwas konkreter sein könntest. Ich bin gerne gewillt mich in Frage zu stellen und prüfen zu lassen und Standpunkte zu überdenken. Dann brauche ich aber mehr als Pauschalaussagen. Mehr als Senf.

Danke dir!

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#12
User4711 hat geschrieben:Hallo Christie,

da ich das eigentlich genauso wie Christie sehe, möchte ich dazu ganz kurz was sagen.

Ich weiß, dass das was ich schreibe jetzt hart klingen mag und trifft weiß Gott nicht auf alle ESler zu. Es ist lediglich meine Meinung und Erfahrungen , die ich gesammelt habe.

Was also ist es, das ich mir schönrede? Was verkenne ich? Wie kommst du zu diesem Urteil? Vlt. kann ich ja aus deiner Begründung wirklich etwas lernen!!!

Ich glaube du bist dir nciht bewusst, wie langwierig und schwierig der Weg sein kann, sondern bist durch die rosa Brille geblendet.
Ich bezweifle, dass man aus der Liebe zu einer Person gesund wird. Das ist ein langer Weg, den du glaube ich nur gehen kannst, wenn du dir selber treu bleibst. Sonst wird auch deine Kraft irgendwann weg sein. Das siehst du ja eigentlich schon selber, du investierst in die Beziehung, du steckst zurück, du leidest mit ihr. Was kommt da denn von ihr? Nur der Wunsch nach dem gesund werde oder auch ein klares Handeln.
Ohne dich angreifen zu wollen, aber deine Posts klingen sehr nach "aber sie kann ja nichts anderes". Diese Meinung teile ich nicht ganz, den auch an einer ES kann man arbeiten. Bei jeder Krankheit steht die Heilung an erster Stelle. Das es bei einer ES komplexere ist, weiß ich selber, aber unmöglich ist es nicht. Ich bezweifle (ohne dir was unterstellen zu wollen), dass du diese Einstellung in Jahren hast, wenn es genauso ist. Leider ist es am Anfang einer Beziehung oder einem Outing immer so, dass alle helfen wollen und alle Verständnis haben. Meist bleibt es nciht lange, sobald man merkt, was daran hängt.
Ich kann da jetzt nur von mir sprechen, aber nach dem ich rückblickend weiß, wie schwer ich war, würde ich niemals eine Beziehung mit einer ESlerin eingehen. Ich war damals nicht in der Lage eine Beziehung zu führen und sehe das Problem bei vielen.


Es ist immer einfach zu sagen etwas sei falsch. Aber zu begründen warum ist nicht mehr so einfach. Ich habe mir deine Worte in deinem ersten Posting sehr genau angeschaut, habe sie sacken lassen und mich dann aufrichtig dazu positioniert in der Hoffnung da in ein konstruktives Gespräch zu kommen. Ich möchte ja dazu lernen und die Dinge besser verstehen.

Aber ich glaube das ist der Schlüssel um die Öffnung einer Person mit Essstörung zu begünstigen. Abgrenzung, Härte, Urteil - sag du mir, sind das die Dinge, die jemandem mit einer Essstörung helfen? Würde es dir helfen (...wenn du denn eine Betroffene wärst - was ich jetzt nicht recherchiert habe...) Oder jemandem aus deinem Umfeld?

Ja mir hat es geholfen. Bin ich ganz ehrlich, meine Mama hat sich ganz klar davon distanziert. Klar haben wir viel darüber gesprochen und eine Therapie angeboten, aber ansonsten wurde da keine Rücksicht drauf genommen und ich bin froh drüber. Denn im zwischenmenschlichen Zusammenleben, kann sich nciht alles um eine Person drehen. Aber diese Kombination sehe ich bei euch. Du steckst zurück, investierst, machst und tust. Aber in einer gesunden Beziehung solltest du auch was zurück bekommen. Für mich war es einfacher, dass sonst alles normal lief. Daraus habe ich viel mehr gelernt, dazu gehörte halt auch, dass ich niemanden mit meiner ES erpressen kann. Daher finde ich dein "aber sie kann nicht anders" sehr schwierig, weil du der ES damit mehr Raum gibst und ihr damit die Möglichkeit gibst es weiter auszuleben.

Ich habe erfahren müssen, dass meine Partnerin genau dieses Bild von sich auch hat - grenzt euch von mir ab, ich mach euch nur kaputt, ich füge nur Schmerz zu, ich bin nichts wert, ich darf niemandem zu nahe kommen - Gepaart mit Selbsthass, Verletzung und Enttäuschung und unendlicher Einsamkeit.

