Ich wollte krank sein...

#1
Ich habe mich noch nie richtig ernährt. Obwohl ich mich immer mit Süßigkeiten vollgestopft habe, war ich noch nie richtig fett. Aber irgendwann in der 5. Klasse fiel mir dann doch auf, dass ich ein *kg schwerer war als meine Freunde. Ich glaube, das war so das erste Mal, als ich mir Gedanken über mein Gewicht gemacht habe. Man hat mich zwar immer auf mein "Bäuchlein" aufmerksam gemacht, aber mich kümmerte dies zunächst nicht und ich aß weiterhin alles Mögliche, was mir halt schmeckte. Naja, und dann irgendwann beachtete ich meinen Körper mehr und dann fing das mit den Diäten an. Bloß nahm ich zu, anstatt abzunehmen. Irgendwann hatte ich mich mit einer Freundin zusammengetan, um gemeinsam mit ihr abzunehmen, obwohl uns viele Kilos voneinander trennten. Obwohl ich die "Leichteste" war, nahm ich das mit dem Gewicht irgendwann viel zu ernst. Auch wenn es sich sehr naiv anhört und es mir sehr sehr peinlich ist (allein aus dem Respekt vor dem Leid der Bulimiekranken) es zu sagen, ich schmiedete mit der Freundin Pläne, essgestört zu werden, um dünn zu sein. Ich weiß, es ist pervers es zu sagen. Ich beabsichtige es nicht, hier eine schreckliche Krankheit zu verhöhnen. Aber es fing eben bei mir so an. Und ich erbrach mich dann eben, ich wollte krank werden, um dünn zu sein. Bis ich dann ohne Erbrechen, Abführmittel, Pillen und dem ganzen nicht mehr auskommen konnte, weil ich mich zu sehr daran gewöhnt habe, bei der nächsten Gelegenheit heimlich zu erbrechen. Und es geht einfach nicht! Ich kann nichts essen, ohne nicht darüber ständig nachzudenken. Die Möglichkeiten durchzugehen, wie ich das Essen wieder schnellstens und heimlich loswerden kann. Ich kann nicht einmal Obst mehr "richtig" essen. Ich kann die Gedanken in meinem Kopf nicht mehr ausschalten. Diese Belehrungen und Befehle in mir drinnen, diese ganzen "Kotz doch, du hast die Gelegenheit jetzt! Du bist alleine zu hause" "Geh ins Bad, kotz in die Dusche" "Schlucke mehr Tabletten, eine höhere Dosis, damit du nicht fetter wirst" ...
Am schlimmsten ist aber meine Angst vor Ärzten. Ich habe Angst, dass sie etwas bemerken. Ich habe zwar noch intakte Zähne, aber sie haben irgendwelche Risse und sind sehr empfindlich. Ich frage mich immer, ob die Ärzte es bemerken, das ich fast jeden Tag erbreche. Und das schon seit langem. Ich habe Angst davor, dass es Realität ist, dass mir irgendwann mal jemand sagt "Du bist bulimisch". Ich habe Panik davor, ich kann es selbst nicht realisieren, ich fühle mich eigentlich nicht krank, aber ich erlebe mich krank. Und dieses Erleben ruft in mir eine Panik hervor. Wie soll das weitergehen? Bin ich es? Bin ich es wirklich? Bin ich es wirklich, bin ich krank? Oder bilde ich es mir ein, wie einst erhofft? Bin ich jetzt tatsächlich krank?
Ich kann das nicht beantworten. Das bin unmöglich ich... aber ich bin es doch.

#2
hey CoCoRico

Das mit dem sehnlichen wunsch diese Krankheit zu haben kenne ich nur zugut ich habe es mir auch schon mit 12 jahren gewünscht bulimie und magersucht zu haben, habe mir viele bücher darüber ausgeliehen. mir ist es auch sehr peinlich aber ich kann dich da gut verstehn.
ja narürlich und mit gewissheit bist du krank. Weis denn jemand von deiner krankheit, freunde oder eltern??
lg kathrin

#3
Ich habe absolut nicht das gefühl, dass du die Bulimie verhöhnst, oder sowas. ich habe eher das gefühl, du bist ein sehr ehrlicher, intelligenter tiefgründiger mensch.

ich habe mich auch lange gefragt: Bin ich essgestört? ODer tue ich nicht einfach nur so?

inzwischen denke ich, es macht keinen unterschied. wenn es aussieht wie eine katze, schnurrt wie eine katze und riecht wie eine katze, ist es eine katze. (oder ein kater). :wink:

#4
Hallo, liebeCoCoRiCo, und herzlich willkommen hier;-)

Jap, ich würd auch sagen, dass du zu 100Prozent ES hast.
Wie lang k* du denn schon?
Weiß es jemand? Und wie gehts dir zurzeit?

Lg, l.p.

#5
Darauf dass du die Bulimie verhöhnst, wäre ich jetzt ehrlich gesagt erst mal nicht gekommen....und das ist auch absolut nicht meine Meinung.

