Meine Freundin leidet an Bulimie-Was kann ich tun

#1
Hi!
Ich bin wahrscheinlich der X-te der im Grunde die selbe Situation beschreibt aber ich denke doch das sich jede etwas unterscheidet und deswegen schildere ich euch kurz unsere.

Ich 23 und meine Freundin 22 sind seit knapp 6 Jahren zusammen. Es lief jedoch fast die letzten 3 Jahre nicht wirklich gut, aber dazu später mehr. Vor ca. 3-4 Jahren sagte meine Freundin mir das erste mal das sie Bulimie hätte, jedoch war ich damals überhaupt nicht informiert und habe das ganze leider nicht ernst genug genommen. Wir sprachen zwar drüber aber nicht wirklich tiefgreifend, hätte ich mich damals gescheit informiert wäre ich mit Sicherheit tiefer drauf eingegangen! Ich war zwar Aufmerksam geworden wenn sie aufs Klo ging etc. aber sie meinte mit der Zeit sie hätte es aufgeben können und ich glaubte das naiv, und das Thema verlor sich so langsam.

Vor knapp 2 Jahren nahm sie eine große Zahl an Pillen zu sich, sagte es aber ihrer Mutter und wir fuhren dann zusammen noch rechtzeitig ins Krankenhaus! Sie hat mir nie wirklich erzählt warum sie das getan hat, da unsere Bezihung in der Zeit nicht gut lief.

Ende letzten Jahres haben wir uns dann das erste mal getrennt, da wir beide wussten dass sich irgendwas ändern muss bei uns. Wir sind aber nach 1 Monat wieder zus. gekommen weil wir beide merkten wie wir uns brauchen und lieben.
Nach ca zwei Wochen habe ich zufällig mitbekommen als sie erbrach. Ich wusste zunächst nicht ob ich sie drauf ansprechen sollte aber ich konnte einfach nicht neben ihr sitzen und nix sagen! Zuerst leugnete sie es, gab es dann schließlich doch zu. Sie erzählte mir dass sie nie wirklich aufgehört hatte und auf die Frage ob sie eine Therapie in Erwägung ziehen würde, meinte sie nein denn da würde sie gesagt bekommen dass sie dieses Problem nicht eigenständig lösen könne, und das wäre das schlimmste für sie!

Sie erzählte mir auch dass das ganze mit einem weiteren Problem zusammen hängen würde, nämlich dem Rauchen! Sie hätte solche Schuldgefühle da sie das Rauchen nicht aufhören kann und somit ihre Mutter nicht von den Zigaretten abbringen könne obwohl diese doch u.a. Schlaganfälle begünstigen. Ihre Mutter erlitt bereits einen leichten Schlaganfall vor ca. 2 Jahren.

Ich versuchte sie zu überzeugen eine Therapie zu starten oder zumindest ein Beratungsgespräch zu besuchen und sie meinte, dass ich sie noch einmal versuchen lassen soll es selbst zu schaffen. Sie wollte zunächst aufhören zu Rauchen um damit den (angeblichen) Kern der Krankheit zu bekämpfen und um dann die Bulimie selbst anzugehen. Sie hatte es ca. 10 Tage geschafft nicht zu rauchen aber ihre Mutter fing wieder an und da gab es dann in ihren Augen keinen Grund mehr aufzuhören. Sie sagt immer ihre Gesundheit ist ihr egal nur was ihre Mutter, ihren Bruder oder mich angeht, dass ist ihr wichtig!

Nun für mich war die Nachricht dass sie wieder raucht ein schock, denn das hat den ganzen Prozess zum erliegen gebracht! Ich bin erst seit dem ich sie beim Erbrechen erwischt habe wirklich informiert über die Krankheit und mache mir nun große Sorgen da ich nicht einmal im Ansatz wusste welche körperlichen Schäden die Bulimie nit sich zieht!!!

Der letzte stand der Dinge ist der, dass sie mir versprochen hat wenn sie aus dem Urlaub bei ihrer Familie in Iran zurück ist, sie ein Beratungsgespräch aufsuchen will.

