Unaushaltbar, immerwiederkehrend, ziellos, disziplinlos

#1
Hallo Leute,
wer auch immer diese Zeilen liest, der wird mich bestimmt für ein ziemliches Wrack halten. - Und die Leute, die mir antworten und mir versuchen gut zuzureden, indem sie mir sagen, dass ich es nicht nötig habe und das man doch gut ist , so wie man ist .... diese Aussagen habe ich schon so oft gehört. Wünschte es würde was an meiner Lage ändern. Doch das tut es keineswegs. Ich bin 20 Jahre alt. Bin was mein Gewicht anbelangt immer im "Normbereich" .. ich bin hübsch.. Das höre ich immerwieder... Ja, täglich sogar. Von irgendwelchen Leuten. Doch da ändert nichts daran.., das ich das alles anders sehe. Wenn ich mich nackt vor einem Spiegel stelle und meinen Körper betrachte, dann falle ich in ein tiefes Loch. Dunkel und endlos. Weine und ekel mich. Ich bin hässlich. Doch eigentlich bin ich doch schön. Nun bin ich seit knapp 3 Jahren in diesem Teufelskreis. Alles, wirklich alles dreht sich um das Thema Gewicht, Ernährung, Sport. Ich weiß wie man sich eigentlich richtig ernähren sollte und all das was normal sein sollte.. Doch ich falle immer wieder aus dem Raster. Verliere die Contenance. Fresse und Kotze. Schwöre mir dann, " diesmal war es das letzte Mal"... Und dann wieder das gleiche Spiel. Meine Zähne gehen immer mehr kaputt. Ich zerstöre sie. Habe Zahnschmerzen. Muss nun 2 Kronen bekommen... Doch ich kann nicht aufhören damit... Ich ekel mich, wenn ich kotze bis nur noch Magensäure meine Speiseröhre durchflutet, meine Augen tränen und mir die Nase ununterbrochen dabei läuft... ich anfange zu schwitzen und knallrot werde.. Und dann dieser Geruch von dem Übergebenem. Dann der Blick in die Toilette... spüle und hoffe, das sie bei der Menge nicht zu verstopfen beginnt. Ich bin verzweifelt. Ich schaffe es nicht.. aufzuhören.

Re: Unaushaltbar, immerwiederkehrend, ziellos, disziplinlos

#3
Christie hat geschrieben:Warum hasst du dich so?
Was läuft schief in deinem Leben?
Was ist es, das dich dazu bringt, normal leben zu wollen?
Bohr mal dahinter; hinter Figur, Essen, Fressen, Kotzen, Aussehen.
Kuck mal hin ;)


Vielleicht ist es der Wunsch nach Perfektion. Trotz der Gewissheit, das Perfektion nicht direkt definierbar ist. Der Wunsch danach, sich selber anschauen zu können und dabei den Gedanken zu haben " Ich bin wirklich gut so wie ich bin.. hübsch, nett, liebenswert". Vielleicht auch nur diese Sehnsucht nach der Perfektion, um all die unperfekten Dinge aus der Vergangenheit in Vergessenheit geraten zu lassen und sie mit etwas Schönerem zu überspielen. Wie eine CD-Rom wo ein alter Film, der hin und wieder hakt.. gerade an den wichtigen Stellen.. Dann wird der Film neu draufgespielt.. und es ergibt sich ein neuer, schönerer Film. Ja, vielleicht deshalb.

Re: Unaushaltbar, immerwiederkehrend, ziellos, disziplinlos

#5
Christie hat geschrieben:Nun ja, aber das was du tust, bzw. was alle Bulimiker tun ist doch so ziemlich da Gegenteil von Perfektion, oder?
Hast du dir schon einmal überlegt, deine Ansprüche herunterzuschrauben anstatt sie so hoch zu setzen, dass sie menschlich unerreichbar bleiben? Eine gewisse Güte und Zufriedenheit sich selbst gegenüber tut wahnsinnig gut ;)
Das ist es in der Tat, ja.
Nur ist das leichter gesagt als getan.
Darf ich dich fragen, ob du selbst auch Bulimikerin bist oder warst und wenn ja, wie du damit umgehst?

Re: Unaushaltbar, immerwiederkehrend, ziellos, disziplinlos

#7
Christie hat geschrieben:Ohja ich bin (war sag ich ungern) Bulimikerin. Hab von 14 bis 20 gefressen und gekotzt, am Ende etwa bis zu 15 mal am Tag.
Mittlerweile hab ich seit Jahren nicht mehr erbrochen, war ein langer Weg. Viel Ärger, Wut, Angst, Kummer, Psychotherapie, Auseinandersetzung mit mir selbst, Disziplin, Umstrukturierung in meinem Leben...

Dann weißt du ziemlich gut, wie man sich dabei fühlt. Weißt wie es, sich selbst was vorzumachen und auch, wie schwierig es ist, sich selbst so zu akzeptieren, wie es sein sollte. Ich denke schon länger darüber nach, mir Hilfe zu suchen. Nur wie? Einfach zu meiner Hausärztin hingehen und sagen " hey ich bin bulimikerin und brauche eine psychotherapie" oder sollte man sich einweisen lassen... Wie war es bei dir?

