Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#1
Hallo liebes Forum,

ich heiße Schattenwolf, bin 27 Jahre alt und studiere Biologie/Chemie auf Lehramt. Ich habe selbst keine Bulimie, möchte mich jedoch umfassend darüber informieren.

Zunächst möchte ich meinen tiefen Respekt vor euch zum Ausdruck bringen und euch Mut zusprechen. Ich finde es gut, dass ihr euch in einem Selbsthilfeforum gegenseitig Kraft spendet und euch bei eurer Genesung unterstützt. Ich wünsche jedem von euch, diese Krankheit erfolgreich zu überwinden. Ich wünsche euch, dass ihr eines Tages wieder in den Spiegel schauen könnt und dort einen wunderschönen, normalgewichtigen (beides geht durchaus zusammen) Menschen erblicken werdet. Dass ihr stolz auf euch seid, es geschafft zu haben. Das wünsche ich jedem von euch von ganzem Herzen.

~~~ So, jetzt geht's los ~~~

Warum habe ich mich hier angemeldet? Ich habe vor einigen Wochen eine wunderhübsche, intelligente junge Frau an meiner Uni kennengelernt (22 Jahre alt), die 4 Jahre bulimisch gewesen ist. Sie zeigt Interesse an mir, und wenn alles klappt, ist sie vielleicht bald meine Freundin. Es ehrt mich, dass sie mir von ihrer Bulimie erzählt hat, und ich betrachte das als einen großen Vertrauensbeweis. Diese Ehre möchte ich gerne annehmen, indem ich mehr darüber lernen will. Ich möchte gerne verstehen, was genau es bedeutet, bulimisch zu sein, damit ich einfühlsamer auf sie eingehen kann.

Laut ihrer eigenen Aussage ist sie heute nicht mehr bulimisch. Das glaube ich ihr auch. Allerdings besteht - nach allem, was ich mir angelesen habe - prinzipiell stets die Gefahr eines Rückfalls, insbesondere in stressigen, emotional überfordernden Situationen. Sie studiert einen sehr anstrengenden Studiengang (Chemie, mit Promotion als Ziel), in welchem Stress an der Tagesordnung steht. In den letzten Jahren hat sie zwar kontinuerlich an sich gearbeitet, und fühlt sich inzwischen deutlich glücklicher und selbstbewusster; ihr Selbstbild ist aber dennoch "wertlos" (lt. eigener Aussage). Wie es hinter ihrer wohlkontrollierten äußeren Fassade aussieht, vermag ich nur schwer zu beurteilen. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass hier ein gewisses Rückfallpotential bestehen könnte.

Da Bulimiker anscheinend Meister der Tarnung und des Versteckens sind, möchte ich mich auf diesen Fall vorbereiten. Ich möchte gerne Insiderwissen ansammeln, das es mir ermöglicht, einen eventuellen Rückfall eines Tages erfolgreich zu erkennen, und in genau der richtigen Weise darauf zu reagieren.

In den vergangenen Wochen habe ich mich intensiv mit der Bulimie beschäftigt, habe mich über ihre Gesichter und Facetten informiert. Die grundlegenden Informationen habe ich mir aus verschiedenen Quellen (z.B. BZgA) angelesen. Ich weiß nun, wie Bulimie theoretisch, auf dem Papier, abläuft - habe aber keine Ahnung davon, wie sie in Realität ist. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Bulimie verschiedenste Auslöser haben kann. Welche Auslöser das im Fall meiner Kandidatin gewesen sind, kann ich nicht genau sagen. Ich weiß, dass sie "viel Mist" erlebt hat (Zitat), dass offensichtlich Alkoholismus in ihrer Familie vorliegt oder vorgelegen hat, und dass sie sehr wahrscheinlich in der Schule gemobbt wurde. Sie ist außerdem sehr perfektionistisch beim Erreichen ihrer Ziele. Das alles mag in Kombination dazu geführt haben, dass sie damals bulimisch geworden ist. Ich kann euch leider nichts Genaueres dazu sagen, da ich das Thema in meinen Gesprächen mit ihr gezielt vermeide, um keine unnötigen Schamgefühle bei ihr hervorzurufen.

Ich weiß als konkrete Krankheitsangaben nur Folgendes:
  • Sie war 4 Jahre lang bulimisch.
  • Sie gehörte definitiv zum Purging-Typ.
  • Es ist extrem wahrscheinlich, dass sie zu dem Zeitpunkt bei ihren Eltern gewohnt hat.
Unbekannt sind mir:
  • Der Auslöser der Bulimie.
  • Die Häufigkeit der FAs.
  • Ob ihre FAs geplant oder unkontrolliert waren.
  • Welche Lebensmittel sie zu sich genommen hat.
  • Wo sie diese Lebensmittel, falls überhaupt, gehortet hat.
  • Ob ihre Eltern, Familienmitglieder und ggf. Freunde davon gewusst haben.
  • Ob sie sich in Therapie begeben hat, oder ob sie die Erkrankung aus eigener Kraft besiegt hat.
Dazu möchte ich anmerken, dass ich sehr großes Mitgefühl mit ihr habe. Wenn ich die Zeit zurückdrehen, und sie von ihrer Erkrankung retten könnte, ich würde es ohne zu zögern tun (nein, kein Helferkomplex, nur positiv fasziniert von ihr). Sie ist eine so intelligente, mitfühlende und liebenswürdige Person. Wo andere egoistisch sind, denkt sie zuerst an andere. Sie ist sehr zielstrebig, aber gleichzeitig auch verletzlich. Was auch immer dazu geführt hat, dass diese junge Frau sich damals dazu entschieden hat, sich den Finger in den Hals zu schieben, sie hat es nicht verdient gehabt. Niemand hat das verdient.

Ich kenne den Druck, den die Gesellschaft auf das eigene Schönheitsbild ausübt, aus eigener Erfahrung. Ich kann von Natur aus sehr viel essen, und nehme kaum zu. Was ihr vielleicht beneidenswert findet, ist für mich ein Fluch. Ich war schon immer dünn, wodurch man als Mann weder von Männern, noch von Frauen ernst genommen wird. Männer schubsen einen herum, weil sie wissen dass man schwach ist, und Frauen betrachten einen nicht als möglichen Sexualpartner, weil ihnen die sozial konditionierte Männlichkeit fehlt (Muskeln, Körperbau und Gewicht). Daher habe ich mich inzwischen im Fitnesscenter angemeldet und betreibe Muskelaufbau - auf natürliche Weise - durch hartes Training und gesunde Ernährung. Ich kenne das euphorische Gefühl, wenn sich der Zeiger auf der Waage immer mehr in Richtung des persönlichen Wunschgewichts verschiebt, und sich das Spiegelbild immer mehr der eigenen Traumvorstellung annähert. Ich kenne die begünstigend wirkenden Kommentare und Sprüche von Kollegen, die einem Komplimente dazu machen, dass man zugenommen habe, und wie gut das doch nun aussehen würde. Ich schätze, ich habe eine Vorstellung davon, welche sozialen und psychologischen Faktoren da am Werk sind.