Meine Fragen sind nun:
- Will sie wirklich damit aufhören und zu einem Beratungsgespräch gehen oder sagt sie mir dass zu Beruhigung?Gibt es dafür Anzeichen die man erkennen kann ob es nur vorgetäuschtes Bemühen ist?
- Wenn sie für sich selbst den Grund für die Bulimie schon ausgemacht hat ist die Therapie unbedingt nötig oder irrt sie vielleicht in dem Grund und es ist etwas ganz anderes die Ursache?
- Welche Art von Therapie ist am besten? Gibt es da öffentliche und private Einrichtungen an die man sich wenden kann, und hat eines von beiden Vorteile weil ich mir vorstellen kann das so Institutionen wie Carritas eher unpersönlich sind? Wir wohnen in München also es dürfte an Kontaktadressen nicht mangeln,habe auch schon einige ausfindig gemacht wie eben Carritas...
- Und natürlich wie verhalte ich mich am besten? Ich sagte ihr natürlich bereits dass ich ihr bei stehe und sie liebe egal was ist, aber soll ich sie dazu animieren das Beratungsgespräch zu machen und soll ich sie sonst auch darauf ansprechen wenn ich den Verdacht habe dass sie gard auf dem Klo ge... hat?

Ich hätte noch tausend weitere Fragen und hätte noch viel mehr erzählen können nur glaub ich, dass sich dann noch weniger finden die meinen Text durchlesen. Für die die sich die Mühe gemacht haben schonmal ein großes DANKESCHÖN und für Tipps und Ratschläge nochmal ein größeres:)

P.S. Ich finde es toll dass es Menschen gibt die völlig selbstlos handeln und z.B. so ein Forum auf die Beine stellen!!!! So etwas findet man heut zu Tage nicht mehr oft!!! Mach weiter so...
Daniel

#2
Hallo Daniel
also ich versuch dir ein wenig weiterzuhelfen.
1. Eine therapie ist unverzichtbar, ja es gibt öffentlich Einrichtungen (die auch nichts kosten), bei solch einer war ich heute. Von der evangelischen Kirche.
Das war ein "Erstberatungsgespräch", die Therapeutin hat mir dann Adr. von weiteren Psychotherapeuten gegeben und ich kümmer mich nun um einen Platz. Man braucht zwar geduld, das ist aber der erste Schritt. Zusätzlich werde ich an einer Gruppentherapie teilnehmen.
2. Deine Freundin hat dasselbe Problem, wie ich auch hatte. man lügt sich selbst (und andere) solange an, bis nix mehr geht.
Ich finds auch super von dir, dass du dir gedanken um alles machst. Nur versuch es nicht zu sehr, an dich heranzulassen. Helfen kann nur sie sich selbst. Du kannst sie eben nur unterstützen und das ist auch sehr viel wert.
Sprich mir ihr offen darüber, ich denke dann fast sie Vertrauen und wird sich dir im Gespräch öffnen. Rauchen wird wohl nicht die wahre Ursache sein !?
Naja, wünsch euch beiden auf jedenfall viel Glück und Kopf immer oben halten :)

#3
Zunächst einmal danke für deinen Rat. Ich bin auch der Meinung das eine Therapie unumgänglich is, und ich hoffe sie sieht das auch irgendwann mal ein. Was die Institutionen angeht möchte ich halt wenn wir einBeratungsgespräch aufsuchen, gleich einen Ansprechpartner der geeignet is und zu dem man vertrauen hat,wobei ich mir bei öffentlichen Einrichtungen vorstellen kann, dass das da eher unpersönlich is. Vielleicht täusche ich mich aber auch sehr darin. Wie waren denn eure Erfahrungen mit öffentlichen bzw. privaten einrichtungen so?

#4
hi tak!

i finde es super wie du dich um deine freundin kümmerst....ich glaube es ist sehr sehr wichtig für sie zu wissen dass du für sie da bist. das hilf ihr sicher ungemein!!
allerdings glaub ich auch, dass ihr da ohne professionelle hilfe nicht mehr rauskommt. es gibt verschied. möglichkeiten wie z.B.: therapie bei psychologen, selnbsthilfegruppen etc.... ich bin mir sicher dass du und deine freundin einen weg daraus finden werdet!

ich wünsche euch beiden viel glück und alles gute für eure zukunft!!

