Fester Freund hat Bulimie

#1
Hallo!

Wie die Überschrift bereits erklärt bin ich seit kurzem mit einem Mann zusammen, der eine Vergangenheit zu selbstverletzendem Verhalten, Depression und eben Bulimie hat.
Da ziemlich viele Aspekte die ich bis jetzt kenne ein wenig konfus in meinem Kopf schwirren und ich mit diesem Text keinen Chaos veranstalten will, werde ich versuchen chronologisch zu rekonstruieren, was er mir zu dem Thema Bulimie über sich erzählt hat.

Wir haben uns über die schwule Partnerbörsenplattform GayRomeo/PlanetRomeo kennengelernt und uns von Anfang an ziemlich gut verstanden, sind auch deswegen recht schnell auf einen What'sApp Chat umgestiegen. Dort hat er mir dann nach einiger Zeit aus Spaß ein Video geschickt wo er an einer Banane Oralsex simuliert. Ich habe dann gewitzelt, dass er die Banane weiter rein bekommt, als ich das schaffen würde. Ich weiß nicht mehr wie er es formuliert hat, aber daraufhin hat er sinngemäß gemeint, dass es etwas geholfen habe, das er sich so oft den Finger in den Hals gesteckt habe und deswegen da jetzt nicht mehr so viel spüre o.ä...
Daraufhin war ich sehr betroffen und habe mit ihm darüber geschrieben. In diesem Gespräch meinte er, er wolle nur dünn sein, dass sei alles. Er hat von seinem Vaterkomplex erzählt und sich bei mir bedankt, dass ich ihm "zugehört" habe.
Ich habe in diesem Gespräch auch erfahren, dass er wegen der Krankheit nicht in Behandlung war und dass die Gedanken zwar da seien, er aber zurzeit nicht kotze.

In der folgenden Zeit ist mir an seinem Essverhalten aufgefallen, dass er stressbedingt, da er gerade Matura macht, ziemlich viel isst. Also nicht nur ein "ich nehme noch eine Portion nach", sondern eben eher so ein häufiges Besuchen von McDonald's und generell Begeisterung für Junk Food. Generell bewegt er sich im Übergewicht und hat auch in letzter Zeit wohl einiges zugenommen.

Für den nächsten Absatz ist wichtig zu wissen, dass ich sehr schlank bin und mich im Untergewicht bewege (zurzeit daran arbeitend auf Normalgewicht zu kommen).

Das nächste Mal kam das Thema ziemlich unerwartet auf. In einem Streit hat er ein paar wirklich bedenkliche Dinge gesagt, zum Einen die Aussage wie "fett" er sei und dass er mich manchmal für meinen Körper hasse und dass er schon wisse, dass bzw. sogar ab wann er wieder kotzen werde und er mir nicht sage wann, weil ich ihn dann nur versuchen würde davon abzuhalten. Er hat gesagt, dass er jeden Morgen weint, weil er in Kleidungsstücke nicht mehr reinpasse und dass er sich immer unwohl fühlen würde und im Kopf immer nur ein "starrt mich nicht an" sei, wenn er sich in öffentlichem Raum bewege. Er denke auch Menschen seien angeekelt dass er esse. Er hat mir eines dieser gruseligen Thinspiration Bilder geschickt und gesagt, dass das eine Person sei die essen dürfe, er dürfe nicht. Und außerdem sei sie so schön und so wolle er auch sein.

Und weil er so oft mit dem Argument kam, die Gesellschaft wolle das so, dass man dünn sei und dicke Menschen seien minderwertig, habe ich versucht ihm zu erklären, dass es einen Unterschied zwischen dünn und - durch eine psychische Krankheit bedingte - Unterernährung gebe. Ich musste natürlich eingestehen, dass es Komplimente gibt, wenn Jemand abnimmt, aber habe dann gemeint, dass das eben mit der pauschalisierten Einschätzung einhergehe, Jmd der abnehme treibe jetzt viel Sport, ernährte sich gesund und sei somit derzeit wirklich gut dran. Dass er das Thinspirationbild der schlimmstens abgemagerten Frau zum Vorbild nehme, sei insofern aber was Anderes, da dass ja kein Zustand mehr von einem "Dünn-Sein" sei, dass die Gesellschaft im Allgemeinen zelebriere oder beglückwünsche. Nicht zuletzt deswegen habe ich ihn darum gebeten professionelle Hilfe zu suchen.

In der folgenden Zeit kam ans Licht, dass er früher gemobbt worden ist, sich selbst verletzt hat, seinen Eltern gedroht hat sich das Leben zu nehmen, Depressionen hatte und im letzten Jahr einen Selbstmordversuch mit Schlaftabletten gemacht hat.

Als wir uns nach einem Streit versöhnt haben, hat er sich mir sehr stark geöffnet und sich Fragen zu seiner Vergangenheit stellen lassen. Er hat erzählt, dass er eben angefangen hat alles auszukotzen um abzunehmen und das so gut funktioniert habe, dann aber der Sucht wegen in der schlimmsten Zeit so ausgeartet sei, dass er Mineralwasser auskotzte. Aufgehört habe das ziemlich abrupt als er etwas über eine Frau gesehen hatte, die behindert geworden ist, wegen ihrer Bulimie. Er hat meine Einschätzung bestätigt, dass er sich wie eine zierliche Person in einem nicht zierlichen Körper vorkommt. Er hat mir Bilder aus Phasen seiner Bulimie gezeigt, wo er fast keinen Bauch mehr hatte, aber eben immer noch einen massigeren Brustkorb und breite Schultern. Er wird deswegen auch in der Schwulenszene darauf angesprochen, wieso er nicht trainieren gehe, schließlich habe er die Anlagen für einen breiten Muskelbepackten Körper, aber das ist eben gar nicht was er will. Er hat mir außerdem das Lied "Lucy at the gym" vorgespielt und geweint weil er eben so gerührt sei von der Schlussmetapher vom Himmel in dem alle Menschen schön und dünn seien und er sich auch schon mal damit auseinandergesetzt habe, dass er vielleicht wegen der Krankheit mal irgendwann sterben müsse und nur darin eine Erlösung bestehe. Andererseits meinte er aber auch, dass er nicht glaube, dass die Sucht nicht nochmal SO Überhand gewinnen könne, weil er ja nur dünn sein wolle und wenn er so dünn wäre wie ich, würde er ja dann sowieso aufhören - sowas wie damals könne ihm schließlich nicht mehr so passieren, da er es ja jetzt als Sucht begriffen habe.

Gestern Abend hat er dann wieder angefangen, dass er nicht wisse wie ich ihn angreifen könne, er würde es an meiner Stelle ekelhaft finden. Und dann haben wir nochmal darüber geredet und er hat mir offenbart, dass er sich den Termin in einer Woche gesetzt hat wenn die letzten Schularbeiten geschrieben seien und dann würde er abnehmen. Als ich ihn fragte, was er plant hat er gesagt, dass er das nicht sagen könne, weil ich ihn dann davon abhalten könne, dann aber zugegeben, dass er plant wieder zu kotzen. Ich habe ihn dann mit den verschiedensten Dingen konfrontiert. Eigentlich weiß er, dass es keine schöne Sache ist und er damals viele Freunde verloren hat, als er in der Krankheit tief drinsteckte und welche dann sowieso auch für viel Leid gesorgt hat und trotzdem kommen wir immer wieder an Punkte, wo er die Krankheit völlig verharmlost und so tut als sei doch alles super gewesen: Er sei dünn gewesen und hätte in T Shirt und kurzer Hose laufen können ohne sich zu schämen usw usf... Und nachdem wir dann etwas darüber geredet haben, hat er gesagt, er werde eben versuchen auf "normalem" Wege abzunehmen und vielleicht funktioniere das ja. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich nicht will, dass er jetzt nur das sagt was ich hören will, weil ich ja in erster Linie will, dass er erkennt, wie groß das Problem ist und sich helfen lässt. Ich will ihn auch nicht in eine Position bringen wo er mich anlügt, weil mir Ehrlichkeit sehr wichtig ist, wie unangenehm sie auch sein mag.

Was in dem letzten Gespräch durchschien, war auch, dass eine Hauptursache wohl das Mobbing gewesen sei, was er durchlitten hatte, mit dem er sich aber emotional nicht auseinandersetzen kann und mir es auch nicht näher erläutern könnte, wobei er gesagt hatte, vielleicht tue er das aber bald mal, wenn er die Kraft dazu findet.

