Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#31
In die Klinik zu gehen war sicher ein sehr, sehr guter erster Schritt. Wenn sie bereit ist, etwas zu ändern, dann kann sie durch den Klinikaufenthalt sehr viel gewinnen.
So viel ich weiß ist es normal, dass zu beginn noch keine Therapien gemacht werden. Einfach um sie, wie du schon schriebst, zu Kräften zu bringen und sie zu stabilisieren.
Ich denke ihr seid auf einen sehr guten Weg, vor allem weil auch du in eine Selbsthilfegruppen gehen möchtest. Das finde ich sehr wichtig, denn diese Situation ist auch für dich sehr belastend. Sicher wird es ein langer Weg, aber lasst euch nicht entmutigen, am Ende werdet ihr zurückblicken und verdammt stolz sein!
Alles erdenlich Liebe, Crisu

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#32
so nun ist es so weit: 3 Wochen stationärer Therapie sind um und es wird immer schlimmer zwischen uns. Ich merke die totale Entfremdung ihrerseits, freue mich jedesmal sie zu sehen und wenn es dann soweit ist, kommt nichts. Es geht ihr schlecht, das merke ich, aber sie kapselt sich gegen mich immer mehr ab. Sie sagt zwar, dass sie sich auch auf unser Sehen freut, aber dann ist diese Situation eher eine Belastung für sie.
Wenn ich mich zurückerinnere, wie unsere Beziehung begann, welche Hoffnung ich darin gesetzt habe, wie schöne Stunden und Tage wir mit einander hatten, und wenn ich dann schaue, wo wir jetzt stehen, könnte ich den ganzen Tag nur heulen.
Wie konnte das so weit kommen, was ist passiert, dass sie so sehr in dieses Tief gefallen ist, dessen Sog mich mit hinunter zieht.
Ich hatte gedacht, dass ich ihr Auswege zeigen könnte, zeigen, wie schön das Leben sein kann, dass ich sie mitreissen könnte - aber genau das Gegenteil ist der Fall.
Im Moment verliere ich jeden Glauben, dass wir das schaffen können. Diese negative Energie ist so stark - ich kann dagegen nicht mehr an.
Es tut mir leid - ich wünsche mir so sehr, dass ich etwas ändern könnte, aber ich kann nicht mehr :(

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#33
neuer Tag, neues Tief
gestern nach dem Abholen aus der Klinik musste ich sie gleich wieder zurück führen, da sie vollkommen agressiv wurde, da sie selbst ihre Medikamente zahlen musste und nicht ich es tat. Dann nach einem Gespräch mit ihrer Bezugsschwester holte ich sie wieder ab. Als sie dann zu Hause war die erste Freßattacke - dann hat sie den ganzen Abend nichts von mir wissen wollen. Wir haben getrennt geschlafen, wie so oft schon vor der Spitalsaufnahme.
Heute waren wir untertags mit einander unterwegs - jetzt kaum sind wir zu Hause die nächste Session und wieder dieser agressive Blick.
Wir werden wieder getrennt schlafen.
Wer möchte da noch sagen, dass das noch eine Beziehung ist - warum schöpfe ich immer wieder Hoffnung - alles geht ums Geld und ums Essen - für mich ist das kein Leben.
Und doch liebe ich sie - was soll ich bloß tun????????
Sie raubt mir die letzte Kraft und gibt mir nichts -- seit Wochen
Ist Trennung der einzige Weg???
Es wäre nur das räumliche Vollziehen dessen, was sich jetzt zwischen uns abspielt wenn wir neben- und nicht miteinander leben.
Kein Mensch weiß, warum ich es nicht mache - nur ich: ich lebe von der Hoffnung und sonst nichts!
:(
Zuletzt geändert von Caruso am Fr Apr 02, 2010 0:07, insgesamt 1-mal geändert.