#6
Hallo Tak 47

Erst mal auch ein dickes Lob von mir, dass du so zu deiner Freundin stehst und ihr helfen willst. Denn dieser Weg ist verdammt schwer, nicht nur für sie sondern auch für dich. (ich könnte ein Lied davon singen, was ich meinem Liebsten manchmal zumute :roll: )

Na ja, aber erstmal zu deinen Fragen:

- Will sie wirklich damit aufhören und zu einem Beratungsgespräch gehen oder sagt sie mir dass zu Beruhigung?Gibt es dafür Anzeichen die man erkennen kann ob es nur vorgetäuschtes Bemühen ist?

Das kann ich dir leider nicht beantworten, da ich schlecht in ihren Kopf hineinsehen kann. Und ich kenne auch keine Anzeichen für vorgetäuschte Bemühungen. Versuch einfach ihr zu vertrauen und zeig ihr das auch. Das wird ihren Entschluss sicherlich unterstützen gegen die Bulimie zu kämpfen!

- Wenn sie für sich selbst den Grund für die Bulimie schon ausgemacht hat ist die Therapie unbedingt nötig oder irrt sie vielleicht in dem Grund und es ist etwas ganz anderes die Ursache?

Klar gibt es manchmal Gründe die ganz offenkundig sind. War bei mir genauso. Doch in der Therapie kommen meistens noch urplötzlich Dinge und Probleme hoch die man unterbewusst verdrängt hatte. Und diesen ganzen Wust zu entknäulen ist nicht leicht. Ich habe einige Gründe für meine Bulimie die Größer sind und von denen ich anderen auch erzähle, aber es gibt noch sehr viele andere kleinere Sorgen und Probleme die ich in der Therapie aufarbeiten muss. (und die ich früher sogar nie als Problem gesehen habe. Zumindest nicht bewusst wahrgenommen habe, weil ich sie mir nicht als Problem eingestehen wollte!) :arrow: Du merkst schon, ich kann leider immer nur von mir und meinen Erfahrungen berichten, aber vielleicht hilft es ja.


- Welche Art von Therapie ist am besten? Gibt es da öffentliche und private Einrichtungen an die man sich wenden kann, und hat eines von beiden Vorteile weil ich mir vorstellen kann das so Institutionen wie Carritas eher unpersönlich sind? Wir wohnen in München also es dürfte an Kontaktadressen nicht mangeln,habe auch schon einige ausfindig gemacht wie eben Carritas...

Mit der Carritas habe ich keine Erfahrungen. Sicher kann man sich da gut beraten lassen, aber Therapieren... weiß ich nicht. Ich war eine Zeit lang in einer Klinik im Sauerland, was mir sehr geholfen hat die Krankheit zu verstehen. Da ich dort wirklich abgeschottet von meiner früheren Umgebung war musste ich mich nun mit mir und mit der Krankheit intensiv auseinandersetzen. War oft hart, aber trotzdem unglaublich hilfreich und sogar schön (sich mit anderen Betroffenen auszutauschen).
Dann gibt es sicher auch bei euch die Möglichkeit eines Tagesklinischen Aufenthaltes. Das ist so, dass man morgend in die Einrichtung geht und an dem Therapieangebot teilnimmt. (man hat auch die Möglichkeit sich selbst Therapien auszusuchen). Und man bekommt natürlich Gespräche. Nachmittags kann man dann wieder nach Hause. Es ist also fast so, als wenn man einen "normalen" Arbeitstag verbringen würde. Morgens hin, nachmittags zurück :wink: (Hat mir auch sehr geholfen für den Übergang)
Und dann noch das, was ich zur Zeit mache: Ambulante Therapie. Ich gehe zwei bis dreimal die Woche zu dieser Tagesklinik und nehme an einer bestimmten Therapie teil. (so ca. 1 Stunde lang) und gehe danach wieder.


- Und natürlich wie verhalte ich mich am besten? Ich sagte ihr natürlich bereits dass ich ihr bei stehe und sie liebe egal was ist, aber soll ich sie dazu animieren das Beratungsgespräch zu machen und soll ich sie sonst auch darauf ansprechen wenn ich den Verdacht habe dass sie gard auf dem Klo ge... hat?