Ich habe nur das Glück gehabt, dass diese Ausgangsbedingungen (gesellschaftlicher Druck, damals persönliches Minderwertigkeitsgefühl, perfektionistisch-zielstrebige Ader, Unzufriedenheit mit dem eigenen Gewicht und Körperbild) bei mir persönlich nicht zu einer Magersucht oder Bulimie geführt haben, sondern - weil mein Wunschziel ein muskulöser Körper mit Normalgewicht ist - glücklicherweise nur zu einem gesunden Lebensstil. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass der psychologische Mechanismus dahinter bestechend ähnlich ist. Ich hoffe, ich konnte euch damit zeigen, dass ich zumindest ein grundlegendes Einfühlungsvermögen in dieser Hinsicht habe - nicht nur für meine Kommilitonin an der Uni, sondern genauso für jeden von euch.

Meine demnächst-vielleicht-Freundin trägt heute noch sichtbare Spuren der Bulimie an ihren Zähnen, aber das ist mir egal. Ich möchte darüber hinwegsehen und, wenn alles klappt, eine dauerhafte Beziehung mit ihr eingehen. Vielleicht sogar eines Tages eine Zukunft zusammen mit ihr aufbauen, wer weiß. Doch damit das funktioniert, möchte ich sie wie gesagt verstehen lernen - und das bedeutet, die Bulimie verstehen zu lernen, die vier Jahre lang ein Teil von ihr gewesen ist. Möglicherweise sogar ein Stück weit immer ein Teil von ihr sein wird.
Mein Ziel ist es, sie aufzubauen. Als Mensch, in ihrem inneren Selbstwertgefühl, und in ihrem Körpergefühl. Mir fehlt dazu aber der gezielte Einblick in die Bulimie - sozusagen die Brille, durch die der Bulimiker seine Welt betrachtet. Je umfassender mein Verständnis dieser Brille wird, desto empathischer kann ich reagieren.

Ich möchte verstehen, wie ein Mensch in den bulemischen Teufelskreis gerät. Ich möchte im Detail begreifen, was man fühlt, wenn man einen FA hat. Ich möchte lernen, welche Lebenssituationen positiv auf das Befinden wirken, und welche die Krankheit verschlechtern. Ich will wissen, was im Kopf einer Bulimikerin vorgeht, wenn sie Kalorien zählt oder an Essen denkt. Wie es sich anfühlt, Essen zu horten. Wie sich der Kontrollverlust anfühlt, während man immer mehr Essen in sich hineinschaufelt. Wie sich der Punkt anfühlt, an dem man das Essen wieder erbrechen will. Wie man überhaupt auf die Idee kommt, einen FA zu "planen". Was eine Bulimikerin denkt, wenn sie sich im Spiegel sieht. Was sie denkt, wenn sie sich gerade über der Toilette befindet. Was einer Bulimikerin durch den Kopf geht, wenn sie andere Menschen genüsslich essen sieht. Wie es sich anfühlt, dieses Doppelleben zu führen und dieses zweite Ich ständig vor allen Leuten geheim zu halten. Welche Tricks sie dazu anwendet, nicht entdeckt zu werden. Unter welchen Umständen überhaupt andere Menschen emotional an sich selbst herangelassen werden. Welche Spätfolgen eine Bulimie v.a. psychisch hinterlässt. Welche Art von Schamgefühl sich einstellt, und wann genau. Wie eine Bulimikerin reagiert, wenn sie erwischt wird. Wie sie reagiert, wenn sie damit konfrontiert wird. Ich habe da so viele Fragen, so viele Dinge, die ich verstehen lernen will.

So dass ich - sollte jemals ein Rückfall kommen - für sie da sein kann, und mich genau richtig verhalte. {da ist übrigens wieder mein Perfektionismus xD}

Rückblickend sehe ich einige Dinge in einem anderen Licht. Als sie im Kino eine kleine Packung Popcorn mit Cola zero bestellt hat, und von dem Popcorn nur 1/5 der Packung gegessen hat. Als sie in der Mensa glänzende Augen bekommen hat, während ich (unüberlegterweise...) davon erzählt habe, mein Gewichtsziel im Fitnessstudio für das Jahr 2014 erfolgreich erreicht zu haben. Als sie mit halbvollem Mensatablett meinte, ich würde sie nicht stören, ihr Essen sei eh schon kalt.
Vielleicht sind das kleine, unbedeutende Dinge, die ich gerade überinterpretiere. Das weiß ich nicht. Es können aber auch Warnsignale sein.

Ich bitte euch daher um eure Hilfe. Niemand weiß besser, wie sich Bulimie anfühlt, als ihr. Ich kann tausende Bücher lesen und werde es dennoch nie wirklich verstehen. Deshalb würde ich mich freuen, wenn hier ein Thema entsteht, dass mir Einblicke in die Bulimie ermöglicht und mich letztendlich dazu in die Lage versetzt, eine erfolgreiche Beziehung mit einer Frau zu führen, die jahrelang bulimisch gewesen ist.
Aktuell weiß ich nämlich nicht einmal, ob ich das Thema Essen überhaupt ansprechen darf.

Vielen Dank für's Lesen, und ich freue mich auf eure Beiträge! :D

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#2
Also, erstmal hallo an dich, Schattenwolf!

Ich hatte direkt den Impuls dir zu schreiben. Aber ich weiß nicht genau was, denn das, was ich garantiert nicht tun werde, ist dir deine Fragen zu beantworten. Das ist nicht böse gemeint! Aber Bulimie ist nicht umsonst eine heimliche Krankheit, ja bei vielen ist sie 'ihre' Kranheit, ihr Geheimnis. Nicht, dass wir es toll finden würden, aber mir persönlich stößt es negativ auf, mich einem Menschen so zu offenbaren. Deine Art, ich finde sie etwas grenzüberschreitend.