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#34
Hallo Ray

ich bin erst jetzt auf diesen tread gestossen und es berührt mich tief was du da schreibst und auch mit an zu sehen in welche richtung es geht.
während dem lesen erlebte ich verschiedene gefühle. da war mitgefühl, aber auch wut auf aussagen, da war verständniss für gewisse gefühle und da war hoffnung und hoffnungslosigkeit. ich begann selber zu reflektieren und fragte mich wie es bei uns zu hause ist. mein mann und ich sind nun 10,5jahre verheiratet. haben viele viele hürden kämpfe und stürme genommen. manchmal zusammen manchmal auch einfach ich alleine, dies schon vor der krankheit von mir. seit ich krank bin begleiten mich diese fragen die ich hier lese und ich merke wie sehr ich darauf achte eben genau in diesem bereich zu versuchen auch für meinen mann hier zu sein. es gelingt mir nicht immer. aber ich versuche mir immer immer wieder zu sagen, dass ich mir bewusst sein muss, das er durch mein rückzug von der umwelt und durch mein enzug der essmahlzeiten leidet und ich versuche so gut ich kann auch situationen durch zu stehen damit er auf seine kosten kommt.
warum schreibe ich dies... hm... vielleicht zum einen weil es nicht immer einfach ist, aber und das ist der hauptgrund:
aus den erfahrungen die ich in den letzten jahren gemacht habe und die mir solche berichte bestätigen komme ich zum entschluss:
es ist so wichtig das wenn man ein ehepaar /ein paar ist das auch dieser weg gemeinsam gegangen werden sollte. sprich wenn der betroffene in die therapie geht ist es wichtig und gut wenn der partner auch unterstützung kriegt.
mein mann ist leider noch nicht so weit... und ich sehne mich danach weil ich oft das gefühl habe, ich könnte dann mich endlich ganz auf mich konzentrieren... aber die liebe zu ihm und das wissen der verbundenheit gibt mir mut den weg weiter zu gehen.
und ich hoffe dass ich noch länger die kraft dazu habe.
konkret:
ray würde es denn eine möglichkeit geben das du mit deiner frau parallel hilfe bekämtest?
man ist als paar eins und wenn dann ein teil davon einfach den so schweren weg und der ist oft mit veränderung verbunden alleine geht ist doch ein auseinanderleben vorprogrammiert...
mir gefällt das bild eines heidelbeersstrauches. wenn ein strauch in einen garten eingepflanz wird und er blüht und gedeit und früchte trägt hat man freude. doch man weiss gerade dieser strauch kommt noch mehr zu frucht wenn er einen partner hat. dieser muss nicht gleich neben ihm eingepflanz werden aber in der näheren umgebung und so ergänzen sie sich und tragen zusammen ganz erfolgreich frucht...
ja nicht falsch verstehen ich bennen niemanden ein beerchen... es geht mir nur um das bild.

ray ich wünsche dir /euch von ganzem herzen das ihr zusammen den weg findet. eine partnerschaft/ehe ist so etwas wertvolles und kostbares. ich wünsche DIR viel kraft und auch mut (mehr im sinne von ermutigung) und ich wünsche dir das die kleine flamme von hoffnung in deinem herzen wieder oel bekommt damit es ein brennendes feuer wird.

Papillon

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#35
Nach langer Zeit habe ich nun mal wieder die Kraft mich zu melden.
Inzwischen ist die 9. Woche des stationäre Aufenthalt beinahe zu Ende und es scheint bergauf zu gehen. Vor 3 - 4 Wochen hatte mein Schatz ein länger dauerndes Tief, da zu diesem Zeitpunkt viel aus der verdrängten Vergangenheit aufgearbeitet wurde. Da gab es dann wieder reichlich Freßanfälle und es hat ausgeschaut, als ob es nur noch bergab ginge.
Jetzt seit 2 Wochen ist sie in einer relativ stabilen Phase. Im Spital gibt es reichlich Therapien und man merkt, dass das riesige Schritte sind, die hier mit Hilfe der Therapeuten geschafft werden. Sie muß nicht mehr jede Streßsituation mit Essen beantworten, beginnt ihren Körper zu fühlen und Spannungssituationen mit den neu erlernten Skills zu begegnen. Das funktioniert oft ganz gut und manchmal eben nicht. Aber die Bemühung ist zumindest immer zu spüren.
Ich habe es leider in all der Zeit nicht geschafft in eine Angehörigengruppe zu gehen, nächste Woche ist aber von Seiten der Therapeuten ein Angehörigengespräch mit mir geplant - bin schon gespannt!
Was mir echt weh tut ist abgesehen von der wiederholten Trennungssituation nach den Besuchen und Wochenenden, dass sie viel weniger das Bedürfnis hat mich zu sehen, als ich sie sehen will. Liegt vielleicht daran, dass das da drin auch ganz schön anstrengend ist und sie nach den Therapien eine Art neues soziales Umfeld hat und somit auch nie soviel Einsamkeit aufkommen kann, wie bei mir.
Auch hat sie kaum das Bedürfnis nach körperlicher Nähe. Ich meine sie kuschelt sich schon gern zu mir und liebt es eigentlich auch, mich "anzumachen", aber nichts weiter. Wenn ich darauf einsteige ist auch schon Schluß. Als ob sie das nur zur Selbstbestätigung machen würde, um herauszufinden, ob es ohnehin noch funktioniert.
Das verunsichert mich sehr, da ich ähnliches in meiner früheren Beziehung bereits erlebt habe. Ich hoffe, dass sich das wieder ändert, denn S** war früher bei uns ein wunderbarer Bestandteil unserer Beziehung und es fällt mir echt schwer, das auszublenden und ehrlich gesagt will ich es auch nicht.
Wenn sie wenigstens hässlich wäre, wär das auch leichter ;-) aber sie ist wirklich ne hübsche, begehrenswerte junge Frau (24)- wär schön, wenn wir das auch noch hinbekommen.

