Ich bin neu hier

#1
Ich weiß nicht ob ich das jetzt richtig gemacht hab mit den verschiedenen Forumsthemen und so... wenn nicht: Tschuldigung

Hallo zusammen,
ich bin ehrlich gesagt ein bissl nervös – auch wenn ihr mich ja nicht sehen könnt fühl ich mich irgendwie ausgeliefert wenn ich das schreib.
Seit gut einer Woche hat es bei mir Klick gemacht und ich hab mir eingestanden, dass ich ein Problem habe. Erst dachte ich noch ich steh ganz am Anfang der Bulimie und will da nicht hineinrutschen und brauche darum Hilfe – nach ein paar Tagen in denen ich mir Symptome, Erfahrungsberichte, Videos,… usw angeschaut habe stellte ich dann fest, dass ich wohl nicht hineinrutsche, sondern schon mitten drinnen bin.
Bis dahin habe ich es ja als normal angesehen, Gegenmaßnahmen nach einer Heißhungerattacke zu ergreifen, ich dachte dass es ja nicht so schlimm ist. Natürlich habe ich ja auch ein perfektes Doppelleben geführt. Da ich aus Erfahrung nun wusste, dass ich keine Lebensmittel im Zimmer haben darf, da ich die ja früher oder später doch (fr)esse, hab ich auch keine mehr zur Verfügung gehabt (ich bin Rezeptionistin in einem Hotel und wohne auch da – das Angebot an vielen, sehr leckeren Speisen ist da natürlich sehr groß). Klick hats bei mir aber dann gemacht als ich in einer Heißhungerattacke aber abends nochmals aus dem Zimmer bin und mir im Hotel Lebensmittel gekrallt hab – ich weiß ja wo ich die finde, das Problem hier war dass ja immer Menschen um mich sind. So habe ich den Kühlraum und das Lager als meinen Kühlschrank angesehn und da wir im Hotel essen dürfen was wir wollen fand ich es auch anfangs nicht besonders schlimm, Lebensmittel zu stehlen und die dann mehr oder weniger wegzuwerfen. Paradoxerweise find ich es aber ganz schlimm wenn ich täglich seh, was da bei uns im Müll landet – gute Sachen die ich soooo gern essen würde! Aber natürlich verbiete ich mir die alle – in Gegenwart der anderen hab ich ja nur meine erlaubten gesunden Lebensmittel gegessen… die verbotenen wurden so schnell wie möglich entweder im Kühlhaus reingestopft oder ich hab die da irgendwie schnell rausgeschmuggelt.
Vor kurzem hab ich dann eben einigen Menschen, denen ich vertraue, davon erzählt und um Hilfe gebeten. Dazu zählen zwei Kolleginnen (eine vormittags, die andere nachmittags – da konnte ich dann ein bissl Selbstkontrolle abgeben, denn die wissen ja was ich da tu wenn ich ohne Grund im Kühlhaus verschwinde), mein Freund, zwei männliche Freude (deren Exfreundinnen hatten ebenfalls Bulimie), mein Bruder, Mama und Papa. Alle sind sehr verständnisvoll und versuchen mich zu verstehen und mir zu helfen indem sie mir zuhören. Ich habe mir schon Bücher bestellt und mich über Selbsthilfegruppen informiert (da kann ich aber erst im Oktober hin, da ich wegziehen werde) und war beim Hausarzt wegen Blutabnahme (Elektrolythaushalt wird untersucht).
Gestern habe ich dann einige Tests zu HSP gemacht – ich bin nicht hochsensibel, aber doch schon sensibler als andere. Das hilft mir jetzt auch, manche Verhaltensweisen von mir zur verstehen und jetzt habe ich nicht mehr so das Gefühl, dumm, naiv, zickig, schwach oder komisch zu sein. Weiters wurde mir klar, dass ich die letzten Jahre nicht nur ein Doppelleben, sondern auch eine Rolle gelebt habe. Den kontaktfreudigen, offenen Menschen, der wildfremde Menschen anquatscht, den gibt es eigentlich gar nicht; ich wollte nur irgendwann so sein, lauter und beliebter, weil mein eigentliches, schüchternes, ruhiges Wesen unterging, nicht gesehen und gehört wurde. Darum habe ich meine „Vorbilder“ kopiert und durch den Job als Rezeptionistin meine Rolle perfektioniert, bis ich davon überzeugt war, dass ich das tatsächlich bin. Meine Hobbys wie malen und zeichnen habe ich aufgegeben – lieber fing ich an in meinem Zimmer in der Freizeit Gleichungen zu lösen und ein Buch über Kernphysik zu lesen: ich hasse Mathematik und Zahlen, ich kann damit nichts anfangen. Und trotzdem dachte ich mir es hat einen größeren Nutzen für die Umwelt in der ich lebe und ich krieg Anerkennung dafür. Ich bin mir nicht sicher aber ich glaube ich strebe nur nach Anerkennung, Bewunderung und dem Gefühl begehrt zu sein. Das weiß ich aber nicht weil ich Angst habe, zu tief in meinem verletzten Ich zu graben. Mein Selbstwertgefühl ist ziemlich tief – ein Grund dafür ist wohl auch meine Mutter, die mir in der Pubertät (damals war ich deutlich dicker) schützen wollte indem sie sehr, sehr verletzende Dinge gesagt hat (Friss nur rein in deinen blöden Schädel! Die anderen können sich das erlauben, du nicht! Du züchtest Fettzellen, du schaust furchtbar aus!). Ja das sind so einige Beispiele – auch wenn mein logischer Verstand sehr wohl weiß, dass das nicht mehr der Fall ist, so erinnert mich doch die innere Hexe ständig daran – und dann wird wieder gehungert.
Die letzten beiden Tage ging es mir sehr gut, ich hatte keinen Heißhunger und der tägliche morgendliche Gang zur Waage war sehr zufriedenstellend.
Und jetzt bin ich in einem Dilemma weil ich denke: wenn du keine Heißhungerattacken mehr hast und auch nicht kotzen willst und trotz normalen Essen (also eher Hungern) trotzdem abnimmst – hast du dir das vielleicht alles nur eingebildet? Bist du vielleicht gar nicht krank? Wenn es dir gut geht kannst du ja nicht krank sein? Und wenn du nicht mehr solchen Hunger verspürst dann muss das doch genügen – oder sollte ich weniger essen?
Das verwirrt mich innerlich – einerseits freu ich mich natürlich wenn nicht Weltuntergangstimmung herrscht, ich nicht das Verlangen hab irgendwas schnell in mich reinzustopfen und ich mich körperlich nicht erschöpft fühle. Andererseits macht es mich auch ganz nervös, weil ich mir selbst nicht traue. Bild ich mir das also nur ein?
Vielleicht kennt das einer von euch – es würde mir helfen eure Meinung zu hören. Wenn ihr das Gefühl auch kennt dann gebt mir bitte Bescheid – dann wüsste ich nämlich dass ich nicht spinne.
Eigentlich wollt ich gar nicht so viel schreiben – aber ich stell das jetzt mal so rein ohne es nochmals gelesen zu haben (sonst manipulier ich mich vielleicht wieder nur selber)