Ja, das ist es wohl. Du willst zu viel. Zu viel wissen (ist ehrenswert), zu viel helfen und richtig machen. Mein Impuls war direkt: Lass sie in Ruhe! Frage nicht zu viel und lass geschehen und akzeptiere, was kommen mag. Es liest sich schon fast, als würdest du gerne ihren Rückfall verhindern :!: Sorry, aber das kannst du nicht. Das kann keiner als Außenstehender. Allerhöchstens man selbst, wenn überhaupt.

Meine Meinung zu dir und deiner vielleicht potentiellen Freundin: Es kann passieren, ja, und deine Beobachtungen können andeuten, dass sie noch immer nicht frei von Esszwängen ist, dass sie nicht gänzlich gesund ist. Und vielleicht wird sie es nie ganz sein. Man weiß es nicht. Wenn du sie als Freundin willst, nimm sie an, wie sie ist. Und noch eines: Achte auf dich! Opfere dich nicht auf für sie. Sei du selbst. Man sollte schon eine gefestigte Persönlichkeit sein, um mit einer psychisch erkrankten Person zusammen zu sein. Und auch das ist nicht anmaßend an Bulimiker gemeint, oder gar stigmatisierend. Ich selbst bin jahrelang betroffen und habe 2 Beziehungen gehabt bzw. habe sie noch.

Was du aber richtig erkannt hast, ist, dass du dir alles anlesen kannst, aber sie ist ein Individuum und jeder ist anders. Ich versteh auch nicht wirklich, warum du alles so genau wissen willst?! Wie ist es ist, alles so zu verheimlichen oder wie es ist zu fressen und dann zu erbrechen..also das sind Informationen - das geht zu weit. Mir zumindest.

Du kannst dich hier im Forum einlesen. Da wirst einige Fragen beantworten und vielleicht werden dir auch einige deine Fragen beantworten. Mir tut aber deine potentielle Freundin fast schon leid. Denn sie ist doch nicht nur Ex-Bulimikerin. Seh sie als Mensch, ob nun mit oder ohne was auch immer und sprich mit ihr, wenn du Fragen hast.

Sooo, des wars...etwas wirr und durcheinander, aber egal...

Machs mal gut!
Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muß man es aber vorwärts.

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#3
Hallo Schlafquala,

vielen Dank für deine ehrliche Antwort. :) Ich möchte dazu gerne Stellung nehmen. Nicht um deinen Standpunkt zu widerlegen, sondern um meinen eigenen besser verständlich zu machen. Ich schreibe jetzt einfach mal deine zentralen Punkte heraus und äußere mich dazu. Dieser Beitrag wird sehr lang, dafür entschuldige ich mich.

1. Achte auf dich, opfere dich nicht für sie auf.
Selbstverständlich bin ich nicht Mutter Theresa. Ich tue das, was ich hier in diesem Forum tue, damit ich eine stabile und angenehme Beziehung mit der Frau führen kann, die ich will. Und weil ich mich in sie verliebt habe, möchte ich nicht mit ansehen, wie sie eines Tages einen eventuell denkbaren Rückfall bekommt. Noch weniger möchte ich durch mein eigenes unprofessionelles Verhalten dazu beitragen, dass so ein Rückfall in irgendeiner Form begünstigt würde. Und last but not least möchte ich sie natürlich auch nicht mit Dingen aus ihrer Vergangenheit unnötig belasten.

Was mich selbst angeht, hilft dir vielleicht eine Info zu mir: Ich habe eine ca. 10-jährige Mobbinggeschichte hinter mir. Das fing in der zweiten Klasse der Grundschule an, und hörte erst mit dem Eintritt in die gymnasiale Oberstufe auf. Das bedeutet, ich war von ca. 7-17 Jahren Mobbingopfer, und zwar stadtbekanntes Mobbingopfer erster Güteklasse. Bespucken? Beleidigen? Schubsen? Schlagen? Treten? Bedrohen? Fahrradreifen zerstechen? Klamotten unter der Dusche eiskalt nassmachen? Sportschuhe aufs Dach schmeißen? Auf dem Nachhauseweg verfolgen, und im Falle des erfolgreichen Einholens, umzingeln und schlagen? Psychoterror inkl. Telefonanrufen und Klingelstreichen nachts um 2 Uhr? Freunde, was ist das, kann man das essen? Beziehung, ist das eine seltene Ameisenart Nordafrikas? Liebe, Zärtlichkeiten und Küssen, wo steht das im Lexikon bitte? Kein Mensch hat sich, mit einer einzigen Ausnahme, je für mich interessiert. Die Ausnahme war mein bester Kumpel, der ebenfalls stadtbekannter Außenseiter war, und somit hingen wir dann fast täglich zu zweit herum. Wäre das nicht passiert, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich heute hier nicht mehr sitzen und euch diesen Text schreiben würde. Ach, und als Dankeschön hat mir besagter "bester Kumpel" dann einige Jahre nach dem Ende meiner Außenseiterzeit meine erste Freundin (ca. 4 Jahre Beziehung) ausgespannt, alle meine/unsere Freunde gegen mich aufgehetzt, und ich war wieder komplett allein gewesen.

Mein Selbstbewusstsein war auf null. Mein Körperbild war das, dass ich hässlich sei. Kein Wunder, wenn einem genau das immer alle einreden. Ich war innerlich gebrochen und habe neun Monate gebraucht, um mich von alledem zu erholen. Neun Monate, die ich in Einsamkeit in meinem Zimmer auf dem Dachboden meiner Eltern gesessen habe, während diese im Erdgeschoss fleißig ihrem Alkoholismus frönten. Meine Mutter, mein Vater, und mein Stiefvater hatten/haben alle ein Alkoholproblem - "hatten" schreibe ich deswegen, weil mein Vater letztes Jahr bereits verstorben ist, nachdem er angeblick ca. 20 Jahre trocken gewesen sei. Beim Ausräumen der Wohnung fanden wir dann ein Chaos vor, und natürlich halbleere Cognacflaschen direkt am Sofa.
Versteh mich nicht falsch, ich will hier nicht den getroffenen Hund markieren. Ich will dir nur zeigen, dass ich nicht einer von den Glücklichen bin, die eine schöne Kindheit und Jugendzeit gehabt haben und nun aus all dem Überfluss von Glück heraus das arme hässliche Entlein retten wollen. Nein, im Gegenteil: Ich weiß selbst nur allzu gut, wie es sich anfühlt, über sich selbst als "wertlos" zu denken, und den eigenen Körper für hässlich zu halten und ihn vielleicht sogar zu hassen. Wenn ich mit meiner vielleicht-demnächst-Freundin schreibe oder rede, dann erinnert sie mich nur allzu oft an mich selbst, und ich möchte ihr dann einfach nur so gerne zeigen, dass es einen besseren Weg gibt. Einen Weg, wo man sich selbst voll und ganz akzeptiert, wo man in den Spiegel guckt und sich attraktiv findet, und wo man stark geworden ist, ohne dabei auf die Fülle an reichhaltigen Emotionen verzichten zu müssen, die einem Mutter Natur mitgegeben hat.