Re: Unaushaltbar, immerwiederkehrend, ziellos, disziplinlos

#8
Hausärztin ist eine sehr gute Idee. Wenn du das Gefühl hast, dass sie sensibel für so eine Thematik ist (gibt ja genügend Honks leider unter Ärzten)
Ich hatte damals viel Unterstützung von meiner Mutter, die mir einen ambulanten Therapieplatz besorgt hat.
Die Therapeutin, in Zusammenarbeit mit meiner Hausärztin, hat dann ne Einweisung/Kostenantrag für Roseneck gestellt.
Nach der Klinik habe ich mich selbstständig um ambulante Thera gekümmert.

Ich weiß, wie sehr man in der Scheiße stecken kann, wie sehr da Bild, das man von sich haben möchte und das, wie es wirklich ist, divergieren können.
Und dass man ganz schnell so tief in der Krankheit steckt, dass alles nur noch schwarz ist und man bald in Selbstmitleid versinkt.

Selbst Schritte gehen ist da das beste, was man machen kann- so klischeehaft das auch klingt.
Wie wär's denn auch mit einer Beratungsstelle? Die verweisen dich dann auch dementsprechend weiter und geben dir Tips an die Hand.

Re: Unaushaltbar, immerwiederkehrend, ziellos, disziplinlos

#9
Christie hat geschrieben:Hausärztin ist eine sehr gute Idee. Wenn du das Gefühl hast, dass sie sensibel für so eine Thematik ist (gibt ja genügend Honks leider unter Ärzten)
Ich hatte damals viel Unterstützung von meiner Mutter, die mir einen ambulanten Therapieplatz besorgt hat.
Die Therapeutin, in Zusammenarbeit mit meiner Hausärztin, hat dann ne Einweisung/Kostenantrag für Roseneck gestellt.
Nach der Klinik habe ich mich selbstständig um ambulante Thera gekümmert.

Ich weiß, wie sehr man in der Scheiße stecken kann, wie sehr da Bild, das man von sich haben möchte und das, wie es wirklich ist, divergieren können.
Und dass man ganz schnell so tief in der Krankheit steckt, dass alles nur noch schwarz ist und man bald in Selbstmitleid versinkt.

Selbst Schritte gehen ist da das beste, was man machen kann- so klischeehaft das auch klingt.
Wie wär's denn auch mit einer Beratungsstelle? Die verweisen dich dann auch dementsprechend weiter und geben dir Tips an die Hand.
Danke.
Du hast bestimmt recht damit. Ich weiß nicht.. ich denke schon, dass ich bei meiner Hausärztin schon eher den Mund aufmachen würde, um ihr davon zu erzählen, aber es dann auch noch meinen Eltern zu gestehen (warscheinlich sollten sie ja mit ins Boot geholt werden, nicht wahr?) - da kann ich echt nicht sagen, ob ich es schaffe, mit ihnen darüber zu reden. Wie sie reagieren würden..
Oder auch Freunde und so. Ich muss dazu sagen, dass ich oft gesagt bekomme, dass ich sehr selbstbewusst und unfassbar glücklich rüberkomme... eine positive und ausgeglichene Ausstrahlung habe - und dann nicke ich und bestätige es. Versuche diese Fassade mit allen Mitteln am Leben zu halten. Doch wenn ich dann einen Moment für mich habe, kann ich nur noch darüber nachdenken, dass ich jeden was vormache. Jeden das glückliche Mädchen zeige.. welches ich eigentlich doch überhaupt nicht bin. Ich bin so kaputt. Wer will mit so jemanden befreundet sein ?

Re: Unaushaltbar, immerwiederkehrend, ziellos, disziplinlos

#10
Ich verstehe zu gut, dass so ein "Outing" verdammt schwer ist, aber..

a) ist die Angst, dich zu öffnen, wirklich so riesig oder ist sie "nur" ein vorgeschobener Grund deiner Angst, dir helfen zu lassen?

und b) woher willst du wissen, ob deine Freunde um deiner selbst Willen deine Freunde sind, wenn du dich ihnen nicht zeigst, wie du wirklich bist, oder ob sie nur eine Fassade mögen? Davon haben doch beide Seiten nichts

Re: Unaushaltbar, immerwiederkehrend, ziellos, disziplinlos

#11
Christie hat geschrieben:Ich verstehe zu gut, dass so ein "Outing" verdammt schwer ist, aber..

a) ist die Angst, dich zu öffnen, wirklich so riesig oder ist sie "nur" ein vorgeschobener Grund deiner Angst, dir helfen zu lassen?

und b) woher willst du wissen, ob deine Freunde um deiner selbst Willen deine Freunde sind, wenn du dich ihnen nicht zeigst, wie du wirklich bist, oder ob sie nur eine Fassade mögen? Davon haben doch beide Seiten nichts

mhhh, gute Fragen...
Es wird wohl das Eingestehen sein. Also das man Hilfe braucht und so arg die Kontrolle über sich selbst verloren hat. Sowas möchte man doch eigentlich nicht von sich sagen wollen.. Das man versagt hat. Das wird es wohl sein.