Bin voller Hoffnung - liebe Grüße

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#36
Hey Ray! Also wenn ich deine Zeilen lesen, dann wird mir erst bewusst, was ich meinem Freund "angetan" habe. Was du schreibst, ist 1:1 umlegbar auf meine Situation. Und ich weiß, dass genau diese Punkte bei meinem Freund und mir immer wieder Streitfaktoren waren.
Aber dennoch, ich bin heute froh, dass wir durchgehalten haben und ich bin meinem Freund zu tiefst dankbar, dass er bei mir geblieben ist. Es war für ihn sehr schwer und anstrengend, und ich glaub, das ist es heute teilweise auch noch. Mir ist das ganze sehr wohl bewusst, und er weiß das auch. Ich habe nie verlangt, dass er mit mir diesen schweren Weg geht. Wenn man sich dazu aber entscheidet, dann sollte man ihn auch mitgehen.

Was ich dir sagen will ist, dass du dir bewusst werden musst, wie weit du bereit bist zu gehen. Das ist ein anstrengender Prozess: Für deine Freundin und auch für dich.
Wenn du die Kraft hast, um das Ganze durchzuziehen und zu ihr zu stehen, dann brauchst du obendrein auch sehr viel Geduld und Verständnis. Das ist nicht unbedingt ein Honigschlecken, andererseits aber das wunderbarste Geschenk, was man einem Menschen machen kann. Sie ist momentan in einer sehr anstrengenden und kräfteraubenden Situation. Therapie ist kein Spaß, kein Zeitverdreib nebenbei, sondern wahnsinnig anstrengend. Es ist nicht einfach und nicht unbedingt leicht der Realität ins Auge zu schauen, sein Leben selbst zu reflektieren und obendrein noch mit vielleicht traumatischen Erinnerungen konfrontiert zu werden. Das nimmt eine Person quasie ein. In dieser Situation ist man so mit sich selbst beschäftigt, dass Gefühle, Erregung und Sex erstmals ins Abseits geschoben werden. Darüber hinaus kommt das mit der "Figur" hinzu. Sie ist jetzt seit 9. Wochen in stationärer Therapie und lernt das Essen erst wieder. Das bedeutet, dass gerade jetzt für sie auch Fragen bzgl. ihres Körpers hochkommen. Sie muss erst lernen, sich in ihrem Körper wohl zu fühlen, das dauert seine Zeit. Und das Wohlfühlen im eigenen Körper ist wiederum ausschlagebend für das s*x**ll* Lustempfinden. Da sind also mehrer Faktoren miteinander verstrickt. Sie wird es lernen, damit umzugehen, es anzunehemen wie es ist, aber das dauert auch seine Zeit. Wenn dir sehr viel liegt an ihr, dann sollte es auch kein Problem sein, den Sex für eine gewisse Zeit mal auszublenden. Sie wird dir zeigen, wann sie dazu bereit ist. Wichtig für sie ist jetzt Bestätigung und Anerkennung.
Ich wünsch euch beiden nur das Beste! Aber nochmal: Werd dir selbst bewusst, was du willst. Du sollst dein Leben nicht für andere aufgeben, den die wichtigste Person in deinem Leben bist immer noch du. Wenn du es aber für richtig hältst und es selbst auch willst, dann kann das auch eine Bereicherung für dein Leben sein. Hör auf deinen Bauch und vor allem auf dein Herz! Alles Liebe, Crisu