Ich bin erstaunt darüber, wie ehrlich du zu dir und anderen bist - ich habe mir die ersten Monate nicht eingestehen können, dass ich diese Krankheit "genieße" - und jetzt tu ichs auch nicht mehr :wink: .

Willkommen! :D
Wenn Hunger nicht das Problem ist, ist Essen nicht die Lösung!

#6
ich habe mich auch lange gefragt: Bin ich essgestört? ODer tue ich nicht einfach nur so?
Das mit dem "Tue ich einfach nur so", diese Frage stelle ich mir auch ständig. Und bis jetzt kann ich es nicht einschätzen, ob es so ist oder ob es nicht so ist. Ich fühle mich nämlich nicht krank, aber ich tue genau das, was krankhaft ist. Ich kann es nicht begreifen.

Danke für eure aufmunternden Worte. Bis jetzt habe ich es einem guten Freund gesagt und einer Freundin. Aber wie es nunmal so ist kommt so ein "Geständnis" wie eine Aufforderung "Habe Mitleid mit mir" rüber. Und ich glaube, bei meiner Freundin ist es wohl so angekommen. Sie spricht es nie an, ich auch nicht. Einerseits wünsche ich mir, dass sie mich anschreit, oder in den Arm nimmt oder sagt "Du bist krank", aber andererseits will ich es doch nicht, weil ich Angst habe, dass sie denkt, ich würde nur Mitleid erwecken wollen. Und sie mich somit mit still in sich hineingrinsend denkt "Die ist so hohl, die will nur aufmerksamkeit".
Mein Kumpel ist für mich immer da, ich kann mit ihm darüber sprechen. Aber was sind schon Worte inmitten von meiner nahezu täglichen Handlung, die ich nicht begreifen kann und nicht in der Lage bin, sie irgendwie zu verhindern. Einfach "Nein" zu sagen.
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.

#7
little_princess hat geschrieben:Hallo, liebeCoCoRiCo, und herzlich willkommen hier;-)

Jap, ich würd auch sagen, dass du zu 100Prozent ES hast.
Wie lang k* du denn schon?
Weiß es jemand? Und wie gehts dir zurzeit?

Lg, l.p.
@ little_princes: Das geht erst seit anderthalb Jahren, wobei ich mir unschlüssig bin, ob "erst" dann doch nicht "leider" heißt. Ehrlich gesagt geht es mir nicht so gut, vor allem, weil mich "fremde Frauen" zu verstehen versuchen, aber meine eigene Umwelt, mein Freundeskreis und alle anderen die Augen zuzumachen scheinen. Oder meinen Kampf mit dem Essen nicht bemerken (wollen).
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.

#8
"ich schmiedete mit der Freundin Pläne, essgestört zu werden, um dünn zu sein" :arrow: Was ist aus der Freundin geworden...?

Ich denke, wenn du nciht mehr aufhören kannst mit dem Kotzen, den kranken Gedanken usw. Dann bist du auf jeden fall bulimisch.

dieses hin und hergerissen sein zwischen Mitleid wollen vllt insgeheim, und dann auch a#wieder nicht, auf keinen fall, kenne ich auch.

Wir müssen uns den Weg halt wieder raussuchen. Ohne Plan und ohne Ziel im Blick.

#9
Sie hat niemals angefangen zu Ko**, hat aber ständig Diäten versucht. Aber Erfolg hatte sie natürlich nicht. Jetzt sind unsere Wege sowieso auseinander gelaufen, aber ich bin dann leider den schlechten Weg gegangen
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.

#11
Mehr als abzuwarten kann ich nicht tun. Ich kann unmöglich eine thera machen, ich würde aus scham gegenüber meiner familie sterben, wenn ich es denen mehr oder weniger freiwillig sagen müsste
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.

#12
Du setzt zuviel Hoffnungen in eine Therapie. Letztlich musst du alles alleine machen. Du kriegst ein paar Tips, das war's auch. Insofern.

die erste Stunde in der Klinik hat mein Therapeut mich gefragt "Was könnten Sie tun, dass sie nicht merh kotzen."

So läuft das ungefähr.... :wink:

Will dich nciht unsanft aus allen Wolken fallen lassen. Aber dir zeigen, dass du dien leben in die Hand nehmen kannst/musst. Und dass je eher, desto besser.

Warten? Was ist denn das für ne Strategie? Wie in der Politik? Alles aussitzen? Tztztztz

*smile*

*klugscheiß*

#13
Bis ich dann ohne Erbrechen, Abführmittel, Pillen und dem ganzen nicht mehr auskommen konnte
Ja, liebe Cocorico, das ist krankhaftes Verhalten, weil zwanghaftes Verhalten.
Mehr als abzuwarten kann ich nicht tun. Ich kann unmöglich eine thera machen, ich würde aus scham gegenüber meiner familie sterben, wenn ich es denen mehr oder weniger freiwillig sagen müsste

Du sprichst es hier ja schon direkt an: Überleg mal, wie das wäre, wenn du es ihnen unfreiwillig sagen müsstest? Weil du körperlich so am Ende bist, dass du ins Krankenhaus musst?
Scham ist das Allerletzte, was man bei einer Krankheit wie dieser empfinden muss. Und vom Abwarten ist bis jetzt noch keiner gesund geworden... Leider.