Glaubst du wirklich, dass du ihre nur mit deiner Liebe helfen kannst? Ich denke eher, dass man das nur annehmen kann, wenn man ein anderes Bild von sich hat. Mit diesem Bild, was sie von sich hat, wird sie deine Gefühle nicht ernst nehmen können. Um an diesem Selbstbild wird sie arbeiten müssen, aber das muss von ihr kommen. Ich weiß nciht, ob du daran so viel ändern kannst.

Das hat aber mit ihr als Mensch nichts zu tun, das ist das Krankheitsbild. Würde ich auf sie so reagieren wie ich jetzt dich verstanden habe, mit Abgrenzung, mit Einfordern meiner Bedürfnisse, mit Urteil und Härte... ich würde ihr nur jeden Tag zeigen, dass ich sie für das halte, was die Krankheit ausmacht. Ich will ihr aber etwas anderes zeigen. Nämlich dass ich den Menschen hinter dem Krankheitsbild sehe und liebe. Und dass ich gewillt bin etwas zu leisten um diesem Menschen begegnen zu dürfen.

Hmm, also ich glaube, dass die Krankheit den Charakter ändert und beeinflusst. ich bin mir daher nciht sicher, ob du überhaupt ihr wahres Ich kennen kannst. Denn das wird sie hinter der Krankheit verstecken und sowas können ESler sehr gut. Aber damit lehne ich mich vielleicht etwas zu weit aus dem Fenster. Ich finde es halt einfach nur wichtig, dass sie auch wissen muss, dass du Gefühle hast. ich weiß nicht, wie lange du da wirklich rein stecken kannst, wenn du dich so komplett aufgibst

Und das ist nichts Besonderes, mit dem ich mich in mein Verdereben stürze. Nein, es ist genau das was Liebe und Beziehung meiner Meinung nach ausmacht. Mehr füreinander sein als nur zwei Egoismen, die sich nur genießen können, wenn der andere jeweils top in Form ist. Deswegen bin ich hier und Frage nach euren Erfahrungen, nach eurer Hilfe, wie ich die gröbsten Fehler vermeiden kann etc.

Damit mache ich mich jetzt vollends unbeliebt, aber doch eine Beziehung mit einer psychisch kranken Person, ist was Besonderes und für mich macht Liebe und Beziehung eben auch aus, das beide rein stecken.
Ich möchte nochmal betonen, dass ich dich nicht persönlich angreifen möchte, auch möchte ich dein Verhalten selber weder als falsch noch sonstwie negativ bewerten. Nur du kennst die Situation selber und auch deine eigenen Kräfte. Jedoch habe ich da als ehemalige Betroffene einen anderen Blickwinkel, nach dem du ja gefragt hast. Ich bin mir dessen bewusst, dass mein Post eher negativ eingestellt ist. Ich verurteile niemanden für seine ES ( hatte ja selber eine), dennoch finde ich es ein bisschen zu einfach nur mir "sie kann nichts dafür, sie ist krank" zu urteilen.
Ich wünsche dir viel Erfolg und hoffe, dass sie gesund wird.

LG

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#13
Hallo Anyone,

vielen lieben Dank für deinen Beitrag! Ich verstehe jetzt denke ich besser, was christie und auch du mir sagen möchten. Und ich glaube auch dass ihr sehr richtig liegt mit vielem von dem was ihr sagt und worauf ihr mich hinweisen wollt. Dafür danke ich euch und vor allem dir für deine ausführliche Erläuterung dessen.

Ich denke ich weiß, dass eine gesunde Balance aus Geben und Nehmen in jeder Beziehung notwendig ist, wenn sie dauerhaft sein soll, da hast du natürlich absolut recht. Dies ist mir bewusst und daran arbeite ich auch, sonst wäre ich nicht hier und würde mir Anregung, Hilfe und Austausch suchen. Ich versuche diese Balance zu finden, aber mir ist eben auch klar, dass ich dies nicht tun kann wie in einer"normalen" Beziehung. Wenn ich meine Partnerin dazu bringen möchte, mit mir an einer Balance zu arbeiten, dann muss ich ihr aber eben auch zeigen, dass ich gewill und in der Lage bin auch mal etwas auszuhalten und mitzutragen, was zu den Auswüchsen der ES gehört, ohne ihr gleich zu signalisieren, "in einer normalen Beziehung geht das nicht - ich bin dann mal weg". Ich habe nur wenige Freunde, von denen ich behaupten wwürde, dass sie wirkliche Freunde sind. Jeder von diesen Menschen hat meine dunkelsten Seiten gesehen und ein paar mal miterlebt - und ist dennoch mit mir befreundet. Und genau das ist es, was auch in einer Partnerschaft vorhanden sein muss. Ich möchte meiner Partnerin zeigen, dass ich da bin und da bleibe trotz ihrer ES und trotz der Tastache, dass diese immer wieder unsere Beziehung und die Balance belasten wird. Und auch wenn ich für dieses "mehr" an Investieren in die Beziehung möglicherweise niemals einen Ausgleich erfahre, weil sie vlt. ihr Leben lang mit der ES kämpft, so tue ich das gerne. Nicht, weil "sie nicht anders kann" sondern weil neben der Person die ab und zu nicht anders kann eben auch die Person in ihr ist, die so wundervoll und schön ist, dass ich den Rest meines Lebens mit ihr verbringen will.