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#38
Hey Crisu 1,

danke für dein Interesse und deine immer wieder sehr ermunternden Kommentare. Haben jetzt wieder 2 Wochenenden und gestern einen Feiertag mit einander verbracht und ich muss sagen ich bin jetzt wieder absolut zuversichtlich. Mein Baby - so nenne ich meinen Schatz (sie mich übrigens auch) - ist derzeit emotionell viel stabiler als sie es je war, was nicht heisst, dass sie am letzten Wochenende bei einer Feier nach einer kleinen Enttäuschung nicht wieder mal k** gegangen wäre. Aber im Moment sind das kurze Ausrutscher, die sie nachher bereuht und über die wir dann relativ analytisch sprechen können. SIe setzt sich sehr mit der Ursache dieser Handlung auseinander und wir überlegen für ähnliche Situationen manchmal auch gemeinsam ander Strategien. Dieses Hinterfragen dieser Handlung wäre vor der Therapie nie möglich gewesen.
Ich denke auch für den Selbstwert hat dieser Aufenhalt sehr viel gebracht - sie beginnt sich zu mögen :-)
Haben in den letzten Tagen auch immer wieder und teilweise viel mit einander gegessen und es war in Ordnung. Das Essen nicht jedenfalls nicht mehr so einen zentralen Stellenwert in unserem Leben ein und die Essmenge ist jetzt wohlüberlegt - und wenns a bissl viel war- wie heute - dann geht sie nicht sofort k**, sondern rechnet mal nach, wieviele Kalorien das jetzt wirklich waren und meistens passt es dann. Hat sich zwar kurzfristig dick gefühlt - was sie natürlich nicht war - durfte mich aber zu ihr setzen und sie halten - durfte sogar ihren Bauch berühren - der ja ohnedies kaum vorhanden ist - das wäre früher nie möglich gewesen.
Und: hatten auch wieder tollen S** :-)
Also wie die siehst: alles im grünen Bereich

Erzähl mal was von dir - hast du das schon alles hinter dir??

Liebe Grüße
Ray

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#40
Ja das freut mich für euch! Braucht halt Zeit und Geduld, aber wie es scheint, macht deine Freundin ja riesige Fortschritte! Wirklich spitze! Dafür verdient sie ein großes Lob, das ist eine großartige Leistung. Ebenfalls verdienst du ein großes Lob, da du sie ja sehr unterstützt.

Das mit dem Bauch anfassen z.b., das ist so eine Sache, mit der ich heute noch zu kämpfen hab. Eigentlich werde ich sowieso nicht gerne angefasst, bei meinem Freund kommt es auf meine Stimmung an. Er ist da ziemlich tolerant und einfühlsam, versucht es zu verstehen (auch wenn er es nicht immer kann).
Nun ja, wichtig ist, dass ihr beide dran bleibt, vor allem nach dem Klinikaufenthalt! Es ist leider noch nicht vorbei. Ich brauchte sehr lange, bis ich das begriffen hatte. Ich ging damals in Behandlung mit der Vorstellung: "Wenn ich dann draußen bin, bin ich gesund und alles ist wieder normal." So wars aber nicht.
Weil du gefragt hast, dann erzähl ich halt mal: Ich brauchte sehr, sehr lange, bis ich mir Hilfe holte. Leider hatte ich keine Untertstützung von meiner Familie oder sonstigen. Und eigentlich war ich mir meinem Problem gar nicht bewusst. Erst nach und nach erkannte ich, dass einiges an mir nicht "stimmte". Allerdings hatte ich die Einstellung, das selbst schaffen zu müssen. "Man braucht es ja einfach nicht mehr zu tun". Leichter gesagt, als getan :wink: Nun ja, ich lernte dann meinen jetzigen Freund kennen, für den ich mit meinem Ex-freund sofort Schluss machte. Keine Ahnung warum, aber es hatte mich voll erwischt. Und da war der Gedanke:"Jetzt hör ich damit auf." War auch fest davon überzeugt, aber ich schaffte es nicht, ich konnte einfach nicht mehr "normal" essen, wusste nicht mal mehr, was darunter zu verstehen war. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon ca. 6-7 Jahre Anorexie/Bulimie.
Ich wollte aber wirklich was verändert. Was mir vor allem wichtig war: Ich wollte meine Beziehung nicht auf Lügen aufbauen. Eigentlich bin ich ein sehr ehrlicher, direkter Mensch, aber bezüglich meiner Krankheit konnte ich lügen wie ein Profi :D
Ich habs ihm daher erzählt. Er war damit sehr überfordert (ich denke, er wusste gar nicht, um was es da geht). Eigentlich dachte ich, dass er davonlaufen würde, er tat es nicht. Nach mehreren Monaten war ich dann an dem Punkt, wo ich einfach nicht mehr konnte, und auf Anraten von anderen Personen eine Beratungsstelle aufsuchte. Von da gings dann eigentlich im großen und ganzen bergauf.
Mein Freund war ein gewisser Antrieb, "mein Motor" wie ich heute so sage, obwohl er eigentlich nichts getan hat, und auch nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Ich glaube, er weiß heute noch nicht genau, was da eigentlich los ist. Und vielleicht war auch das gerade gut. Er stand zu mir, unterstützte mich, aber ließ mich selbst den Weg gehen. Er war einfach für mich da, mehr als sonst ein Mensch je zuvor. Es war nicht er, der sagte, ich muss in eine Klinik. Wenn wir heute darüber sprechen, sagt er oft, dass er das damals gar nicht so gesehen hat. Er hat nicht gesehe, wie dünn und fertig ich war. "Liebe macht blind" wie man so sagt.
Also, ich ging in eine Klinik, brach die Therapie dort aber nach ca. 5 Wochen ab, weil es mir schlechter ging als zuvor. Ich schaute mich dann nach Alternativen um und entdeckte ein Therapiezentrum, das Langzeittherapie anbot. Ich beworb mich dort und wurde auch aufgenommen. Als Grundvoraussetzung musste man sich für 6 Monate verpflichten. Ich dachte, dass ich nach diesen sechs Monaten gesund herauskommen würde und mein Leben einfach leben würde. Ich war nicht 6 Monate dort, ich war 2 Jahre dort. Und ich bin sowas von froh darüber! Diese Therapie ist nicht mit einer Klinik gleichzusetzen. Nach einiger Zeit besucht man Schule bzw. eine Ausbildung, Studium etc. Ziel ist es, das Essen zu lernen, Strategien zu gewinnen, Selbstvertrauen aufzubauen und Schritt für Schritt in die reale Welt geführt zu werden. Der Tagesablauf besteht aus Arbeit, Therapie ... Man wohnt zusammen mit mehreren Mädels, die in der gleichen Situation sind. Neben Gruppen- und Einzeltherapie wurde dort vor allem Beschäftigungstherpie, Tanz-, Mal-, Physio- und Körpertherapie angeboten. Hinzu kam ärztliche Betreuung (Hausarzt, Internist, etc.). In akuten Situationen wurde man auch ins Krankenhaus/Klinik verwiesen. Also ein "rundherum" Angebot, in einer natürlichen Umgebung.
Nach einem Jahr begann ich mein Studium und wechselte darauf bald in die betreute WG, die ebenfalls zu diesem Therapiezentrum gehört. Von da an gings dann nur mehr bergauf. Ich konnte mich gut entwickeln, hatte Selbstvertrauen und Selbstverantwortung entwickeln können und war in meinem Studium erfolgreich.
Ein Jahr später zog ich dann aus, hatte eine Wohnung zusammen mit meinem Freund und eine Studentenwohnung an meinem Studienort (die ich noch immer hab). Alles hatte sich zum guten entwickelt.
Allerdings war ich zu sicher, ich hatte einfach den Glauben, nichts kann mehr passieren, und es passierte doch: ich wurde rückfällig.
Hab dann aber nur mehr eine ambulante Therapie angegangen und befinde mich auch nach wie vor in Therapie (allerdings nur mehr so 1mal/Monat oder gar 2 Monate). Ich habe seit mehreren Jahren ein Normalgewicht, dass ich auch halte. Vom Essen her geht es mir momentan eigentlich recht gut. Hab halt gewisse "Spinnereien", aber damit kann ich leben. Solang ich nicht mehr hungere und nicht mehr k***** geh, passt das, obwohl Rückfälle, also "Ausrutscher" kann ich noch nicht ausschließen, auch wenns schon lange her ist.
Nun ja, es geht mir mittlerweile sehr, sehr gut, aber es war ein harter Kampf. Und ich kann und würde mich heute noch nicht als gesund betrachten. Ich habe noch genug zu tun, muss an mich arbeiten und vor allem die Krankheit immer berücksichtigen.
Das war auch, was ich meinte: Bleibt dran! Macht weiter! Ich hab das damals übersehen, und bin dadurch wieder ziemlich zurückgefallen. Irgendwie bereue ich es, andererseits ist das halt mein Weg.
Vom Studium her läuft alles gut, werd das erste jetzt im Juni abschließen, um genau zu sein am Montag, und das zweite dann im Herbst. Darauf bin ich wahnsinnig stolz und das hab ich unter anderem vor allem auch diesem Therapiezentrum zu verdanken. In gewisser Weise verdanke ich dem Therapiezentrum und meinem Freund mein Leben, traurig aber wahr. Auf meine Familie konnte/kann ich mich nicht verlassen, dafür auf meinen Freund, er ist meine Familie.

