Zu lange dabei

#1
Liebe Leute,

auch wenn der Titel des Themas ein ganz anderer ist, so muss ich erst einmal etwas loswerden. Heute war bei mir gerade mal wieder nicht so ein guter Tag und ich muss mich gerade übelst ablenken, damit ich nicht zum Klo renne. Es begann schon morgens damit, dass ich zum Frühstück die ganze Zeit an diesen scheiß dämlichen Kuchen meiner Mitbewohnerin denken musste, ihn gegessen habe(was auch okay war, da sie es mir angeboten hatte), ich aber noch den tierischen Drang hatte, weiter zu essen. Ich aß daraufhin noch mehr, will hier keine Details nennen, aber es war für mich so, dass wieder gleich den Tag darauf gedanklich rationierte (auch wenn ich weiß, dass das Bullshit ist...). Nachdem wir dann allerdings vorhin bei dem super Wetter eine Kugel Eis essen waren, kam bei mir gleich das schlechte Gewissen wieder hoch und zudem, hatte ich auf einmal auch tierischen Hunger auf was Salziges. Nun ja, das war die Sache.....ich hab darauf hin, wieder schnell was im Stehen verdrückt und war kurz davor, meinen Verstand vollkommen auszuschalten. Ich befand mich schon auf der Toilette, das einzige was mich jetzt gerade davon abhält, ist, dass ich weiß, dass ich da raus muss und ich will es auch!
Nur fällt es mir so verdammt schwer, die Bulimie loszulassen und ich habe so eine Angst zuzunehmen. Mir ist völlig klar, dass das nicht das tieferliegende Problem ist. Essen ist nach wie vor mein Ventil, ein dumme, aber doch noch vorhandene Strategie. :cry: Das Ding ist nur, dass ich schon alle möglichen Therapien (sei es stationär oder ambulant) gemacht habe und so viele Selbsthilfebücher habe, dass ich selbst eins schreiben könnte. Ich bin therapiert bis zum geht nicht mehr und trete doch seit 10 Jahren auf der Stelle.
In den Kliniken klappte es sehr viel besser, aber im Alltag und selbst jetzt unter den besten äußeren Umständen habe ich das Gefühl, die Bulimie einfach zu lange als "Ausweg" benutzt zu haben als das ich jemals ganz davon loskomme.

Ich wollte mal fragen, ob jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht hat bzw. vielleicht berichten kann, wie er/sie einen anderen Weg einschlagen konnte?
liebe Grüße

Re: Zu lange dabei

#2
Liebe Mariposa

wie lief es denn heute noch bei dir? Ganz liebe virtuelle Aufmunterungsgrüße an dich nach so einem Tag!
10 Jahre ist natürlich eine wahnsinnig lange Zeit für eine "Lösungs"Strategie um sich zu manifestieren. Und ich kann mir vorstellen, dass du schon alles Mögliche ausprobiert hast als alternatives Ventil? Ich denke, da spielt eben ein sehr schwieriger Punkt in unserer Lage rein - man kann keinen körperlichen Entzug von der Sucht machen, um sie auch körperlich erstmal zu verlieren. Mir hilft manchmal die Erinnerung an einen Satz, den mein alter Klassenlehrer mal zu mir sagte als er merkte dass ich Probleme (damals) mit Magersucht hatte. Er erzählte mir wie lange er Alkoholiker war und sein einziger Rat war, "man muss es wirklich wollen". Ich werde nie vergessen, wie eindringlich es wirklich war. Mir hilft das manchmal wenn es schwerer wird, sich wirklich, wie du auch heute vor dem Klo, daran zu erinnern dass man das nur für sich macht und komplett für sich. Um es vielleicht ein bisschen verständlicher zu machen - eigentlich laufe ich wahnsinnig gerne, konnte mich über den Winter aber nicht mehr aufraffen. Ich habe so lange versucht mich zu motivieren mit allen möglichen rationalen Argumenten warum ich es tun sollte und nichts. Und vor mehreren Tagen dachte ich, ich mag joggen einfach gerne. Ich möchte laufen, völlig unabhängig ob es nebenbei Kalorien verbraucht, gesund ist, schlecht ist(für die Knie) oder was auch immer. Und seit dem Gedanken war ich pro Woche wieder wiederholt laufen.
Ich versuche dir ein bisschen Mut zuzusprechen und dir zu sagen, dass du mit deinem Willen (und nicht diese Motivationssprüche, sondern genau den Willen den Kampf aufzunehmen obwohl es unglaublich unangenehm ist) vielleicht am Meisten bewegen kannst.
Fühl dich ein bisschen auf die Schulter geklopft mit einem Alles Gute dir Wunsch!