Vielen herzlichen Dank im Voraus
Trust Yourself

Re: Ich bin neu hier

#2
Hallo Hauzibauzi2016 :)

Ich weiß zwar nicht, ob das jetzt eine Rolle spielt, aber ich bin auch Neuling im Forum. Ich wollte selbst grad einen Thread öffnen, bin aber dann durch Zufall auf deinen gestoßen und muss dazu einiges loswerden:

Zunächst mal find ich super, dass du dich überwunden hast, dich an jemanden zu wenden. Ich denke mit Gleichgesinnten reden, kann nur helfen.
Und nun zu dem Gleichgesinntsein - ich lese deinen Text und kann dich dabei SO gut verstehen, als hätte ich ihn selbst verfasst!

Kurz zu meiner Person: Ich bin 21, leide seit gut 2 1/2 Jahren an Bulimie, wobei sichs bei mir in den letzten Monaten in Richtung Anorexie entwickelt, aber ist im Grunde ja wayne...Krankheit ist Krankheit
Wenn ich dich richtig verstanden habe, redest du dir ein, im Großen und Ganzen eh gesund zu sein, richtig?
Ich habe erst vor zwei Monaten begonnen zu erkennen, dass ich krank bin und dass ich nicht abnehme, weil ichs "einfach kann" und so toll bin, sondern weil ich meinen Körper peinige.
Du hast geschrieben, du hast dich anderen auch erst vor kurzem geöffnet. Manchmal braucht es eine/n Außenstehende/n, um einem die Augen zu öffnen. Dass das Verhalten, dass man sich angeeignet hat, doch nicht so normal und in Ordnung ist, wie man sich manchmal einredet.
Ich habe die Woche mein Aufnahmegespräch in einer Einrichtung und es ist keine zehn Minuten her, dass ich daran gedacht habe, den Termin einfach abzublasen. Aus welchem Grund? Weil ich mein Frühstück aufgegessen und drinbehalten habe. "Ich kann doch eh normal essen, wenn ich will", aber so ist es nicht und das zu erkennen bzw. sich einzugestehen, ist echt kein leichtes.
Ist es das, was du meinst :?:

Hauzibauzi2016 hat geschrieben:Ich bin mir nicht sicher aber ich glaube ich strebe nur nach Anerkennung, Bewunderung und dem Gefühl begehrt zu sein. Mein Selbstwertgefühl ist ziemlich tief – ein Grund dafür ist wohl auch meine Mutter, die mir in der Pubertät (damals war ich deutlich dicker) schützen wollte indem sie sehr, sehr verletzende Dinge gesagt hat


Worte, die Müttern mal eben so über die Lippen kommen, die aber exremen Schaden anrichten (können) :cry:
Ich liebe meine Mutter über alles, aber tief in mir drin werd ich ihr vermutlich auch nie verzeihen. Obwohl ich weiß, dass sie, wie du bereits geschrieben hast, mich nur schützen wollte. Heute frag ich mich, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn sie mich akzeptiert hätte wie ich bin. Ich war mein Leben lang bis letztes Jahr übergewichtig und immer wollte sie mich zum Abnehmen bringen, egal wie. Heute bin ich dünn und zu ihrem Entsetzen trotzdem nicht glücklich, tjoooo. Als ob das miteinander zu tun hätte, ne. :roll:
Jedenfalls brauch ich dir ja wsl. nicht erzählen, was das mit einem macht. Kein Wunder, dass bei jenen kein Selbstwertgefühl vorhanden ist, denen es im frühen Kindsalter bereits genommen wurde.. wie du schon sagst, darum strebst du auch so sehr nach Anerkennung, kenne ich auch zu gut :P Gerade wenn man als Kind niedergemacht wurde. Aber ich glaube, dass es nie zu spät ist seinen Selbstwert zu steigern oder wie in unserem Fall (trau ich mich behaupten) überhaupt erst mal zu finden.
Ich will gar nicht klugscheißern, davon bin ich selbst ja auch noch weit entfernt. Aber ich bin davon überzeugt, dass ich es schaffen kann, mich selbst zu akzeptieren oder vielleicht sogar mal lieben zu lernen. Und du kannst das auch!!!

Greeeeetz
~ Sandramon ~

s t a y p o s i t i v e

Re: Ich bin neu hier

#3
Hallo Sandramon,

herzlichen Dank für deine Antwort, habe mich sehr darüber gefreut. Ja ne ich bin nicht gesund, wurde mir erst gestern und heute wieder durch einen FA bestätigt. Es dauert wohl noch eine Weile bis ich das so richtig kapiert habe - is ja auch nicht grad das beste Gefühl zuzugeben dass man eine Essstörung und die Kontrolle verloren hat. Also ich bin 27; wann es bei mir anfing weiß ich nicht genau. Es gibt zwar einzelne Tagebucheinträge wo ich zugebe zu viel gegessen und gekotzt zu haben aber ich hab wohl lieber die "guten" Esstage notiert. Wobei gut in unserem Fall wahrscheinlich nur heißt so wenig wie möglich von den "gesunden, erlaubten" Lebensmitteln zu essen. Aber ich denke das kennst du nur zu gut... Ja ich fahre morgen heim zu meinen Eltern, die haben mir bestätigt dass sie natürlich hinter mir stehen, aber ich hatte schon sehr große Angst vor dem Gespräch mit meiner Mutter. Nach vielem Nachdenken weiß ich ja ganz genau dass sie mir nie schaden wollte, sondern mich vor Fettleibigkeit bewahren. Das hat sie auch geschafft, aber der Schuss ist halt irgendwie nach hinten losgegangen. Ich will mich ja nicht in der Opferrolle suhlen - ich bin jetzt erwachsen und muss Verantwortung für mein Handeln übernehmen - die Bemerkungen meiner Mama waren auch nur ein Puzzleteil der vielen Gründe warum es halt jetzt so ist wie es ist. Mein normal denkendes Hirn weiß ja ganz genau: "wenn ich dünn bin hat mich Mama lieb und ist stolz auf mich" dass das ja totaler Schwachsinn ist. Mein verletztes kleines ICH hat das halt noch nicht geschnallt...

Also du beginnst eine Therapie? Hab ich das richtig verstanden? Und wenn ja was ist das für eine?

Was hat deine Mutter zu dir gesagt?

Ganz liebe Grüße!