Daher find ich es auch so großartig, dass du deine Freundin so unterstützt. Das ist enorm wichtig, sie braucht das. Und ich finde es großartig, dass ihr, so wie du schreibst, gemeinsam nach "Ausrutscher" darüber redet, es analysiert und gemeinsam nach Strategien sucht. Das hat mir ein Stück weit gefehlt, ich hab das meinem Freund auch gesagt. Ich brauchte oft jemanden zum reden, aber er wollte davon nichts hören (was ich auch versteh, weil es für ihn genauso eine sehr schwierige Zeit war). Dennoch, langsam kommen wir an den Punkt, an dem ihr scheinbar schon steht.
Ich wünsche euch nur das allerbeste, und bitte, nehmt meinen Rat ernst und macht weiter, auch wenn der Alltag wieder einkehren mag.
Alles Liebe, Crisu

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#42
bin wieder da - leider
sie wurde Mitte Juni entlassen und ich muss ehrlich sagen meine Hoffnungen auf eine deutliche Verbesserung unserer Beziehung haben sich nicht erfüllt
gekotzt wird zwischen ein- und mehrmals täglich. Manchmal gibt es ein paar Tage Pause - da schöpfe ich Hoffnung - die wird aber dann bald wieder zerstört.
Wir reden vielleicht mehr als früher, aber das geht eigentlich nur von mir aus, manchmal gelingt es ein Gespräch zu führen über die Gründe und Ursachen ihres aktuellen Treibens, meist nicht.
Ich bin hier nur Passagier aus diesem Irrsinnstrip und habe keinen Einfluss auf den weiteren Verlauf - das einzige was ich tun könnte ist mich retten, indem ich das Ganze von mir aus beende - aber dazu bin ich noch nicht bereit.
Zu blöd, um zu erkennen, wie ich zumindest mir helfen kann??
Bin traurig, dass das alles so läuft. Ich kann versuchen was ich will - ich habe keinen Einfluss - kann es nur falsch machen. Kann man jemandem mit dieser Krankheit nicht helfen??
Sie spricht von großer Liebe, aber das sind - so fühle ich zumindest jetzt hohle Phrasen. Sie sagt, sie weiß, was sie mir antut, dass sie unsere Beziehung zerstört und dass sie das ändern möchte - aber wie kann ich das glauben - sie ist im Nebenzimmer und frisst, wie auch gestern und all die Tage davor.
Am Schlimmsten war unser Urlaub: All inklusive hatte sie ausgesucht - waren nur 5 Tage, aber immerhin 15 Mahlzeiten gekotzt, den Rest der Zeit verschlafen - es war ein Zeit zwischen fressen, schlafen und warten aufs nächste Buffet - jedesmal mit dem Versprechen, dass es jetzt nicht wieder passieren wird - und ich Trottel bin immer wieder mitgegangen - kann ein Mensch so blöd sein wie ich??