Re: Zu lange dabei

#4
Hey,
erst einmal vielen Dank für eure Rückmeldungen und für deine liebe Mail, itsMallie!
Der Tag ging doch noch wesentlich besser zuende, als er zwischendurch zu sein schien. Ich bin nciht zum Klo gegangen und habe auch das mit dem Essen hinbekommen. Ich habe gemerkt, dass ich das meinem Körper nicht mehr antun will, aber dafür gabs heute nen Rückfall....ganz richtig, wie ihr beide sagt, liegt es an dem Willen und an dem Glauben, dass es anders geht.
Das ist mir wieder mal bewusst geworden. Irgendwie war es für mich in den letzten Jahren nicht wirklich nötig, die Bulimie loszulassen. Mir wird gerade klar, dass ich dadurch wohl auch einige Vorteile habe, wie z.B., dass sich meine Mutter um mich mehr kümmert (ich kann immer zu ihr kommen, was mir aber gleichzeitig in meinem Alter widerstrebt, bin schon 26 :wink: ) und ich dadurch nicht wirklich Verantwortung für mein bisheriges Handeln übernehmen musste. Wenn mir ausbildungs- oder unitechnisch gesehen oder auch privat etwas zu viel wurde, kann ich immer alles stehen und liegen lassen, mich nur auf die eine Sache konzentrieren und in das Haus meiner Mutter fahren. Dort werde ich, wie eine verzogene Teenagerin, wieder aufgebaut. Aber das widerspricht meinem eigenen Anspruch und so versuche ich das ohnehin zu umgehen und bin da schon um einiges selbstständiger geworden. Also so krass, wie ich das gerade beschrieben habe, ist es schon lange nciht mehr, aber ich weiß halt irgendwie manchmal, dass da noch dieser Ausweg ist....
Ganz im Gegensatz dazu erlebe ich gerade durch ein Praktikum an der Schule, wie viel Spaß es mir macht, Verantwortung zu übernehmen und ich erlebe auch, dass ich das doch recht gut kann. Diese Erfahrung ist neu für mich, aber baut mich unglaublich auf.

Aber ja, um noch einmal auf deine Nachricht, itsMallie, einzugehen. Ich habe in der Tat schon sehr viel ausprobiert und ich weiß eigentlich auch, was funktioniert und was nicht. Z.B. tut auch mir Sport sehr gut. Deswegen kann ich das mit dem Laufen gut nachvollziehen;) Wie geht es dir denn zur Zeit und wie gehst du mit der Essproblematik um? Die Aussage deines Lehrers finde ich sehr eindringlich und hat mich doch sehr zum Nachdenken angeregt. Vielen Dank dafür! Erst einmal finde ich es auch von ihm sehr mutig und offen, dass er sich dir so gezeigt hat, ist sicherlich kein einfacher Schritt. Zudem hat er Recht, um von einer Sache, wie auch immer loszukommen, muss man es wollen und man muss es bewusst tun. Wahrscheinlich jeden einzelnen Tag zu Anfang. Ich habe das in der letzten Zeit, wie gesagt, etwas vernachlässigt, daran auch zu glauben, dass es andere Dinge gibt, die einem besser weiterhelfen bzw. oftmals, sind es ja auch lediglich die Gedanken, die einen in FA treiben (das ist schon krass, was die Gedanken so für eine Macht über einen haben;). Jedoch stimmt es auf jeden Fall, es ist eine Sucht, ein antrainiertes Verhaltensmuster, dass ich mir wohl erst einmal abtrainieren muss und dazu brauche ich all meine Willenskraft. Es ist in der Tat nicht immer schön, wie Christie sagt, und es zeigt auch, dass ich einige meiner Ansprüche an mich selbst stark zurückfahren muss. Das weiß ich ,aber irgendwann udn irgendwie muss ich, wenn ich das wirklich will, auch der Realität ins Auge blicken.
Wie geht es euch so mit dem Willen und ihn zu mobilisieren?;)
Vielen Dank noch mal für die Antworten!!!! Sie haben mir gezeigt, worauf es mal wieder ankommt :wink:

Re: Zu lange dabei

#5
Hallo Mariposa,

ich kann Vieles von dem, was du schreibst, nachvollziehen, bin im gleichen Alter, etc.
Deswegen erst einmal HUT ab! Ich finde es schon beachtenswert, dass du dich selbst davon abhalten kannst, über der Toilette zu hängen, wenn du das möchtest - so weit bin ich nicht.
Weswegen ich trotzdem hier schreibe, weil es leider zu spät (für dich hier in dem Thread) ist, wenn ich es mit Sicherheit sagen kann, ist, weil ich in letzter Zeit glaube für mich selbst, dank meiner neuen Therapeutin, einen möglichen Weg gefunden zu haben.
Ich habe auch schon ein paar Therapien hinter mir, kenne viele meiner Defizite und Ressourcen, Therapieansätze und Mechanismen und dennoch. Zwar kleine Verbesserungen, aber los lassen? No way. Dachte ich und bin verzweifelt.
Bis ich meine neue ambulante (analytische) Therapie begonnen habe, die Erlaubnis bekommen habe, die essstörung überhaupt nicht los lassen zu müssen. Argument: Sie erfüllt eine Funktion. Gäbe es irgendeine andere Möglichkeit, die für mich greifbar ist, hätte ich die ES so nicht mehr. So setze ich mich nur einmal mehr unter Druck. Dafür hat die Therapeutin durch die Therapie (habe ich nciht mal gemerkt) gezwungen, den eigentlichen Problemen und Gefühlen ins Auge zu schauen, was unglaublich schmerzhaft ist, mir Angst macht und die ES natürlich auch nicht beseitigt. Aber absurderweise kann ich auf einmal Gefühle fühlen und Verhalten umsetzen, das ich in 2 Jahren Therapie stationär und ambulant vorher nicht konnte. Und irgendwo ist da die Hoffnung, dass jetzt, wo ich dem eigentlichen Schmerz nicht mehr ausweichen kann, gezwungen bin da durch zu gehen und die Bulimie nach und nach überflüssig wird. Das ist ein langer Weg, aber er fühlt sich "echter" an als alles zuvor.
Ich kann aber auch gut unterscheiden, wann es Gewohnheit ist und wann ich mit der Bulimie etwas kompensieren möchte.

Was ich damit sagen will: Viel Therapie ist nicht gleich viel therapiert. Manchmal ist nicht KÄMPFEN der Schlüssel, sondern Druck nehmen. Manchmal lohnt es sich nochmal hinzuschauen... aufgeben würde ich gar nicht. Sondern nur weitersuchen :)

Ich weiß nicht genau, warum ich das erzählt habe, aber vielleicht bringt es ja irgendetwas :)