Wir alle, gesund oder krank haben unsere Dämonen. Sie sind letztlich ein Teil dessen was uns ausmacht, auch da gebe ich dir recht. Aber sie sind nicht diejenigen die unser Leben bestimmen sollten und das wie uns das Leben begegnet. Je gesünder, reifer und lebenserfahrener wir werden, desto mehr sind wir in der Lage, bewusst gegen unsere Dämonen zu handeln und in unserem Leben zu agieren und damit auch zu bestimmen, wie unser Umfeld uns begegnet. Du meintest, ich gebe mit meiner Haltung der Krankheit zu viel Raum und erschwere es damit, den Gesundungsprozess in Gang zu bringen. Der Gedanke ist mir nicht fremd, auch ich habe anfangs so gedacht. Mittlerweile denke ich anders. Mittlerweile glaube ich, je mehr ich diesem Menschen zeige, dass ich das Gesunde in ihm liebe und fördere und das Kranke toleriere als das was es ist, ohne sie dafür zu verurteilen, desto mehr stärke ich genau diejenige Person, die Kraft braucht um wieder gegen die eigenen Dämonen anzutreten und diesen ihren Platz zuzuweisen. Beides, sowohl deine als auch meine Sicht mögen wahr, falsch oder was auch immer sein. Ich persönlich glaube deine Sicht ist von Abgrenzung bestimmt und der richtige Weg, wenn man sich nicht in der Lage sieht, diese Kraft zu investieren. Ich kann diese Kraft investieren und damit ist der Weg den ich gewählt habe für mich der richtigere, wenn auch beschwerlichere. Ich persönlich glaube Abgrenzung begünstigt immer die ES, egal od der/die Betroffene sich von sich selbst abgrenzt, oder das Umfeld von ihm/ihr und macht es nur schwerer gegen sie anzukämpfen (auch wenn es im Einzelfall anders sein mag), Abgrenzung bedeutet das Feuer mit Feuer bekämpfen. Diese Abgrenzung ist ein Symptom der ES und zeigt eigentlich das, was der essgestörten Person ja eigentlich fehlt und womöglich zum Auslöserkomplex der ES gehört. Zumindest ist das mein Eindruck gewesen, als ich hier verschiedene Schicksale gelesen habe. Diejenigen, die von einer Ursache berichten konnten erzählten immer von Ereignissen, die zu einer Abgrenbzung von sich selbst und/oder dem Umfeld geführt haben. Und dann erfahren sie Abgrenzung wegen der ES. Und dann sollen sich alle abgrenzen damit es sie nicht belastet, damit die gesunde Balance nicht angetastet wird.
Ich glaube aber daran, dass Empathie der Schlüssel ist, diese Selbstheilungsinitiative und -kräfte zu unterstützen. Ich kann den nicht gesunden Part mittragen und ertragen, aber den gesunden Part, dem muss ich zeigen, dass ich ihn wahrnehme und schätze und liebe. Ich weiß nicht ob ich mich verständlich ausdrücken konnte - vlt. mal ein rasses Beispiel zur Verdeutlichung... ich habe lange Jahre in Pflegeberufen gearbeitet. Unter anderem hatte ich da Kontakte zu Epilepsie-Patienten. Ich denke es wäre jedem sofort offensichtlich wenn ich hier argumentieren würde, dass ich einem Epileptiker nicht sagen kann, hey was soll das, jetzt waren wir grad ins Kino verabredet und da bekommst du nen Anfall - voll scheiße, jetzt hast du aber was gut zu machen und für die Balance in der Beziehung wieder was zu tun, damit ein Ausgleich stattfindet. Niemand käme auf die Idee dem Epileptiker seinen Anfall vorzuwerfen - vermutlich weil er so offensichtlich nichts mit seiner Person zu tun hat, sondern sowohl physiologisch als auch von der pathologischen Bestimmung her viel einfacher greifbar und unterscheidbar ist.
Bei einer ES ist das viel schwieriger zu unterscheiden und viel weniger offensichtlich und viele Symptome unterstützen auch noch das Missverstehen (die Heimlichkeit, das verstellen etc.). Wieso aber sollte ich also mich hier anders verhalten als beim Epileptiker? Warum fällt es mir so leicht dem Epileptiker seine "kranke Seite" zu vergeben und dem Essgestörrten nicht!? Ich glaube das ist eine Baustelle die beim "gesunden" Part der Beziehung zu bearbeiten ist und eigentlich genau zu der Erlkennntnis führen muss, dass es eben ganz genau so wie beim Epileptiker sein müsste. Und das ist es von dem ich spreche. Ich sehe das Krankheitsbild der ES bei meiner Partnerin und dieses trage ich insofern mit indem ich es verzeihe, ihm anders begegne, es aushalte und nicht ihrer Person zurechne. So wie ich dem Epileptiker seinen Anfall nicht persönlich anrechne sondern mittrage, verzeihe und ihm anders begegne.
Das ist der Kern meiner Haltung. Und alles was ich hier frage hat damit zu tun, dass ich mehr Wissen und Verständnis davon aufbauen will, was denn alles zum Krankheitsbild gehört und was nicht und wie ich damit einen sinnvollen Umgang finden kann im Geiste dessen, dass ich eben diesen Kern meiner Haltung treu bleiben kann. Denn das bin ich. Und da hast du vollkommen recht, wenn ich das verleugne, dann verleugne ich dasjenige in mir, dass meine Partnerin liebt.