Ich weiss nicht wie ich weitertun soll - zu Beginn war ich sicher, dass wir das schaffen, dann nicht mehr sicher, aber voller Ambitionen ihr weiter zur Seite zu stehen und voll Hoffnung - jetzt weiss ich nicht mehr woran ich glauben oder worauf ich hoffen soll

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#43
Im Prinzip hast du recht, aber im Moment fällt es mir schwer irgendetwas anderes als das dauernde Ausleben dieser Sucht zu sehen, da sie unser Leben vollkommen vereinnahmt hat. Wie gesagt: der Urlaub war im wahrsten Sinne des Wortes zum Kotzen
Unsere Freizeit wird durch dieses Thema auch vollkommen bestimmt: ihrerseits das Vorhaben es nicht wieder zu tun, dann das Versagen, das schlechte Gewissen, die Erschöpfung und dann den Rest der Zeit verschlafen.
Meinerseits den Versuch ihre Wünsche zu erfüllen: sie will shoppen gehen - wir gehen shoppen, ich will etwas unternehmen, z.B. einfach raus in die Natur, raus aus der Wohnung etwas anderes unternehmen als zu Hause dauernd nur fernsehen - es kommt garantiert nicht dazu
Stattdessen soll ich wegschauen wenn sie frisst, aber ja nicht weggehen und wenn sie dann mit dem Kotzen fertig ist für sie da sein und sie trösten halten, lieb sein - eigene Bedürfnisse äußern? -bloß nicht
Dann dieses ewige Spie, z.B. gestern als sie fertig war: ich sitze da, schau fern, bin traurig - sie kommt her, macht mich an, räkelt sich, küsst mich - intensiv (aber wie ich weiß nur zur eigenen Bestätigung) - als ich darauf anspringe, eingehe - mehr will steht sie auf, geht weg und zündet sich eine Zigarette an - versteht nicht, dass ich das als Demütigung empfinde - -ich spreche es an - sie kommt wieder her und es geht los wie davor - mit dem selben Ende - warum quält sie mich so sehr

Ich meine ich liebe sie immer noch sonst wäre ich ja nicht freiwillig immer noch da - aber ich sehe zunehmend weniger Gemeinsamkeiten und zweifle an unserer Zukunft, die ich mir so sehr wünschen täte.
Warum muss ich asl Angehöriger alles runterschlucken, immer stark sein, darf keine Ecken und Kanten haben, keine Probleme haben, darf es nicht ansprechen und soll dann immer wieder für sie da sein - das erfordert Kräfte die kein Mensch hat - wer glaubt, dass das ein Mensch aushalten kann, täuscht sich, wie ich glaube, denn wer all das aushält und erfüllt muss seine eigenen Emotionen so sehr kontrollieren, dass er selbst krank wird.
Ich dachte ich könnte das, da ich bisher im Leben fast alles geschafft und umgesetzt habe, was ich mir vorgenommen habe - so gesehen kann man mich als erfolgsverwöhnt bezeichnen, aber ich habe auch immer alles gegeben um mein Ziel zu erreichen und bin auch weiterhin dázu bereit - nur hier renne dauernd gegen eine Wand und komme nicht weiter.
Auch wir hatten schon viele Vereinbarungen, wie z.B die mit dem Teller anrichten - aber sie hat sich dann nie daran gehalten und nachgebessert bis der Teller so voll war, dass alles wieder seinen Lauf nahm.
Wie oebn erwähnt erleben wir kaum noch schöne Sachen gemeinsam, denn das einzige was sie interessiert isteinkaufen im Supermarkt- ich meine ich mach das oft auch mit, gern gehen wir auch Kleidung shoppen für sie- mach ich auch gern, aber wenn wir uns z.B. vornehmen, nachher ins Kino zu gehen o.ä., dann halte ich meinen Teil ein und shoppe mit ihr, mein ausgesprochener Wunsch aber nicht, obwohl ich da ja ohnedies auch alle Kosten allein trage - sie will dann nach Hause und was dort passiert ist klar :-(
Wie soll das weitergehen??