Ich habe, als ich besagte Frau kennengelernt habe, diese aus Versehen mit meinem anscheinend starken Selbstbewusstsein verschreckt. Ich konnte nicht glauben, was ich las, als sie mir das geschrieben hat. Ich soll überaus selbstbewusst auf andere Menschen wirken? Ich, das kleine, schwächliche, zerbrechliche Ding? Als sie mir das gesagt hat, wurde mir erst einmal bewusst, wie weit ich in den vergangenen Jahren gekommen bin. Sie ist, soweit ich das erkennen kann, eine wundervolle Frau. Ich möchte ihr gerne zeigen, wie es ist, selbstbewusster zu sein und ein positiveres Selbstbild zu entwickeln.

Darüber vergesse ich aber nicht mich selbst. Daher vielen Dank für deine Warnung, aber ich schätze, ich habe in den vergangenen 6 Jahren gelernt, wie man die Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Bedürfnissen anderer Menschen, die einem nahe stehen, hält. Mir ist aber bewusst, dass das längst nicht alle können, deshalb danke.

2. Lass sie in Ruhe. Die Bulimie ist ihre Krankheit, ihr Geheimnis.
Würdest du einen Menschen, der nach einem Autounfall im Graben liegt, verbluten lassen? Selbst dann, wenn er dir sagt, dass er deine Hilfe nicht will, würdest du trotzdem versuchen, ihm zu helfen. Und warum? Weil du genau weißt, dass es das Richtige ist, so zu handeln.
(Das wäre das Beispiel für eine akute Bulimie. Okay, die liegt hier nicht mehr vor. Dann neues Beispiel.)

Würdest du einen Menschen, der stets ohne Sicherheitsgurt in einem Auto, das keinen TüV mehr bekommen hat, fährt, einfach so fahren lassen? Oder würdest du nicht versuchen, ihm dieses Problem langsam und vorsichtig bewusst zu machen? Ihn fragen, ob er findet, dass das Auto noch verkehrssicher ist? Ihn fragen, ob es ein Problem mit dem Gurt gibt?
Mehr noch...würdest du diesem Menschen, wenn es dir möglich ist und wenn du auf wiederholte Blockaden/Ablehnungen stößt, nicht sogar anbieten, einen Termin beim TüV für ihn zu machen? Würdest du ihn nicht mal "zufällig", bevor er zum Einkaufen fährt, zum Auto begleiten, und darauf achten, dass er sich anschnallt? Und falls du sogar gute social skills hast: Würdest du ihn nicht in ein freundliches Gespräch verwickeln, seinen Einkaufskorb wie selbstverständlich in den Kofferaum stellen, ganz nebenbei das abgefallene Kabel vom Rücklicht in einem unbeobachteten Moment wieder anschließen, zur Tür gehen, den Menschen sich auf den Fahrersitz setzen lassen, und dann elegant während einer Abschiedsumarmung den Sicherheitsgurt einklicken, bevor du lächelnd und winkend die Fahrertür schließt?

Mal angenommen, du würdest das zehnmal nacheinander machen - würdest du glauben, das bliebe ohne Effekt (vorausgesetzt, du würdest langsam verstehen, warum dieser Mensch sein Auto verrotten ließ, und warum er keinen Wert auf seine eigene Sicherheit legt)?

Angenommen, diese Vorgänge würden dich nur wenig deiner Zeit kosten. Wäre deine Motivation nicht hoch genug, es zu tun?

Jetzt nehmen wir mal an, es handele sich bei diesem Menschen jeweils nicht um irgendeinen Wildfremden, sondern um einen Menschen, der dir wie auch immer nahe steht. Würde das nicht dein Bedürfnis, die jeweilige Handlung auszuführen, noch einmal vervielfachen?

Du weißt nicht, ob dieser geliebte Mensch jemals einen tödlichen Autounfall mit dieser alten Klapperkiste haben wird, in der er nicht angeschnallt mit Tempo 100 über die Landstraße brettert. Er ist die letzten vier Jahre unfallfrei gefahren. Es ist dir völlig unbekannt, ob ein Unfall passieren wird, und wenn ja, wann. Und wie schwer die Verletzungen dann sein werden, ob nur leicht verletzt oder tödlich. Es ist ein Spiel mit der Statistik. Vielleicht passiert ein Unfall schon heute oder morgen, vielleicht erst in einem Monat, vielleicht in einem Jahr, vielleicht gar nicht.

Der Punkt ist: Du hast relativ einfache Möglichkeiten, um diesem Menschen zu helfen, der dir viel bedeutet. Egal ob er diese Hilfe am Anfang annimmt, du weißt, dass es das Richtige ist. Du weißt, dass ein Unfall nur vom Fahrer verhindert werden kann, und nicht von dir. Du weißt auch, dass es manchmal sogar Unfälle gibt, wo nicht einmal der Fahrer ihn hätte verhindern können. Trotzdem: Würdest du das Risiko eingehen, diesen geliebten Menschen in einer alten Klapperkiste mit abgelaufenem TüV unangeschnallt herumfahren zu lassen? Würdest du?

Die Nachbarn werden vielleicht sagen: Lass ihn/sie einfach in Ruhe. Es ist nicht dein Leben. Es ist nicht dein Auto. Dieser Mensch ist erwachsen, er muss selbst wissen, was er tut. Lass dich nicht in die Probleme dieses Menschen verwickeln. Man kann nicht allen helfen. Du weißt ja gar nicht, ob es einen Unfall geben wird. Und wenn, dann kann ihn nur die Person am Steuer verhindern, nicht du. Also, was soll's: Lass diesen Menschen doch in seiner Klapperkiste herumfahren! Lass ihn in Ruhe, dann fühlt er/sie sich wohler!

Ich weiß nicht, wie es euch geht, liebe Leser...aber ich würde mich verdammt blöd dabei fühlen, eines Tages von der Polizei den Anruf zu bekommen, dass dieser Mensch bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Mehr noch, ich würde mir höchstwahrscheinlich für den Rest meines Lebens Vorwürfe machen. Und vielleicht, ich sage nur vielleicht, würde das Leben dieser zwei Menschen besser verlaufen sein, wenn einer von ihnen sich auch nur ein einziges verdammtes Mal Gedanken darüber gemacht hätte, welche psychologischen Hintergründe das Problem hat, vielleicht auch im Austausch mit anderen rostiges-Auto-Fahrern ohne Sicherheitsgurte.