Ich danke dir für deine Gedanken und Anregungen, es bringt mich weiter und hilft mir die Dinge immer besser zu verstehen.

Vielen Dank!

Re: Wie kann ich ein besserer Partner einer Betroffenen werd

#14
User4711 hat geschrieben:Hallo Anyone,

vielen lieben Dank für deinen Beitrag! Ich verstehe jetzt denke ich besser, was christie und auch du mir sagen möchten. Und ich glaube auch dass ihr sehr richtig liegt mit vielem von dem was ihr sagt und worauf ihr mich hinweisen wollt. Dafür danke ich euch und vor allem dir für deine ausführliche Erläuterung dessen.

Nochmal vorweg: Ich möchte eure Beziehung nciht schlecht reden. Natürlich sage ich nicht, dass du sie ablehnen sollst. Ich finde es gut, wenn du die Kraft hast und ihr diese schenken kannst. Nur jeder hat da seine Meinung zu bedingt durch die Erfahrungen , die er sammelt. Ich zb habe schon viele Beziehungen zerbrechen sehen. Genauso, wie ich gesehen habe, wie Angehörige darunter leiden und sich letztendlich doch abwenden. Damit unterstelle ich dir nciht, dass du sie im Stich lässt oder so. Lediglich die Frage meinerseits, ob du dir bewusst bist, was das langfristig bedeutet.


Ich denke ich weiß, dass eine gesunde Balance aus Geben und Nehmen in jeder Beziehung notwendig ist, wenn sie dauerhaft sein soll, da hast du natürlich absolut recht. Dies ist mir bewusst und daran arbeite ich auch, sonst wäre ich nicht hier und würde mir Anregung, Hilfe und Austausch suchen. Ich versuche diese Balance zu finden, aber mir ist eben auch klar, dass ich dies nicht tun kann wie in einer"normalen" Beziehung. Wenn ich meine Partnerin dazu bringen möchte, mit mir an einer Balance zu arbeiten, dann muss ich ihr aber eben auch zeigen, dass ich gewill und in der Lage bin auch mal etwas auszuhalten und mitzutragen, was zu den Auswüchsen der ES gehört, ohne ihr gleich zu signalisieren, "in einer normalen Beziehung geht das nicht - ich bin dann mal weg".

Das sehe ich exakt genau so. Wichtig finde ich aber hier, das dick gedruckte. Die Frage ist halt, ob sie wirklich mitarbeitet. Die Entscheidung obliegt nur dir. Natürlich trägt man in der Beziehung den anderen mit. Nur solltest du halt aufpassen, dich nciht komplett aufzugeben. Die Frage ist aber auch wie dein Umfeld sonst so aufgestellt hast. Kannst du die Kraft aus anderen Dingen (Eltern, Freunde usw.) holen? Das ist eine Frage, die du dir selber stellen solltest, nicht hier öffentlich.
Man kann ja bsp in die Beziehung geben und von Freunden nehmen, so dass es grundsätzlich ausgeglichen ist, verstehst du , was ich sagen möchte ?