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#44
ja sie macht seit 2 Wochen eine ambulante Therapie - 5 Monate nach der Entlassung hat sie begonnen
es gibt vereinzelte Tage, an denen es funktioniert - da bin ich dann auf Wolke 7 und glaube gleich alles wird gut, plane für unsere Zukunft - Hochzeit etc., wie wir beide es uns wünschen - diese Gedanken werden dann zumeist noch am selben Tag zerstört - Kotzen ohne Ende und ich bin tiefer unten als zuvor, so wie z.B. jetzt -am Besten, ich glaube an gar nichts mehr und mache mir keine Hoffnung, dann kann mich nichts mehr enttäuschen
der heutige schöne Tag wurde übrigens beendet wie gewöhnt - jetzt sitze ich wieder hier, ohne Perspektive
heute hat sie es getan und ich habe darüber hinweg geschaut - dann haben wir den weiteren Abend mit einander verbracht und sie wollte noch etwas naschen- sie holte eine Tafel Schokolade und ich hab sie ersucht davon nur 2 Rippen zu nehmen und den Rest wegzuräumen - sie wollte es nicht, da sie meinte es wäre kein Problem, sie könnte sich´s einteilen, ein bisschen essen und es ginge gut - am Ende der Tafel war sie dann kotzen
wie kann man jemanden führen, wenn man das Problem schon im Ansatz sieht, weil man es schon tausend mal erlebt hat, aber jede Hilfe abgelehnt wird
ich kann tun, was ich will - das Ergebnis ist immer das selbe
wie soll ich weitermachen??

Re: diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld

#45
wieder mal eine gute Zeit um mir den heutigen Frust von der Seele zu schreiben: heute war der 8. Tag in Folge, der über dem Klo beendet wurde - ich kann und will das andauernde Fressen nicht mehr sehen und will das Kotzen nicht mehr hören - auch will ich nicht, wie schon so oft einfach aus der Wohnung flüchten, um der ganzen Sache nicht hautnah beiwohnen zu müssen - die Gedanken über eine Trennung werden konkreter.
Habe mich letzte Woche nähmlich dabei erwischt zu denken, wie leicht ich die Sache beenden könnte, die mich so sehr schmerzt, indem ich mich einfach vor ein Auto werfe. Es war an einem dieser Momente, als ich wieder in der Kälte sinnlos im Kreis gegangen bin, weil ich es hier nicht ausgehalten habe und eine irrsinnige Wut in mir hatte, weil ein Abend wie der andere läuft - und keiner davon ist gut. Als dann ein schwerer Geländewagen an mir vorbei fuhr, spürte ich diesen unglaublichen Sog, es einfach zu tun. Kein Leben -keine weiteren Enttäuschungen. Irrsinnig dieser Gedanken, aber da - und unglaublich passend zu dem Titel " diese Krankheit zerstört den Betroffenen und sein Umfeld.
Warum will ich nicht einfach einsehen, dass ich hier nichts ausrichten kann, warum trenne ich mich nicht von ihr, obwohl unser Leben komplett von dieser Sucht bestimmt wird. Ich schaffe es einfach nicht, sie fallen zu lassen und wünsche mir so sehr, dass alles gut wird.

Ich war zunächst überzeugt, dann nur mehr voll Hoffnung, dass ich ihr helfen könnte, diese Sache, die so sehr zwischen uns und einem lebenswerten Leben steht, zu beenden. Jetzt sehe ich, wie schon so oft geschrieben, dass sie sich nicht helfen lassen möchte, nicht mal weiss, ob sie es wirklich beenden will, und ich sie nicht nach oben, sie mich aber sehr wohl nach unten ziehen kann.
In 3 Tagen habe ich einen Termin bei einer Angehörigengruppe in Wien, die alle 2 Wochen 90 Minuten dauert und weitere 2 Tage später sind wir gemeinsam bei ihrer Therapeutin. Mittlerweile weiß ich aber nicht mehr, ob ich diese Termine überhaupt wahrnehmen möchte - was hilft es mir, wenn ich dort verstehen lerne, was in ihrem Kopf vorgeht und wie ich besser mit meinen Gefühlen umgehen kann. Es kann doch nicht das Ziel sein, dass es mir einfach besser geht, während sie die Sache unverändert weitermacht.
Können wir jemals ein gutes Leben führen, wenn sie es nicht beendet - und viel schlimmer (weil sie immer davon träumt): kann man es einem Kind zumuten in einer Familie aufzuwachsen, in der die Mama über dem Klo hängt und der Papa nicht weiß, wo er mit seiner Wut hin soll und dann auch noch stark sein soll, seine Emotionen kontrollieren soll, damit eben dieses Kind nicht die nächste Generation ist, die einen Therapeuten braucht??