Ich tue das, und ich tue das selbst dann, wenn dieser geliebte Mensch nur ungern über Verkehr, Verkehrssicherheit, Autos, Führerschein, TüV-Besuche, usw. redet und sich auch nur sehr ungern anschnallt. Ich weiß, es ist nicht mein Auto. Ich weiß, ich bin nicht der Fahrer. Ich weiß, es ist nicht abzusehen, ob es jemals einen Unfall geben wird, und ob der tödlich verläuft oder nicht. Aber ich sehe zweifelsfrei, dass da ein Problem existiert, das irgendwann mal gefährlich akut werden kann. Deshalb würde ich gerne liebevoll darauf hinarbeiten, wie man besagten Menschen dazu bringt sich ein neues Auto zu kaufen und sich in Zukunft anzuschnallen.

Aus der 1000-seitigen Bedienungsanleitung des rostigen Ford Fiesta Bj. 1992 werde ich nur leider nicht schlau. Aus dem psychotherapeutischen Handbuch über Menschen mit Verkehrs- und Anschnallängsten auch nicht. Da muss ich schon mit Leuten reden, die selber rostige Autos fahren, selbst wenn die selber auch nur ungern darüber reden mögen.

3. Sie ist ein Mensch, und nicht nur Ex-Bulimikerin.
An diesem Punkt stimme ich dir natürlich 100%-ig zu. Etwas anderes habe ich auch nie behauptet (falls doch eine Textstelle missverständlich gewesen sein sollte, entschuldigt dies bitte). Ich sehe besagte Frau als Mensch, nicht als Ex-Bulimikerin.

Ich bin mir allerdings natürlich darüber im Klaren - und muss das auch sein, falls ich eine Beziehung mit ihr eingehen sollte -, dass sie ein Mensch mit einer vierjährigen bulimischen Vergangenheit ist. Das hinterlässt zweifellos Spuren, wie mir auch die Beiträge hier im Forum zeigen. Manche Quellen (z.B. diese) sprechen von mind. 30% Rückfallquote. Ich kann davor nicht die Augen verschließen, das wäre idiotisch von mir (und obendrein auch noch ziemlich ignorant).

Ich sehe meine Kommilitonin an der Uni also selbstverständlich als Mensch, aber halt als Mensch mit bulimischer Vergangenheit. Und genau deswegen finde ich es wichtig, diese Vergangenheit möglichst gut zu verstehen. Einerseits, um die Gefahr eines Rückfalls zu verringern, und andererseits, um gewisse Verhaltensmerkmale und Denkweisen von ihr besser verstehen zu können.

Natürlich könnte ich sie das alles auch einfach selbst fragen, insb. weil die Bulimie so individuell verläuft. Aber ganz ehrlich, geh mal einen Moment in dich: Würdest du das wollen, wenn es um dich ginge? Dass der Typ, mit dem du noch nicht einmal zusammen bist, ankommt und intime Fragen über deine (bereits abgeschlossene) Bulimie stellt? So dass dir im schlimmsten Fall danach alles wieder hochkommt, wenn du alleine bist? (schlimmstenfalls im wahrsten Sinne des Wortes)

Ich habe schlicht und ergreifend nicht das Recht, sie zu fragen. Schon dreimal gar nicht jetzt an diesem frühen Zeitpunkt unseres Kennenlernens. Deshalb bin ich auf das angewiesen, was mir Infotexte (bereits gelesen) und die Mitglieder dieses Forums bieten. Und nur Letztere haben das tatsächliche "Insiderwissen", die vielen Details, die zu einem wirklichen Verständnis dieser Essstörung m.E. nötig sind.

4. Wieso willst du alles so genau wissen?
Einerseits sollte an diesem Punkt nun verständlich sein, warum es mir ein Anliegen ist, die bulimische Vergangenheit meiner Kommilitonin besser zu verstehen. Andererseits sollte klar sein, dass ich ein extremes Problem damit habe, da ich mangels eigener bulimischer Erfahrungen nicht über das Level eines Sachtextes hinauskomme.

Ich habe ein normales Essverhalten. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich eine Bulimie anfühlt. Wenn ich Hunger habe, esse ich, bis ich satt bin. Dann fühle ich ein Sättigungsgefühl und höre auf, zu essen. Nach dem Essen fühle ich mich zwar voll, aber habe absolut keinen Drang, mein Essen wieder loszuwerden. Die Vorstellung, nach dem Essen ein künstliches Erbrechen herbeizuführen, wirkt für mich fremd und unverständlich. Ich habe viele Texte über Bulimie gelesen, und verstehe zwar, was der grundlegende Gedankengang/Mechanismus dahinter ist; aber ich habe absolut kein Vorstellungsvermögen, wie sich das aus subjektiver Sicht anfühlt. Welche Gedanken und Gefühle einem durch den Kopf, durch das Herz und durch den Magen gehen. Texte und Bücher können mir das nicht vermitteln, sondern nur die Kommunikation mit Betroffenen selbst. Was natürlich voraussetzt, dass meine Fragen nicht zu dreist sind und ihr bereit seid, in der Anonymität dieses Forums zu antworten.

Mir fehlt einfach das grundlegende Verständnis, wie ein Bulimiker denkt und fühlt. Im Detail - nicht in den viel zu allgemeinen Texten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Denn nur das Detail lässt mich wirklich verstehen.

5. Du kannst einen Rückfall nicht verhindern. Das kann nur sie selbst.
Der letzte Punkt, und auch der, auf den ich am ausführlichsten eingehen möchte.

Im Prinzip stimmt dein Gedankengang nämlich! Ich kann das nicht, sondern nur sie selbst.

Ich kann aber das Zweitbeste tun: Ich kann die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, die sie dabei unterstützen, dauerhaft clean zu bleiben. Ich bin davon überzeugt, dass sich das Risiko eines Rückfalls ganz erheblich reduzieren lässt, wenn ich ihr - unterschwellig - dabei helfe, möglichst viele Risikofaktoren auszuschalten. Risikofaktoren sind für mich u.a.: negatives Körperbild, geringes Selbstwertgefühl, niedriges Selbstbewusstsein, Unfähigkeit Emotionen zu kommunizieren, hoher Stresslevel.

Ich bin mir darüber bewusst, dass das ein ehrgeiziges Ziel ist. Ich versuche bereits, das in einigen Punkten umzusetzen: {das ist jetzt nichts Bulimie-spezifisches, sondern allgemeine "Persönlichkeitsstärkung"}
  • Wenn sie sagt, dass sie nichts wert sei, zeige ich ihr, warum das nicht stimmt.
  • Wenn sie sagt, dass sie eine langweilige Person sei, behaupte ich das Gegenteil.
  • Wenn sie sagt, dass sie viel Mist erlebt hat, erzähle ich ihr meine eigene Geschichte (ohne ihre einzufordern, versteht sich). Ich zeige ihr, dass ich auch mal so über mich selbst gedacht habe wie sie, und warum ich finde, dass es sich lohnt, ein positives Selbstbild zu entwickeln.
  • Wenn sie mir erzählt, dass ich mit einer anderen besser 'dran wäre, zeige ich ihr, warum sie etwas Besonderes für mich ist, und was sie besser kann als andere Frauen.
  • Wenn sie Zeit für sich braucht, gebe ich ihr sie. Wenn ich aber merke, dass sie vor irgendetwas versucht zu fliehen, ermutige ich sie, sich dem zu stellen.
  • Wenn ich merke, dass sie irgendetwas stresst oder bedrückt, biete ich ihr an, darüber zu reden - ohne es einzufordern.
Dabei achte ich immer darauf, möglichst nur realistische Beispiele zu nennen, und die Kommentare möglichst kurz und passend zu gestalten. Nach Möglichkeit nie mehr als ein paar Sätze. Ich gehe immer nur max. so weit, wie sie das meiner Einschätzung nach verträgt (höchstens so weit), und versuche stets, sie in eine positive Grundstimmung zu bringen (ohne dabei aufgesetzte Fröhlichkeit zu verlangen). Außerdem behalte ich diese ganzen Gedanken, die ich hier schreibe, für mich, so dass sie nur konkrete Handlungen von mir sieht.

Ich hoffe, du erkennst die Idee dahinter? Ich möchte ihr Selbstbild (und wenn möglich, Körperbild) mit der Zeit zum Positiven ändern, indem ich kurze Statements verwende, die positive Aspekte von ihr betonen oder negative Aspekte relativieren/abschwächen. Wenn ganz krasse Kommentare kommen, auch mal durch Ignorieren ebendieser, um ihren negativen Gedanken gar keine Bühne zu bieten, sondern stattdessen mehr Zeit mit positiven Gedanken zu verbringen. Auf Dauer müsste das ihr Selbstwertgefühl deutlich heben. Darüber hinaus probiere ich, etwas von meinem eigenen Selbstbewusstsein auf sie abfärben zu lassen, indem ich sie in passenden Situationen dazu motiviere, sich mutig zu verhalten (z.B. über Dinge zu sprechen, wenn sie etwas beschäftigt; etwas auszuprobieren, was sie noch nie zuvor getan hat; neue Orte und Aktivitäten auszuprobieren). Alles etwas zu abstrakt, deshalb kommen jetzt Beispiele.

In Realität sieht das z.B. folgendermaßen aus: {frei nach Facebook, meist - aber nicht immer - wörtlich; blau ich, lila sie}
  • "Ich hab mich in dich verknallt." - "Schlechter Witz oder großer Fehler, je nachdem..." - "Wenn du wüsstest, wie viele Stunden sich (Kollegin) meine Schwärmerei über dich anhören musste! :D"
  • "Ich hab Erfahrung mit Frauen wie dir..." - "Mit Frauen wie mir? Das heißt?" - (Liste mit typischen Attributen von Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl) - "Die beste Trefferquote hast du ja nicht! ;) Aber mach weiter, ist gerade äußerst interessant!"
  • (Treffen abmachen und dabei klarstellen, dass nichts passieren wird, was der Dorfpfarrer nicht gutheißen würde) - "So weit kommen wir bestimmt nicht. :P" - "Stimmt, hast recht. Aber wenn, magst du Kokos-Creme zum Massieren?"
  • (versuche herauszukitzeln, ob s*x**ll* alles in Ordnung bei ihr ist, oder ob sie sich für ihren Körper schämt o.ä.) - (weicht mehrmals aus) - "Okay, Limit für heute erreicht! :D" - "Jetzt hättest du fast schon 'ne Erklärung bekommen, Mistkerl!"
  • "Aber erstmal ein Eis essen gehen, damit ich sehen kann, ob du mir zu psychotisch bist." - "Bin ich bestimmt." - (ignoriere ihren Kommentar und mache weiter, als wenn nichts geschehen wäre)
  • "Du willst bestimmt nicht hinter meine Masken sehen. Ich glaube auch nicht, dass ich das will." - "Ja, ich will hinter deine Masken sehen. Klingt komisch, ist aber so. Ich interessiere mich für die Person, die du bist, wenn keiner hinschaut. Ich verspreche dir aber, dir deine Masken nicht vom Gesicht zu reißen, sondern zu warten, bis du sie mir zeigst."
  • "Du bist mit 'ner Anderen besser 'dran, glaub's mir." - "Kennst du etwa die Andere, dass du dir so ein Urteil erlauben kannst? :P"
  • "Woher glaubst du zu wissen, was mit mir ist?" - "Das weiß ich nicht. Das musst du mir schon langsam und schonend beibringen. :P"
  • "Du würdest deine Zeit verschwenden." - "Gib mir einen Grund, warum ein Treffen mit dir Zeitverschwendung wäre." - "Ich reiche als Grund für Zeitverschwendung bereits." - "Du als Mensch sollst ne Zeitverschwendung sein? Ich bitte dich. Du bist 'n süßes kleines Knuddelmäuschen (mit bissigen Zähnen ^^). Nichts, womit ich nicht umgehen könnte."
  • "Ich kann mit Menschen mit anscheinend großem Selbstbewusstsein nicht umgehen." - (erzähle ihr, dass ich vor vielen Jahren auch mal so gewesen bin wie sie, und dass ich deshalb trotz meinem Selbstbewusstsein auch eine introvertierte Seite habe)
  • (erzählt mir, dass ihr der Kuss auf die Wange zu viel gewesen ist) - "Dabei habe ich dich doch extra gefragt, ob dir das zuviel war? Mensch sag doch was, dann hätte ich langsamer gemacht!" - "Das könnte ich nie aussprechen." - "Ich hoffe ich hab dich damit nicht überfallen. ;) Ich pass in Zukunft besser auf und schalte 'nen Gang runter. Ohne deine Mithilfe fällts mir schwer, das richtige Maß zu finden, wie viel Nähe du erträgst ohne dich wieder zurückziehen zu wollen. Wenn du mir dabei hilfst, können wir es gerne versuchen."