PS: ja wir schaffen das! Irgendwann werden wir uns auch wieder lieben anstatt unseren Körper zu zerstören. Das englische Wort für Niemand triffts finde ich sehr gut: Nobody =Niemand = No Body. Wenn wir unseren Körper nicht mehr haben existieren wir nicht mehr; und wir wollen doch leben, normal leben, normal essen. Wir packen das schon!!!!!
Trust Yourself

Re: Ich bin neu hier

#4
Freu mich auch über deine Antwort!!
Hauzibauzi2016 hat geschrieben:Mein normal denkendes Hirn weiß ja ganz genau: "wenn ich dünn bin hat mich Mama lieb und ist stolz auf mich" dass das ja totaler Schwachsinn ist. Mein verletztes kleines ICH hat das halt noch nicht geschnallt...
Ja im Grunde wissen wir doch alle irgendwo, dass das alles Schwachsinn ist. Wie schwachsinnig es ist, sich vollzustopfen und das dann wieder loszuwerden und wie schwachsinnig unsere Denkweise ist gegenüber Essen ist - sorry, muss man ja auch so sagen. Aber nur weil man sich etwas bewusst ist, heißt das nicht, dass einem nicht ein kleiner Denkanstoß fehlt bis es endlich klick macht.
Den Schalter zu finden und umzulegen ist ja nicht so einfach :P Und nur weil du erwachsen bist, heißt das noch lange nicht, dass du das verarbeitet haben musst. Auch wenn man verziehen hat und eben wie du sagst weiß, dass sies nur gut meinten, kann da im Kopf noch viel mitspielen.

Ich dachte früher auch: Sobald ich dünn bin, bin ich glücklich
Aber ne, denkste. Mit *kg schwand eben auch ein Stück Glücklichsein
Meine Mutter war halt immer bemüht, dass ich es gut hab. Und in ihren Augen kann man nur glücklich sein, wenn man dünn ist. Ich wurde von anderen nicht wirklich gemobbt oder so, niemals eigentlich. Niemand hat mir je das Gefühl gegeben, mit bissl mehr Kilos weniger wert zu sein - außer ihr. Sie hat sich da mit meiner Tante ziemlich zusammengetan. Die is auch so auf dieser VEMMA-Welle, falls dir das etwas sagt. Auch egal, meine Cousine und ich sind gleich alt und waren immer gute Freundinnen, genau wie unsere Mütter. Wir waren beide etwas molliger, haben halt gerne genascht und nicht ultraviel Sport getrieben und das hat ihnen nicht gepasst. Wir mussten auf unsere Haltung achten, den Sommer verbrachten wir teilweise in Sportcamps und etliche Diäten standen auf dem Plan... aber es hat nie funktioniert, mir war das damals so wurscht (zumindest tat ich so).
Meine Mama hat des öfteren eben so abfällige Bemerkungen gemacht, mir fallt so spontan jetzt gar nichts ein. Es waren jedenfalls Dinge, wie "Zieh den Bauch ein Kind, schau dir an wie du ausschaust" Nichtmal in einem bösen Ton, sondern immer mit Lächeln, dass ich ja weiß sie tut das für mich und meints gut, aber als Kind verletzt das halt trotzdem, wie du ja weißt.
Meine Cousine hat im Alter von 16 damals begonnen stetig abzunehmen. Vor zwei Jahren war sie dann am Tiefpunkt, hatte dauernd Panikattacken und Probleme mit dem Magen... kann man sehen wie man will, aber ich denke doch, dass das unter anderem der Einfluss bzw. Druck unserer Mütter war :roll:

Warum's so ist wies ist, kann man ja nie genau sagen. Fakt ist, dass was getan werden muss :mrgreen:
Aus dem Grund, jo, beginn ich eine Therapie. Also ich weiß jetzt gar nicht wo du herkommst? Bei uns gibt es eben Anlaufstellen, wo man ambulant therapiert wird. Man hat da anfangs ein Erstgespräch, wo man aufgeklärt wird und dann wird man in gewissen Abständen von einem Arzt durchgecheckt, die Werte werden kontrolliert und durch Gespräche mit Psychologen wird therapiert. Das läuft halt neben der Arbeit 1-2x die Woche. Bin eh schon gespannt wie das wird - ich bin grad in meine eigene Wohnung gezogen, mache meine Lehre fertig und den Führerschein grad nebenbei, puuuaaah :|

Ich wünsch dir viel Kraft fürs Gespräch mit deiner Mutter! Wenn du magst, kannst du mir ja dann berichten. Auch gerne per Privatnachricht!
Hauzibauzi2016 hat geschrieben:PS: ja wir schaffen das! Irgendwann werden wir uns auch wieder lieben anstatt unseren Körper zu zerstören. Das englische Wort für Niemand triffts finde ich sehr gut: Nobody =Niemand = No Body. Wenn wir unseren Körper nicht mehr haben existieren wir nicht mehr; und wir wollen doch leben, normal leben, normal essen. Wir packen das schon!!!!!
So toll - Nobody ♥ das merk ich mir, danke!!

Ganz liebe Grüße *hugs*
~ Sandramon ~

s t a y p o s i t i v e