An Dirki und e

#1
Hallo ihr Beiden,
zuerst einmal ein dickes Lob an Euch, dass ihr Euch so viele Gedanken um Eure Freundinnen macht. Ich selbst habe seit 16 Jahren Bulimie, vor etwas über einem Jahr wurde es so schlimm, das kein Aufhören mehr möglich war. Inzwischen bin ich in Therapie und sehe mit etwas Abstand viele Dinge anders und zum Glück auch wieder normaler.
Bulimie ist eine ernsthafte Krankheit, aber sie ist nur ein Symptom, für das es immer auch eine Ursache gibt. Diese Ursache liegt oft sehr weit zurück, bei mir war es meine Kindheit. Ohne Liebe und mit einen schlimmen s*x**ll* Erlebnis konfrontiert, war mir eine Partnerschaft lange nicht möglich. Mein erster Freund, den ich sehr liebte, hatte genau so zu leiden wie ihr. Das was ich am meisten wollte, nämlich Zärtlichkeit und Liebe, das konnte ich weder geben, noch annehmen. Erklären konnte ich es damals nicht, heute schon. Da war mein ekliger, fetter Körper, der aber nur in meinem Kopf wirklich so war und an den konnte ich auch keinen ranlassen. Da hilft es auch nicht, wenn andere sagten, ich sei hübsch. Das ist ungefähr so ( Achtung jetzt wird's hart! ), als wenn ihr in die Hose geschissen habt und just in dem Moment will Euch Eure Freundin in den Arm nehmen. Ich hatte auch dieses negative s*x**ll* Erlebnis, wie konnte ich da Sexualität als etwas schönes empfinden - ich habe mich sogar gewehrt, es als schön zu empfinden, selbst wenn es das war. Bulimie ist eine einsame Sucht, man versucht krampfhaft die Fassade aufrecht zu erhalten, setzt die Maske auf und spielt das heile Leben. Da ist diese Angst, vor dem verlassen werden. Welcher Mann hält es schon mit einer ewig unzufriedenen, heulenden Frau aus, deren Probleme von Tag zu Tag mehr werden, ohne Aussicht auf eine Lösung. Bei mir kam dann noch eine Depression dazu, das war noch einmal eine Verschlimmerung meiner ganzen Situation. Tage und Nächte lethargisch ohne Antrieb verbracht, nur noch heulend und der Wunsch endlich zu sterben. Ich wollte meinen Partner mich selbst nicht mehr zumuten, hatte enorme Schuldgefühle ihn gegenüber. Ich sah, dass ihn das auch alles belastete und konnte damals nichts dagegen tun. Da kam es dann zu ganz unverständlichen Reaktionen. Hatte ganz viel Angst, dass er mich verlässt und deshalb habe ich mich ihm gegenüber noch viel schlimmer benommen. Ihn provoziert, runtergemacht, angeschrien, aber das war doch nur die Reaktion auf diese Angst. Frei nach dem Motto, er wird mich sowie so verlassen, also ekel ich ihn vorher raus, dann tut es nicht so weh! Konnte mir wenigstens einreden, dass ich ihn dann verlassen habe und nicht er mich.
Ihr seht, diese ganzen paradoxen und für Euch unverständlichen Situationen sind verständlich, wenn man hinter die Kulissen schaut.
Gebt bitte Euren Kampf nicht auf, es ist schwer, aber es lohnt sich. Ihr seit teilweise der einzige Bezugspunkt für Eure Freundinnen. Fragt schonend und behutsam, wie es ihnen geht, aber ohne Druck. Informiert Euch über die Essstörung, damit ihr sie besser verstehen könnt. Sucht Euch Rat in den verschiedenen Foren und bleibt untereinander in Kontakt ihr Zwei.

Herzliche Grüße vom Seehund

#2
Hallo Seehund!

Vielen lieben Dank, dass du dir so viel Zeit genommen hast, um mir und e deine Situation und deine Gefühle in deiner Beziehung zu beschreiben.
Und natürlich auch vielen Dank für die Tips, die du uns gibst.

Du kannst ja wirklich verdammt stolz auf dich sein, dass du es nach 16 Jahren geschafft hast, ein normales Leben zu führen!!! Da kann man wirklich nur den Hut ziehen!

Deinen Zeilen entnehme ich, dass du der Meinung bist, dass man die Bulimie nur überwinden kann, wenn man die Ursache dafür kennt und sich damit auseinander setzt? Hab ich Recht?
Denkst du denn, dass du es ohne Therapie nicht geschafft hättest?
Wie hast du es geschafft, wieder einen Bezug zu deinem Körper zu finden, wie siehst du ihn denn jetzt, wenn ich fragen darf?

Viele liebe Grüße,
Dirki

#3
Hallo Seehund...

danke für die aufbauende Zeilen... aber leider sind sie "vielleicht" zu spät.