  • "Du bist bekloppt! :D" - "Hey, ist es nicht genau das, was Leute wie uns auszeichnet?"
  • "Schreib mich gerne an, im Laufe der Woche, ok?" - "Du verlangst mehr als du denkst. :P Ich bemühe mich." - (erzähle über andere Dinge) - und übrigens, deine Schritte rechne ich dir positiv an. ;)"
  • "Ich kann es leider nicht ändern, ein langweiliger Mensch zu sein." - "Du bist sicher alles, nur nicht langweilig." - "Da irrst du wohl." - "Ich beweise dir das Gegenteil. Wie wär's mit diesem Wochenende?" - "Das kann ich nur schwer glauben." - "Come on. Ich weiß, du bist ein Chemienerd. Aber ich find dich interessant und du darfst mir ruhig mehr von dir zeigen, wer du bist."
Es zeigt meiner Meinung nach auch schon erste Erfolge. Ich kann und werde natürlich davon keine Wunder erwarten, aber sie scheint sich zu öffnen und sich in meiner Gegenwart wohler zu fühlen. Als ich vor ein paar Tagen die ersten Kusssmilies von ihr bekam, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Als sie mir angedeutet hat, dass sie mich demnächst mal küssen will, noch viel weniger. Es scheint ganz offensichtlich zu funktionieren.

Hinweis: Ich habe mich mit dieser o.g. Methode selbst "therapiert". Das Gehirn maßt Dingen, mit denen wir uns viel beschäftigen, viel Bedeutung zu. Wem wir viel Zeit und Aufmerksamkeit widmen, das wird als wichtig empfunden. Positive Aspekte der eigenen Person zu betonen und negative Aspekte zu ignorieren (oder zu relativieren, also z.B. Misserfolge den ungünstigen Umständen zuzuschreiben statt den eigenen Fähigkeiten) funktioniert daher meiner Meinung nach hervorragend. Es braucht - das liegt in der Natur der Sache - natürlich viele Monate, bis sich deutliche Erfolge zeigen, aber die sind dann umso dauerhafter.

Ich will hier natürlich nicht Mutter Theresa spielen, aber was ich tun kann, das tue ich.

Unser erstes Treffen (Mitte 2014) wollte sie erst absagen, weil ihre letzte (und bislang einzige) Beziehung damals erst ein halbes Jahr zurücklag. Außerdem hatte sie eine Mandelentzündung und konnte deswegen kein Wort sprechen. Weißt du, was ich gemacht habe? Sie einfach den Kopf einziehen lassen, gehen, und mich anderen Frauen zuwenden? Nein. Ich habe sie so lange beharkt, bis sie mir ihre Nummer gegeben hat. Dann haben wir "telefoniert". Das bedeutet, ich habe sie mitten in der Nacht angerufen, sie hat den Hörer abgenommen, und ich habe eine halbe Stunde lang geredet. Ich habe ihr genau erzählt, warum-weshalb-wieso ich sie kennenlernen möchte, dass ich beginne sie zu verstehen, dass sie sich bitte nicht zurückziehen soll auch wenn's ihr schwer fällt (Rückzug ist nämlich immer die einfachste Taktik), dass ich ihre Grenzen respektieren werde, und dass ich es echt verdammt schade fände, wenn wir beide aneinander vorbeilaufen würden und nie erfahren werden, ob aus uns etwas geworden wäre. (Anm.: Uns war beiden klar, dass ich die Uni bald verlassen werde, und wir uns sonst nie wiedersehen würden)
Weil sie nicht sprechen konnte, hat sie mir anschließend auf Facebook ihre Antworten geschrieben. Mit dem Ergebnis, dass ich einen positiven Eindruck auf sie hinterlassen habe, und sie nun doch Lust auf Kino hätte. Den Kinobesuch habe ich dann erfolgreich vergeigt, weil mir nicht klar war, wie niedrig ihr Selbstbewusstsein ist und wie schwierig körperliche Berührungen bei ihr anscheinend sind. Sie konnte mir, wie oben erwähnt, nicht einmal ins Gesicht sagen, dass ihr ein Kuss auf die Wange am Ende des Dates zu viel war, nachdem ich sie (weil sie schüchtern-verwirrt geguckt hatte) auch noch direkt danach gefragt habe, ob das gerade zu viel für sie gewesen ist. An diesem Punkt war alle Aussicht auf eine Beziehung mit ihr pretty much zuende.
Was habe ich dann gemacht? Aufgegeben? Nein. Ich habe ihr ein halbes Jahr Ruhe gegönnt, zwischendurch immer mal wieder lustige Comics etc. auf Facebook geschickt, ansonsten aber in Ruhe gelassen. Und irgendwann habe ich dann eines Tages das hier gefunden, und es ihr geschickt:
Bild

Du kannst dir an diesem Punkt meines Beitrags sicherlich vorstellen, dass dieses Bild dann der Auslöser dafür gewesen ist, dass wir nun wieder regelmäßig miteinander schreiben, uns auf diese Weise emotional deutlich näher gekommen sind. Sie will mich definitiv kennenlernen, die ersten Kuss-Andeutungen fliegen auch schon durch die Gegend, und alles in allem bin ich mit der Situation gerade sehr zufrieden! Es sieht wirklich gut aus! :D

Aber nicht durch Zufall, sondern weil ich daran gearbeitet habe, sie zu verstehen.

Hinweis: Schreiben ist ein mächtiges Werkzeug! Telefonieren oder gar ein persönliches Gespräch zu führen, erfordert viel mehr Mut ihrerseits. Über das Schreiben fällt es ihr ganz offensichtlich leichter, Dinge zu kommunizieren. Daher habe ich mit einem zweiten Date - von dem Zeitpunkt an gerechnet, wo wir wieder Kontakt miteinander gehabt haben - möglichst lange gewartet. So kann sie sich in Ruhe an die neue Situation gewöhnen.

Um zurück auf den Punkt deines Textes zu kommen:
  • ein positives Selbstwertgefühl
  • ein höheres Selbstbewusstsein
  • ein womöglich besseres Körperbild
  • und die Fähigkeit, Gedanken und Emotionen möglichst frei zu kommunizieren

dürften allesamt vor einem theoretisch denkbaren Rückfall schützen. An diesen Punkt will ich hin. Prävention.