Tja schwierige Frage. Ich glaube das direkt darauf ansprechen wenn sie auf dem Klo gekotzt hat ist nicht so zu empfehlen. Sie fühlt sich deswegen sicher schon schlecht genug und bekommt wahrscheinlich ein richtig schlechtes Gewissen wenn sie weiß dass du es mitbekommen hast! Mir zumindest wäre das verdammt peinlich und ichwürde mich schnell ins Schneckenhaus zurückziehen aus Scham. Vielleicht kämst du dann schlechter an sie heran, wenn sie dir gegenüber solche Schamgefühle aufbaut. Aber ich weiß es halt nicht, ob sie wirklich so denkt und fühlt. Alles nur Theorie aus meiner Sicht :roll:
Wie du sie zu dem Beratungsgespräch animieren kannst?! Versuch einfach zu zeigen, dass du es klasse findest dass sie sich dazu entschieden hat diesen SCHWEREN Schritt zu gehen. Dass du sie auch begleiten würdest wenn sie davor Angst hat, um ihr beizustehen.
Aber dräng sie nicht zu sehr. Sei einfach da wenn sie deine Hilfe braucht und in dem Augenblick auch annehmen kann!

So, das war es erst mal. :wink: Ist ja auch schon genug geschrieben. Und wenn du noch mehr Fragen hast, dann bist du hier im Forum richtig!

L.G. Seelenvogel

#7
Wow erstmal bin ich dir sehr dankbarl für die ausführlichen Ratschläge Seelenvogel, denn jede Antwort lässt mich die Krankheit etwas besser verstehen und bringt mich weiter! Ich finde auch dass das Forum richtig toll is, man merkt dass die Leute hier helfen wollen so gut sie können.

Wie ist das mit den Therapien eogentlich, muss man sich für einen Platz bewerben und hoffen dass noch einer frei is? D.h. kann es sein dass man nicht sofort eine Therapie beginnen kann wenn auch man wollen würde? Ich könnte mir vorstellen dass Therapien die nicht ambulant sondern "stationär" sind nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt begonnen werden können. Übernimmt sowas die Krankenkasse?
Mit welcher Art von Therapie sollte man beginnen (ambulant/stationär)?

Danke im vorraus für eure Antworten.

#8
Hallo Tak47

Bei mir war das in den Therapien so, dass es mir angeraten wurde erst einmal stationär zu gehen um "raus" aus meinem Umfeld zu kommen. Mir persönlich hat das auch gut getan, aber ich denke das ist individuell verschieden. Man kann sowohl stationär als auch ambulant oder teilstationär beginnen. Während der Therapie kann man immernoch wechseln wenn man bemerkt dass einem eine Therapie nicht weiterhilft.

Die Krankenkasse übernimmt normalerweise schon die Kosten (war bei mir so). Und wenn der Krankengeldantrag ausläuft nach einem betimmten Zeitraum dann übernimmt das Arbeitsamt und man bekommt Arbeitslosengeld (auch wenn man noch krank geschrieben ist und noch nicht arbeiten kann). Oder im Notfall zahlt auch das Sozialamt. Also Geldsorgen dürften eigentlich nicht das Problem sein wenn man eine Therapie anfangen will. Ich weiß leider nicht wie das ist wenn man noch bei seinen Eltern wohnt, ob die Ämter dann von ihnen Geld verlangen oder so. Da bin ich dann überfragt :wink:

Zu dem Zeitraum wann man aufgenommen werden kann... das ist von Klinik zu Klinik unterschiedlich. Ich musste für meine stationäre Aufnahme zum Glück nur zwei Wochen warten, da dort gerade noch ein Platz frei war, aber es kann auch Monate dauern bis man einen Platz zugesagt bekommt. Das ist sowohl stationär, teilstationär und ambulant so. Die Kliniken und Ärzte die psychicsche Probleme behandeln sind irgendwie immer überlaufen :roll: Wartezeiten sind also immer mit einzuplanen!

Und natürlich werden Patienten eher aufgenommen wenn sie sich auch wirklich behandeln lassen wollen, sonst bringt ja die ganze Therapie nichts :wink:

Seelenvogel