Nachdem ich das jetzt so runtergeschrieben habe bin ich ziemlich mürbe im Kopf und mir sicher, dass ich Manches vergessen habe, aber das kann man ja dann vielleicht noch durch Fragen und Antworten klären. Ich bin extrem betroffen von Vielem, was er erzählt hat und will ihm sehr gerne helfen, weiß aber natürlich, dass das nicht so einfach geht.
Aber vor allem zum letzten Aspekt, des "ab nächster Woche wieder kotzen" hätte ich gerne Einschätzungen von Leuten, die sich mehr mit der Krankheit auskennen.

Vielen Dank also schonmal für's Lesen und ich hoffe, das mir Jemand etwas zu der Sache schreiben kann!

EDIT: Puh, ist sehr lang geworden, tut mir sehr leid! Ich hoffe es kämpft sich Jemand durch den Text durch... Liebste Grüße an alle die sich auf diesem Board herumtreiben und sich auf so vielfältige und produktive Weise austauschen!
Zuletzt geändert von domme123 am Do Mär 27, 2014 1:39, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Fester Freund hat Bulimie

#2
Ich weiß nicht ob das hier Jemand liest, aber ich könnte dringend Hilfe gebrauchen.

Ich befürchte viele Fehler im Umgang mit ihm zu machen. Mir fällt selber hin und wieder auf, dass ich anfange bestimmte Dinge auf mich zu beziehen. Ich versuche es wirklich zu vermeiden, aber es ist manchmal wirklich schwer, weil es mich so verwirrt, wie er meint, seine Krankheit könne mir ja egal sein. Er hat dann irgendwann gestern geäußert, dass er Schuldgefühle habe, dass es mich belaste und ich habe ihm dann gesagt, dass das derzeit seine letzte Sorge sein sollte. Darauf kam ein "Nein", worauf ich fragte "Wieso" und er antwortete, weil ich ihm schließlich wichtig sei.
Das war meine verquere Art ihm genau diesen Spiegel vorzuhalten. Denn wenn ihn das bereits betroffen macht, dann sollte natürlich eigentlich auch logisch sein, dass sich sein Problem auf mich auswirkt.

Heute ist leider absolut kein schöner Tag. Ich wurde ziemlich von ihm angefahren, als ich ihm Erfolg bei einer Mathe Schularbeit gewünscht habe. Ich solle das gefälligst für mich behalten, denn es sei ja albern diese Klischeesprüche zu bringen, wenn er Mathe einfach nicht könne. Ich war dann ziemlich geschockt, vor allem von seinem Tonfall, weil es echt eher so war wie "Halt die Fresse", auf eine wirklich supernette Nachricht. Habe erstmal nichts mehr gesagt. Er meinte dann, dass es ihm nur noch schlecht ginge und er sich gerne selbst verletzen will.

Später hat er dann zwar gesagt, es sei jetzt wieder besser (ich habe ihm nicht mehr geschrieben, weil ich selber zu erschöpft war Dinge zu schreiben, die dann nur durch den Dreck gezogen werden), dann meinte er jedoch wieder, dass er nach Hause fährt und dort dann Weinen wird.
(Prinzipiell kann das ja sogar absolut notwendig und hilfreich sein, wenn er dadurch Druck und Stress abbaut, das Problem ist eher die Angst, dass ich nicht weiß welches Weinen es ist. Ob er sich nicht eher in noch traurigere Stimmungen reinsteigert)

Was ich mittlerweile herausgefunden habe ist, dass es nichts bringt ihn zwanghaft aufzuheitern, ignorieren geht auch nicht, also versuche ich vorsichtig durch Fragen zu bewirken, dass er seinen Schmerz benennt und beschreibt, in der Hoffnung, dass das hilft.

Ich habe große Angst, dass irgendwann alles eskaliert. Gefühlsmäßig würde ich behaupten, dass es ihm besser geht, wenn wir zusammen sind, aber das ist weil wir ein bisschen weiter auseinanderwohnen und er auch einen anderen Tages- & Wochenplan hat eben nicht drin, dass ich immer für ihn da bin.
Wie kann ich ihm helfen sich selbst zu helfen, oder sich zu entschließen sich helfen zu lassen? Und was sind Fehler die ich unbedingt vermeiden muss, damit er mich nicht plötzlich vollkommen aus seinem Leben ausschließen will? Wie kann ich es schaffen hilfreich und unterstützend zu sein?

Vielen Dank für's Lesen und ich wäre für Hilfe zu dem Geschilderten unendlich dankbar!!!