Hi,
mary jane:
Das du die Frage so gestellt hast ist OK für mich! Ich habe mir deine Frage damals auch so gestellt, nur im Laufe der Zeit in mir selbst umformuliert und da alleine schon die Umformulierung eine andere Wirkung, einen anderen Sinn ergibt ist darin ja schon ein Teil der Antwort enthalten: Du fühlst dich als Mann extrem alleine obwohl es weit mehr betroffene Männer gibt, nur leider aus Angst heraus nicht in die Öffentlichkeit treten.
Also ich stand nicht zu meiner Anorexie noch zu meiner Bulimie nach außen hin. Meine Freunde haben erst davon erfahren, als ich knapp vor einer Zwangseinweisung stand. Meine Frau wusste es ja, weil sie es war, die mich erst auf meine ES aufmerksam machte – mir war das gar nicht so bewusst dass es eine ES ist, denn in meinem Hrin war drinnen: „Magersucht und Bulimie sind Frauenkrankheiten daher kann ich daran nicht erkrankt sein, dass ist einfach was anderes bei mir und bei uns Männern“. Eben ein Denken dass einfach den Umgang mit ES-Betroffenen Männern in unserer Gesellschaft widerspiegelt und nichts mit der Realität zu tun hat.
Wie das bei anderen betroffenen Männern ist weiß ich nicht genau, ich kenne nur ein einziges buch über dieses Thema und darin wird es ähnlich beschrieben wie ich meine Zustände beschreibe.
Naja, dass ist ja der Hacken an der Sache – wir alle stellen uns die Sache viel zu verweifelt und verzwickt vor, anstelle einfach mal zu einem kompetenten Arzt/Therapeuten zu gehen und uns einfach helfen zu lassen. Aber du hast Recht: Aus sozialer sicht hat es ein ES-Betroffener Mann in unserer Gesellschaft meist schwerer, auch wenn es natürlich bei den helfenden Berufen nicht so ist: Als betroffener Mann wirst du genauso hilfreich betreut/beraten und geholfen wie als wärst du eine Frau, denn ES ist eine Erkrankung des menschl. Körpers und nicht eines Geschlechts und genauso sehen es die Personen der helfenden Stellen.
Hope
Es ist schon mal gut, dass du schon mal mit ihm darüber sprechen konntest und er dir auch nicht ausgewichen ist, sondern dir schon mal gesagt hat, was Sache ist. Wie alt ist denn dein Freund eigentlich?
Vieles was du beschreibst von ihm sind typische Sucht und somit auch Bulimiesymptome: zB ist ja nicht so schlimm-Gedanke oder ich schaff das schon alleine davon weg zu kommen. Aber wie du es richtig siehst: Alleine davon loskommen ist meiner Meinung nach kaum bis gar nicht möglich, denn bei Bulimie handelt es sich um eine Sucht. Auf der einen Seite wirken starke psychische Suchtfaktoren hinein, auf der anderen Seite kann es auch sein, dass er (so wie es bei mir war) auch auf Endorphin abhängig ist. Denn Bulimie erzeugt einen sehr extremen hohen Endorphinwert (körpereigenes Glückshormon) und dieser Wert kann eine Wirkung haben ähnlich wie ein Schuss Heroin (so wie’s bei mir auch war), nur das Abbauen des Hormons geht viel schneller als Heroin, da unser Körper dieses Hormon ja kennt und wenn das Hormon abgebaut ist kommt es tatsächlich zu körperl. Entzugserscheinungen (so wie bei mir, etwas was mir damals dann erst meine Ärztin erklärte). Und diese zu lindern beim Bulimientzug kann nur durch Medikamente unterstützt werden (Antiserotoninhemmer).
Das mit dem Essen was du beschreibst habe ich auch immer gemacht: Wenn andere dabei waren habe ich versucht „normal“ zu essen und nur wenn ich wusste ich werde nicht erwischt bin ich am Klo verschwunden. Wenn ich alleine war habe ich mich meiner Sucht hingegeben. Daher ist wichtig, dass du als Angehörige wahrnimmst, dass es eine Sucht ist und wenn der Drang des Auslebens zu groß wird er diesem auch nachgehen wird und er dich damit aber nicht verletzen will, sondern es eben ein Drang der Sucht ist.