Du meintest, ich gebe mit meiner Haltung der Krankheit zu viel Raum und erschwere es damit, den Gesundungsprozess in Gang zu bringen. Der Gedanke ist mir nicht fremd, auch ich habe anfangs so gedacht. Mittlerweile denke ich anders. Mittlerweile glaube ich, je mehr ich diesem Menschen zeige, dass ich das Gesunde in ihm liebe und fördere und das Kranke toleriere als das was es ist, ohne sie dafür zu verurteilen, desto mehr stärke ich genau diejenige Person, die Kraft braucht um wieder gegen die eigenen Dämonen anzutreten und diesen ihren Platz zuzuweisen.

Ich würde sagen, es gibt kein richtig oder falsch. Es kommt sehr auf die ES und die Person an. Wenn du dich hier quer liest, dann wirst du lesen, wie vielfältig und verschieden die Ausprägung ist. Ich kann da nur von mir reden und ich brauchte die klare Grenze, dass meine Mama ein solches Verhalten nicht toleriert. Ich wollte aber auch nicht, dass man mich als krank sieht. Mir fällt es schwer zu erklären und ich hoffe, du verstehst was ich meine. Ich wollte eher von meiner Mama hören " doch, du kannst es ändern, es liegt an dir selber. Du bist dafür verantwortlich, sowohl, wie du anderen gegenüber tritts, sondern auch , was du tust". Kein "okay, sie hat abgesagt um zu K***, ja sie macht sich kaputt, kann halt nicht anders, die Krankheit halt". das ist jetzt wahrscheinlich etwas einfach und übertrieben, aber ich hoffe es wird deutlich. Ich fühlte mich irgendwie bevormundet und auf die Krankheit fixiert, wenn mein verhalten damit entschuldigt wurde. Auch wenn es natürlich so war.


Beides, sowohl deine als auch meine Sicht mögen wahr, falsch oder was auch immer sein. Ich persönlich glaube deine Sicht ist von Abgrenzung bestimmt und der richtige Weg, wenn man sich nicht in der Lage sieht, diese Kraft zu investieren.

Das mag sein, auch wenn ich es nicht direkt als Abgrenzung bezeichnen würde. Wahrscheinlich habe ich einfach zu viele Beziehungen zerbrechen sehen und so (s.o.). Zu viele Leute, die diese Kraft dauerhaft nicht hatten.


Ich persönlich glaube Abgrenzung begünstigt immer die ES.

Ich muss sagen, dass ich nicht von Abgrenzung selber geredet habe. Eher im Gegenteil. Ich wollte als Person selber gesehen, nicht immer als die Kranke. Ich weiß nicht, wo du diese Abgrenzung raus liest. Ich meinte eigentlich nur, dass du dich von ihrer Krankheit abgrenzen muss, um nicht kaputt zu gehen.



Ich glaube aber daran, dass Empathie der Schlüssel ist, diese Selbstheilungsinitiative und -kräfte zu unterstützen.

Das finde ich einfach das wichtigste. Sie muss das wollen. Deine texte klingen halt leider immer so danach, dass du ihr diese Arbeit (jetzt mal krass ausgedrückt) durch deine Liebe abnehmen möchtest und das funktioniert nicht. Aber vielleicht wirkt das auch nur auf mich so.

Zum Thema Epilepsie: Ich finde es immer schwer psychische Krankheiten mit körperlich zu vergleichen. Auch wenn du natürlich recht hast, aber rein körperlich kann man Epilepsie nicht verhindern. Was theoretisch bei B schon funktioniert. Wahrscheinlich habe ich ein anderes Bild von solchen Krankheiten, aber ich finde dieses Verhalten kann man beeinflussen ( ist ein langer Weg und funktioniert nicht immer, aber es geht). Niemand sucht sich eine körp. Krankheit aktiv aus, bei psych. Krankheiten sieht das FÜR MICH anders aus. Natürlich ist es in einer akuten Situation vergleichbar, aber wenn man so argumentiert, dürfte man zb das Verweigern einer Therapie nicht tolerieren, denn , wenn jemand sich weigert, seine Tabletten gegen Epilepsie nicht nimmt, hätte auch keiner Verständnis. Verstehst du?