Liebe Grüße

Re: Zu lange dabei

#6
Hey ihr lieben,

@ Kaladi vielen dank erst mal für deine Nachricht und sorry, dass ich jetzt erst anworte! Wie geht es dir? Bist du sicher, dass du nicht loslassen kannst oder ist es vielleicht einfach zu eingeschlieffen und dass dir momentan eher der Wille fehlt bzw. eher der Glaube daran, dass es auch ohne Bulimie gut gehen kann? Das ist bei mir oft der Fall, insbesondere, wenn diese negativen Gedanken kommen und ich mich wieder unter Druck setze (zu dem Thema hier übrigens ein hervorragendes Video: http://lebenshungrig.de/2013/ess-brech- ... aufhoeren/ ). Deiner Therapeutin kann ich da nur aus eigener Erfahrung zustimmen, ja, es erfüllt eine bestimmte Funktion für uns, weißt du genau, welche sie bei dir ist und hast du vielleicht konkret dir ganz genau ein paar übersichtliche Alternativen überlegt, die man sofort anwenden kann? Mir hat das in letzter Zeit sehr geholfen und ich kenne das auch, dass man das "normale" Essen von dem "Fressen" klar unterscheiden kann. Ich habe mit meiner Ma, die ist Ärztin (und ja, ich kann mit ihr sehr gut darüber reden,auch wenn jetzt vielleicht einige kommen mit dem"Mutterdasein" und "Zu nah dran, etc pp.", stimmt ja auch, aber hilft mir trotzdem;), darüber gesprochen, dass ich mir schon tausend Sachen vorgenommen habe, aber nichts davon so richtig klappt. Sie meinte, es ist auch einfach eine Sucht (auch eine Überlebensstrategie ohnehin;), die sich in deinem Gehirn als vermeintlicher Lösungsweg eingeschliffen hat. Um diesen "eingetrampelten" Pfad weniger eintreten zu müssen bzw. damit das Verlangen zurückgeht, hilft es echt, sich nur 2-3 Alternativen zu überlegen, die man dann aber auch wirklich anwendet. Zudem habe ich in letzter Zeit jeden Tag ein bisschen Yoga gemacht, nur ein paar Minuten, aber es hat mich runtergebracht und meinen Blick geöffnet.
Es ist, meiner Meinung nach, nur so schwer, sich einfach zu trauen, das Ganze einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Das klingt jetzt vielleicht total absurd, aber irgendwie gehts mir wirklich oft so, dass ich denke, wenn ich "zu positiv" über mich und mein Leben denke, dass ich mich dann nciht mehr anstrengen würde bzw. dann irgendetwas Schlimmes passiert. Was totaler Schwachsinn ist! Das hört sich so an, als ob ich noch an das Fegefeuer nach dem Tod glauben würde :shock: :lol: Mannomann, dabei ist es wohl einfach mieses Selbstbewusstsein :wink:
Mir haben eure alle Mails bisher echt weitergeholfen, weil es mir doch zeigt, dass man in dem Strudel nicht alleine ist und es Auswege gibt. Auch wenn man die manchmal nciht sieht oder vielleicht sogar nicht sehen will, weil die Sucht stärker ist. Aber die letzen 3 Wochen konnte ich auf richtige FA und Kotzen verzichten, ich wünsche mir und ich will, dass ich den Weg weitergehe und mir nciht, wie heute morgen kurz die Waagenanzeige, alles kaputt macht und die Gedanken "Es ist doch alles egal" mcih zu sehr verleiten.
Es gibt nur ein Leben und das ist ein Weg, kein Ziel. Deswegen möchte ich mir meinen Lebensweg so schön, wie möglich machen und nicht mehr darauf bauen, jetzt zu hungern, damit ich dann irgendwann in Ruhe "schlemmen" (bzw. eher fressen kann und mein Morgen vergesse :wink: )

Re: Zu lange dabei

#7
Hallo meine Lieben,

auch wenn ich hier mehr alleine schreibe als alles andere, so hilft es mir doch meine Gedanken los zu werden und die Tatsache, dass man hier nicht alleine ist und kämpft, hilft mir in schwierigen Phasen weiter. Nach letzter Woche, wo mal wieder mehrere FA Tatsache waren :( , habe ich zumindest heute die Kurve bekommen. Auch wenns schwer fiel. Wahrscheinlich hilft nur konsistentes Durchziehen und sich, bis sich der Körper und der Kopf;) daran gewöhnt haben zu anderen Alternativen zu ZWINGEN, wenn man eigentlich FRESSEN möchte...
Allerdings ist mir aufgefallen, dass ich momentan überhaupt sehr demotiviert bin (gerade in Bezug aufs Studium) und ich oft gar keine Lust habe und mir etwas der Sinn fehlt. Dabei ist es eigentlich durchaus so, dass mir mein Studium Spaß macht und ich gern dafür was tue, nur Anfang des Semesters braucht man das immer nicht und ich habe auch keine Lust mehr, mich jetzt schon völlig verrückt zu machen. Jedoch bemerke ich,d ass mir dann eine gewisse "Fülle" bzw. "Sinnhaftigkeit" fehlt... und ich dann mehr dazu neige, mir meine gewonnene Freizeit mit FAs zu versauen und Nullbockphasen... kennt das jemand? irgendwie halte ich es schwer aus, nichts wirklich tun zu MÜSSEN und mir freie Zeit zu gönnen bzw. sie zu genießen. Oft gibts nur das Hamsterrad oder komplette Erschöpfung...seltsam oder?
:roll: