Ich entdecke Parallelen zu einer Klassenkameradin...

#1
Ok, ich muss mir mal was von der Seele schreiben...

Nachdem ich die Schule gewechselt habe, um die Oberstufe zu besuchen, bin ich natürlich mit meinen zwei Freundinnen in einer neuen Klasse und wir haben mit den Leuten wirklich Glück gehabt.

Letzte Woche waren wir für zwei Tage auf einer Kennenlernfahrt und obwohl wir uns alle eigentlich kaum kannten, waren alle offen und freundschaftlich und alles. Allerdings gibt's da ein Mädchen, das einfach keinen Anschluss findet... in der Schule sitzt sie selbst in den Pausen alleine in der Klasse auf ihrem Platz und ist zur Außenseiterin geworden. Teilweise ist es auch ihre Art, manchmal kritisiert sie die Leute etwas direkt, was nicht besonders gut ankommt. Es kommen Kommentare wie "die kann mit ihren Blicken töten", "ihr Lächeln erreicht gar nicht ihre Augen" u.ä. Sie tut mir ziemlich Leid, also hab ich ein wenig Kontakt mit ihr geknüpft...

Meine Freundin, die mit ihr im Ethik-Unterricht ist, hat mir nun erzählt, dass sie vor kurzem aus der Klasse geholt werden musste, da ihr Großvater gestorben war, und sie muss ziemlich zusammengebrochen sein, und hat meiner Freundin, als sie mit ihr rausging, ihr Herz ausgeschüttet: Sie hatte vor längerer Zeit Magersucht gehabt, sie habe eine schwere Krankheit, die tödlich verlaufen könne, auch wenn die Ärzte sagen, dass sich damit umgehen lässt, und ihre damaligen Freundinnen hatten sie im Stich gelassen, als sie dies erfuhren...

Bei der Kennenlernfahrt hielt sie sich ein wenig an mich, sie versuchte auch, bei den anderen zu sein, doch niemand wollte sie wirklich einbeziehen.
Dann wurde bekannt, dass sie nur * pro Tag isst und ansonsten nur Wasser. Daraufhin versuchten alle Mädchen, ihr etwas von den Süßigkeitenvorräten aufzudrängen, was sie natürlich alles ablehnte.

Meiner Freundin platzte kurz vor der Abfahrt der Kragen, als dem Mädchen schlecht wurde, sie aber trotzdem nichts essen wollte und warf ihr ziemlich viele Dinge an den Kopf: Fände sie so eine Knochenfigur etwa hübsch, sie solle verdammt noch mal etwas essen, sie würde im Krankenhaus landen usw. Schließlich verließ sie den Raum mit den Worten "Mach doch was du willst, wenn's dir so gefällt, kann ich auch nichts machen". Irgendwie hat sie ja Recht. Es war übrigens auch die Freundin, die mir dasselbe gesagt hatte und immer noch ihre Kommentare fallen lässt... aber es ist hart, das zu hören.

Na ja, das Mädchen behauptete, eine Lebensmittelallergie zu haben und dürfe kein Weißmehl essen, als meine Freundin ihr ein Brötchen unter die Nase hielt... sie hat mir so Leid getan, sie war den Tränen nahe und hatte sich kaum gewehrt.

Irgendwie hab ich sie dazu gebracht, nach einer Vollkornbrotscheibe Ausschau zu halten (ich sagte, wenn ihr im Bus wirklich schlecht werden würde, wäre es besser, als nur Magensäure von sich zu geben).

Ich bin dann mit ihr an die frische Luft gegangen und hab mich ganz vorsichtig herangetastet. Zunächst beharrte sie auf ihre Lebensmittelallergie, bis ich schließlich von mir selbst offenbarte, an Essstörungen gehabt zu haben (hab ich immer noch, aber das behielt ich für mich).
Nach und nach gab sie dann zu, kaum noch zu essen und auch Angst zu haben, zuzunehmen. Ich hab ihr von meinen eigenen Erfahrungen erzählt, wie ich's damals zumindest aus meiner Magersucht geschafft hatte... sie war vollkommen perplex, dass ich so was hätte, schließlich war ich in den letzten zwei Tagen fast ausschließlich am Essen gewesen (ohne auf's Klo zu rennen! *stolzbin*) und trotzdem ziemlich schmal bin (*nichtganzsostolzbin*).

Zu Hause ließ ich mir das alles nochmal durch den Kopf gehen und vielleicht war's die Erschöpfung oder so, aber es hat mir fast das Herz gebrochen. Ich stand in der Küche und mir kamen die Tränen, einfach aus Mitleid für sie, aus Wut über mich, dass ich versuche, jemandem zu helfen, obwohl ich selbst mittendrin stecke, über das Verhalten der anderen und so weiter. Es ist unglaublich schwierig... also ich würde mich über ein paar Kommentare von euch freuen... :(

#2
Hi!

Hab mir mal die zeit genommen diesen Beitrag zu lesen, weiß allerdings gar nicht so recht, was ich antworten soll. Nur diese geschichte ist ziemlich traurig! Ich glaube, dieses mädchen ist dir sehr dankbar, dass du dich mit ihr unterhalten hast. Wird ihr sicher guttun! Ist alles ne ziemlich heikle sache diese magersucht. :(
Hm, ich weiß gar nicht, was ich jetzt dazu sagen soll... wollt einfach auch nur, dass du weißt, dass ich diesen beitrag gelesen habe und darüber nachgedacht habe... Vielleicht kannst du diesem mädchen ja irgendwie helfen?
Ich wünsch dir und dem mädchen viel Glück und Hoffnung!

Aspiration

#3
Hey, vielen Dank für deine Antwort! Du hast schon Recht, da gibt's eigentlich auch nicht zu viel zu antworten...^^"
Na ja... ich weiß nicht, wie und ob überhaupt ich ihr etwas geholfen hab, aber sie scheint wirklich nicht mehr viele Freunde zu haben, wenn überhaupt welche. Ich meine meiner Freundin hat sie damals wirklich alles erzählt, wovon sie sagte, dass sie bisher mit noch niemandem darüber geredet hatte... und ich mein, wenn man Dinge, die man eigentlich immer für sich behalten hatte, quasi einer Fremden erzählt... :(

Danke... ich glaub, dass kann sie brauchen (und ich auch) :)

#4
Hallo!

Ich kann deine Gedanken unwahrscheinlich gut verstehen. Es macht mich auch immer total fertig, essgestörten Menschen zu begegnen.Hab mich darüber sehr gewundert, weil ich ja mir selbst gegenüber überhaupt kein Mitleid habe...Und genau das ist der Punkt:

Du erkennst dich in diesem Mädchen wieder.Zu sehen, das es ihr so ergeht wie es dir ergangen ist, macht dich unwahrscheinlich wütend. Wütend, weil es so viele Mädchen gibt, die genau den selben "Blödsinn" machen (hungern, kotzen etc) wie du. Aber anstatt das Mitleid, die Wut nur auf dieses Mädchen zu beziehen, solltest du sie auch dir selbst eingestehen. Sei wütend auf die blöde Bulimie, die soviel zerstört.Und sei nett zu dir selbst. Nimm dich auch mal in den Arm und tröste dich!

Sicher kannst du diesem Mädchen helfen, weil du dich in sie hineinversetzen kannst,sie genau das spüren und offen zu dir sein kann, aber vergiss nicht, dass es dir auch schlecht geht und dir selbst auch manchmal was gutes tun darfst.


Hoffe, du hast mich verstanden. Der Beitrag klingt doch etwas konfus..

Ich drück dich Maikäfer
Sinn liegt nicht in den Dingen,sondern dazwischen..

#5
Konnte voll mitfühlen als ich las, was du geschrieben hast!!!

Wie ist es denn jetzt. Siehst du sie noch. Sieht man ihr die ES an?#


Flügelchen

#6
Sorry für die späte Antwort :oops:

@Maikäfer: Es hört sich tatsächlich etwas merkwürdig an, zu sich selbst nett zu sein, wie du's beschreibst und sich mal selbst zu umarmen... es erinnert an diese Klischees über Therapien, doch ich befürchte du hast Recht. Für die Leute, welche solche Probleme nicht haben, wirkt's wahrscheinlich lachhaft. Aber du hast Recht, es ist dringend nötig, wieder an Selbstrespekt zu gewinnen.
Genau deshalb zögere ich, ihr weiter meine Hilfe anzubieten, es ist so unglaublich paradox: Jemand, die selbst mitten in der Scheiße steckt, versucht, jemand anderem die Hand zu reichen und ich habe Angst, ihr falschen Rat zu geben... ich bin das beste Beispiel dafür, dass die Hilfe, die ich mir ausgedacht habe, herauszukommen, wohl nicht gerade fruchtet, sonst würde ich ja nicht ständig rückfällig werden. Aber was soll ich denn machen? Ich kann mich nicht blind stellen und denken, dass sie mir egal sein kann, dafür ist meine Sympathie für sie zu groß.

Na ja, gestern hat die Schule wieder angefangen und ich seh sie jetzt wieder regelmäßig. Anfangs bin ich davon ausgegangen, dass sie von Natur aus etwas schmaler ist, ungefähr wie bei meiner besten Freundin, die lang und dünn ist, mir fiel auch nicht auf, dass sie in der Schule nie was isst, da wir uns in den Pausen eigentlich nie sehen. Heute hab ich nach ihr Ausschau gehalten, konnte sie aber nicht finden... jedenfalls ist sie ein Stück größer als ich, ihre Beine sind recht dünn, ansonsten trägt sie nur weite Pullis. Sie schminkt sich nicht und wirkt etwas bleich im Gesicht und hat leichte Augenringe. Also sie wirkt schon etwas kränklich, zuvor hab ich mir das damit erklärt, dass sie nun mal diese Krankheit hat, obwohl ich im Hinterkopf ahnte, dass sie eine Essstörung haben könnte.

Heute konnte ich mir wieder mitanhören, wie über sie gelästert wurde, und so langsam hab ich genug, von wegen sie sei hässlich, dumm, hätte einen bösartigen Ausdruck und so weiter. Ich glaub, wenn ich das noch einmal mitbekomme, mache ich mir Feinde.