Wenn das ein Schema ist, dann bin ich wieder im Jänner mit ihr zusammen, wenn nicht dann nicht....

Nach 1 Jahr und 3 Monaten (exkl. 3 Monaten Schluss) ist es mal wieder soweit. Wieder mal Schluß....
Endgültig oder nicht?das hier ist die Frage...

ich möchte ihr so gern helfen doch weiss ich nciht wie. Wie ich mal erwähnt habe werde ich bald eine neue Wohnung haben. Vielleicht hilft sie mir beim Einziehen und einrichten, sie würde es gern tun. Vielleicht ist das der fehlende nächste Schritt das Gefühl einer möglichen gemeinsamer Zukunft. Sie hat es schon mehrmals angesprochen, aber es war bis dato nicht möglich. Tja schauen wir mal... vielleicht habt ihr ein paar Ratschläge

lg
e

Antwort auf Deine Fragen

#4
Hallo Dirki,

entschuldige bitte die verspätete Antwort - hatte Prüfungstress.
Eines muss ich allerdings gleich mal richtig stellen. Ich habe seit 16 Jahren Bulimie, aber ich bin noch meilen weit entfernt ein normales Leben zu führen. Ich kotze seit ungefähr 3 Monaten nicht mehr und besuche regelmäßig eine Beratung der Suchthilfe, die sich auch mit
diesen Thema beschäftigt. Soweit zu mir und nun zur Beantwortung Deiner Fragen:

Ja, Du hast es völlig richtig erkannt, Bulimie kann man nur überwinden, wenn man die Ursachen kennt und sich damit auseinander setzt. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie oft ich einfach wieder normal essen wollte, aber immer wieder rückfällig wurde. Es geht nämlich gar nicht darum, sein Essverhalten in den Griff zu bekommen, sondern ich muss lernen, die Situation, die zu diesen Fressanfall führt auf andere Weise als mit essen zu überstehen und zu meistern. Alle essgestörten Menschen haben ein total falsches Bild von sich und ihrer Umgebung, in das sie sich regelrecht hineinsteigern - ein Süchtiger denkt nicht mehr reell.
Das merke ich jedes Mal nach meinen Gespräch mit der Beraterin. Wenn man da niemanden hat, der diese falschen Sachen wieder gerade rückt und einen auch mal Ansätze zur Lösung bietet, nein, alleine schafft man es nicht. Für mich steht übrigens auch ein Klinikaufenthalt an, mit psychologischer Betreuung. Bei mir gibt es noch eine Menge anderer komplexer Probleme, die kann ich nicht zu Hause in meinen 4 Wänden lösen, da brauche ich professionelle Hilfe.
Einen Bezug zu meinen Körper zu finden fällt mir im Moment sehr, sehr schwer. Ich habe eine Sache angefangen und war von Anfang an überfordert. Mein einziges Ventil war wieder Unmengen zu fressen und da ich ja auch nicht mehr kotze, bin ich so dick wie nie, vor einem Monat habe ich noch Größe *, jetzt *. Es ist wirklich ein stündlicher Kampf, den ich aber gewinnen will. Ich habe eine viel bessere Lebensqualität, vorher hat die Sucht komplett mein
Leben beherrscht. Immer diese Heimlichkeiten, die Ausreden und die Fassade, die ständig aufrecht erhalten werden musste. Nicht zuletzt waren es auch die jahrelangen gesundheitlichen Folgen, der Körper macht da ja echt lange mit, aber irgendwann ist eben Schluss. Da freunde ich mich doch lieber mit meinem Übergewicht an, das haben nämlich mehr Leute als man denkt, der Bulimiker sieht so etwas bloß nicht.
Ich bin nun gestern durch die Prüfung gefallen und es war ein echt harter Schlag für mich. Aber ich habe nur ein Leben und das ist es wert gelebt zu werden!
Zum Schluss noch mal zu etwas anderem. Ich habe noch Deine restlichen Mails gelesen, die Du in der Zwischenzeit geschrieben hast. Dich beschäftigt ja ziemlich stark der Gedanke, dass Du manchmal selber nicht mehr kannst. Eine Beziehung mit einen (Ess) Süchtigen ist immer sehr schwer, allein schon der Zustand nicht wirklich helfen zu können, Hilflos zu sein, dann noch dieses ständige Wechselbad der Gefühle von Seiten Deiner Freundin. Ich denke, Du solltest alle diese Gefühle zu lassen und auch darüber mit Deiner Freundin reden. Mich hat es zum Beispiel immer gestört, dass mein Freund so stark war, mir hätte es mehr geholfen, wenn er mir gesagt hätte, wie ihm zumute ist. Diese kleinen Schwächen machen Dich doch gerade sympathisch und Kraft beweist Du eigentlich mit jedem Tag, den Du mit Deiner Freundin zusammen bist.

Liebe Grüße vom Seehund