Was Therapie anlangt, bin ich etwas anderer Meinung als aire. Es ist bei jedem Menschen verschieden, und es hängt davon ab, ob man zum Therapeuten "passt", d.h. Vertrauen entwickeln kann. Ich habe so eine Therapeutin, und sie hilft mir wirklich sehr! Und zwar nicht mit Tipps und Ratschlägen - sie hat mir gelernt, dass ich auf meine Gefühle höre und auch anders als durch kotzen damit umgehe. Sie sagt mir nicht was ich wann wie essen soll oder dass ich gefälligst mit dem Kotzen aufhören muss, sondern dass ich 1. mich nicht zu schämen brauche 2. mich selbst akzeptieren lerne 3. autonomer mit Problemen umgehe und sofort ausspreche, was mich bedrückt 4. Liebe annehmen darf 5. nicht immer fehlerlos sein muss. Ich habe mir diese Sachen früher auch selbst gesagt, als ich noch keine Thera machen wollte. Aber erst als ich es Woche für Woche von einer außenstehenden, professionellen Person gehört habe, habe ich es auch in mich aufgenommen und realisiert.
Natürlich ist auch eine Therapie kein Allheilmittel, aber man bekommt dadurch eine riesige Unterstützung um selbst gegen die Bulimie anzukommen.
So viel zur Therapie von einer anderen Seite :wink: . Aber es ist allein deine Entscheidung, und egal welche du triffst, hier im Forum unterstützen wir uns gegenseitig.
Ehrlich gesagt geht es mir nicht so gut, vor allem, weil mich "fremde Frauen" zu verstehen versuchen, aber meine eigene Umwelt, mein Freundeskreis und alle anderen die Augen zuzumachen scheinen.
Naja, da wir "fremden Frauen" dasselbe durchmachen wie du, ist es irgendwie selbstverständlich, dass wir uns besser in dich hineinfühlen können als deine Umwelt, die mit dem Thema wahrscheinlich weniger zu tun hat. Und wie sollen sie auch? Unsere Eigenart ist es ja, die Bulimie zu verstecken und zu vertuschen.

Liebe Grüße
Wo wachsen eigentlich die Purzelbäume?

#14
Hmm... Ich glaube, ich bin noch gar nicht in der Lage, das richtig einzusehen. Ich sehe zwar meine Haut, meine Augenringe, ich fühle die Müdigkeit, den Zwang in mir, aber ich kann nicht begreifen, dass es tatsächlich eine Therapie jetzt sein muss. Ich weiß, dass es sein kann, dass ich irgendwann ins Krankenhaus komme. Aber ehrlich gesagt, ist es mir lieber, meine Eltern erführen es von Ärzten oder sonst wen, als aus meinem Mund. Ich hab nämlich kein gutes Verhältnis zu ihnen, wenn überhaupt eins.
Ich glaube, meine Eltern würden denken, ich würde Aufmerksamkeit erregen wollen oder so. Ich weiß, dass mal mein Stiefvater in einem heftigen Streit gesagt hatte "Ja, und deine Bulimie da..." und meine Mutter "Was für Bulimie?" und mein Stiefvater wieder "Ja, die geht doch nach jedem Essen aufs Klo...". Ich bestritt damals, weil ich zu dem Zeitpunkt noch nie ein Erbrechen selbst induziert hab. Naja, und wegen diesem besch** Verhältnis hätte ich niemals den Mut, es zu sagen. Obwohl es sehr naiv klingt, das ganze.

Und ich kann unmöglich die Schule unterbrechen. Außerdem weiß ich nicht einmal, was man in einer Therapie tut, ob man da woanders wohnt, oder irgendwo hingeht wie zum Psychologen...
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.

#15
Unsere Eigenart ist es ja, die Bulimie zu verstecken und zu vertuschen.
Ja. Aber würdest du nie deine Freundin/Schwester/Cousine oder sonst was fragen, was los sei, wenn sie vor dir auftauchen würde und aussähe, als hätte sie Jahrzehnte nicht geschlafen und nur geheult (ist jetzt ein schlechter Vergleich, aber du weißt doch, wie wir "danach" aussehen: aufgedunsen...)? Oder würdest du zu ihr sagen "Huh, wo war ich grad beim erzählen stehen geblieben... bla bla bla..."?

Wir können unser Fressen vertuschen, unsere Ko** exzellent verschwinden lassen, uns stundenlang duschen, uns schön schminken und anziehen, die zahnabdrücke an unseren händen mit makeup wegmachen (nur ein paar Beispiele...) aber doch niemals unseren Kampf verschleiern, unsere rot geweinten Augen...

Menschen gucken weg, sogar die besten Freundinnen und Freunde, wenn man sie "beste" nennen kann...
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.