welche art von unterstüzung und zuspruch deiner frau konnte dir helfen dir hilfe zu holen
Das sie mich nicht überzeugen/überredete/abhielt/zwang. Was meine ich damit: Das sie mir nicht drohte mich zu verlassen wenn ich nicht aufhöre, dass sie mich nicht zwang die Klotür offen zu lassen (was sie kurz tat, aber bald merkte dass das nicht hilft), mich einfach nicht kontrollierte und mich nicht bevormundete, sondern dass sie zu mir hielt, jedoch offen mit ihren Gefühlen mir gegenüber war. Das sie mich nicht zum Essen zwang wenn ich nichts essen wollte, sie aber einfach lecker für sich selbst ein Essen herrichtete und es rituell gestaltete ihr Essen zu essen (was mich dann doch zum Essen animierte). Die ES einfach nicht in den Mittelpunkt unserer Ehe zu stellen. Das sie annehmen und respektieren lernen musste, dass ich sie viele jahre belogen hatte und das ich sie immer wieder noch bzgl. meiner ES belügen werde (denn das Lügen ist ein Teil der Sucht). Das sie selbst aber nicht ihre eigenen Essgewohnheiten negativ umstellte (zB mit mir nicht mithungerte, selbst erbrach usw). Sie selbst hat eine ernährungsberatung bei so-what gemacht um sicher zu gehen, dass ihre Essgewohnheiten nicht abrutschen.
Jetzt hab ich grad geschrieben wie ich es erlebt habe - aber jetzt habe ich diese Frage meine Frau gefragt und ihre Antwort: "Einfach nix tun - damit meine ich einfach zu nix zwingen, einfach da sein für dich und dir zuhören, aber dich eben nicht zwingen"
was waren deine größten bedenken vor einer therapie und wie konntest du die bedenken ausräumen?
Ich ging schon in Therapie als ich begann auch von meiner Bulimie zu heilen. Denn ich war in einer Verarbeitungstherapie von s*x. M*ssbr**ch in meiner Kindheit. Aber Bedenken hatte ich vor der Therapie und natürlich auch Bedenken hatte ich längere Zeit meiner Thera von meiner ES zu erzählen: Für mich war es so, dass Männer alles alleine schaffen müssen und wenn ich psych. Hilfe in Anspruch nehme, dann bin ich Schwach und werde ausgelacht und ausgegrenzt. Aber ab einem gewissen Punkt konnte ich nicht umher in Therapie zu gehen, denn ich war ursprünglich „viele“ (multiple persönlichkeitsstörung) und das wurde alles ein reines Chaos.
? ist es positiv oder negativ mein essverhalten so anzupassen, dass er es leichter hat gesünder zu essen, was aber wiederum dazu führen könnte dass er noch weniger notwendigkeit in einer therapie sieht?
Also ich empfehle dein Essverhalten nicht zu verändern, was du natürlich machen kannst zu überprüfen ob dein Verhalten halbwegs gesund ist und eine Ernährungsberatung bei einem ES-Beratungsinstitut zu machen, aber ich würde das nicht für ihn machen, sondern eher noch für dich selbst. Was du machen kannst: gemeinsam kochen (aber keine Fertigprodukte wärmen sondern wirklich kochen), ihn dabei mit einbeziehen. Aber auch hier ist ein nicht-zwingen wichtig! Denn ES führt oft dazu den Bezug zu Nahrung/Nahrungszubereitung/Nahrungsmittel zu verlieren und durch das gemeinsame Kochen baut sich langsam dieser Bezug zu Essen wieder auf.
? und wie kam es dass du nun tatsächlich nicht mehr an bulimie leidest?
Wie kam es dazu? Der erste Kippschalter in mir erwachte, als meine blutwerte sehr schlecht waren, so mies, dass meine Ärztin meinte: „Wenn Sie nicht innerhalb einer Woche wieder essen und zumindest eine Mahlzeit davon behalten, dann muss ich Sie zwangseinweisen lassen“. Und der Satz war nicht nur eine leere Drohung: Du hast sicherlich nun schon etwas über Bulimie gestöbert und sicherlich schon gelesen was passiert, wenn der Kaliumwert auf 0 ist und genau das war bei mir der Fall. Genau da wurde mir bewusst: Wenn ich jetzt nix tue, dann bin ich weg vom Fenster und sehe demnächst das Gras von unten. Aus dieser Totesangst heraus bin ich aufgewacht und entschied wirklich davon loszukommen. Meine Frau alleine hat nur soviel damit zu tun, dass sie es war, die mich schon vor dem gerade erzählten auf meine ES aufmerksam machte. Dann natürlich meine Therapie und meine liebe fürsorgliche Frau. Für mich war auch wichtig, von meiner Kindheit zu heilen.
So ich hoffe das hilft irgendwie
Lg
Mart1