Die Kunst ist, es so zu machen, dass es für sie nicht zu anstrengend wird. :mrgreen:
(d.h. die gute alte Kalibration...was darf man, was darf man nicht, was geht noch, was führt zu weit, wann redet man, und wann hält man besser die Klappe?)

6. Fazit
Ich hoffe, du erkennst an diesem Punkt auch den großartigen Wert dieses Forums und insb. der eventuell noch folgenden Beiträge in diesem Thread. Es hilft mir sehr dabei, besser einzuschätzen, was ich voraussichtlich darf und wann ich vermutlich zu weit gehen würde. Ich weiß im Moment wie gesagt nicht einmal, ob ich das Thema Essen bei ihr überhaupt ansprechen darf, und worauf es dabei zu achten gilt.

Ohne jemals auch nur einen unpassenden Satz in Realität zu ihr zu sagen, weiß ich dann bereits alles, was es über Bulimie zu wissen gibt. Ich habe, ohne mit ihr darüber geredet und unschöne Erinnerungen hochgebracht zu haben, dann bereits gelernt, durch welche Brille eine (Ex-)Bulimikerin ihre Welt betrachtet (hat).

Zu verstehen, wie die Bulimie funktioniert und wie Bulimiker denken/fühlen, wird für mich und für sie eine enorme Entlastung sein. Ich kann mir dadurch unzählige Fragen zu ihrer Vergangenheit sparen, und so diesen negativen Gedanken und Erinnerungen so wenig Raum wie möglich bieten. Jede Frage, die ihr mir beantwortet, muss ich ihr nicht stellen! Jede Erinnerung, die sie daraufhin gehabt hätte, muss sie dann nicht fühlen. Und ich habe trotzdem das volle Verständnis, und kann meine Handlungen entsprechend auf sie abstimmen, d.h. empathischer reagieren. Mich in sie hineinfühlen, auf sie besser eingehen können.

Du hast recht: Der Umgang mit einer Freundin, die vier Jahre lang bulimisch gewesen ist, erfordert (womöglich...davon gehe ich aus) eine starke Persönlichkeit und ausreichendes Know-How. Umso wichtiger, dass ich dieses Know-How erarbeite. Nicht, um mich gegen alle nur denkbaren Möglichkeiten abzusichern, sondern einfach, um kein emotionales Trampeltier zu sein. Bei einer Essstörung, wo Heimlichkeit und Schweigen so bedeutende Rollen spielen, wäre eine Beziehung ohne ausreichendes Know-How wie Topfschlagen im Minenfeld. Nur, dass die Mine dann nicht mir ins Gesicht fliegt, sondern ihr. Empathie ist da m.E. oberstes Gebot, und Empathie ohne wirklich tiefgehendes Verständnis der Bulimie ist nicht möglich.

Sei ehrlich: Würdest du dir insgeheim nicht auch wünschen, dass dein Freund (ich gehe davon aus, du bist weiblich) bereits alles über Bulimie wüsste, ohne dass du dir die Blöße geben müsstest, ihm das alles zu erzählen? So dass er perfekt empathisch auf dich reagieren kann, dich in deinen "Eigenheiten" wirklich versteht, und in jeder Situation wunderbar einfühlsam zu dir ist? Selbst dann, wenn er mal offene Verpackungen findet, oder Geräusche aus der Toilette hört? Was würdest du lieber wollen - vollständige Geheimhaltung, so dass alles wieder von vorne losgeht, oder einen Freund, der dir liebevoll die Haare hochhält, dir zu verstehen gibt dass er dich trotzdem liebt, und anschließend mit dir ein warmherziges einfühlsames Gespräch führt, in dem ihr beide Lösungen dafür erarbeitet, damit das nicht wieder passiert? Oder sogar: Dich von vornherein liebevoll aufbaut, so dass du gar nicht erst wieder in die Situation kommst, in dein ehemaliges bulimisches Verhalten zurückzufallen? Wäre so etwas nicht toll für dich - einen Freund zu haben, der alles weiß und sehr professionell reagiert, ohne dass du ihm auch nur ein einziges Wort über deine Krankheit erzählen brauchtest?

Die Scham, die du gefühlt hast, als du meine Fragen gelesen hast - die würdest du meiner demnächst-bald-Freundin ersparen! Du würdest mir meine Fragen beantworten, so dass sie es nicht mehr tun braucht! Und das könntest du (und könnten alle) in der Anonymität dieses Forums tun, ohne dass du und ich jemals voneinander wüssten, wer wir im wirklichen Leben sind.

Ich hoffe, dir ist jetzt meine Motivation etwas verständlicher geworden. Ich möchte einfach nur ein möglichst einfühlsamer Freund sein, der genau Bescheid weiß.

Selbstverständlich werde ich es aber akzeptieren, wenn du und anderen Forenmitglieder mir nun sagen, dass sie keine detaillierten Einblicke gewähren möchten. In diesem Fall werde ich einfach still im Forum lesen und das, was ich suche, aus verschiedenen Quellen zusammentragen. Das ist selbstverständlich auch möglich. Ich will hier niemanden bedrängen und mich auch nicht in Dinge einmischen, die mich nichts angehen.

Viele Grüße,
Schattenwolf

- Edit: Rechtschreib- und Grammatikfehler gefunden und zur Strecke gebracht. -
Zuletzt geändert von Schattenwolf am So Jan 18, 2015 17:45, insgesamt 4-mal geändert.

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#4
Eigentlich wollte ich mich aus dem Thread raushalten....aber ich schreibe es jetzt doch.

RÜCKFÄLLE
Ich hatte, neben einigen anderen Diagnosen, Bulimie. Hab es von Juni 2013-Mai 2014 geschafft kein einzige Mal zu erbrechen. Hatte aber deswegen kein normales Essverhalten. Dann kam der Rückfall. Und hat mich schließlich in eine fast 2-monatige Rückfallsphase geworfen.
Nach den genau genommen ca 7 Wochen, hab ich beschlossen, dass ich nun diese Essstörung endgütlig nicht mehr in meinen Leben haben möchte.
Und ernähre mich seit Mitte Juli 2014 normal.
Kein Erbrechen, Keine Essattacken, Kein Fasten.
Ich hatte im November, als wirklich viel zusammen gekommen ist, EINEN Rückfall.
Hab eine vergleichsweise minimale Menge zu mir genommen, hab mir schon währenddessen gedacht "Louve was tust du da??" und dann erbrochen.
Ich fand es grauslich. Ich fand es unnötig. Es hat mir rein gar nichts gebracht.
Oder doch?
Ja hat es.
Beide Rückfälle haben etwas gebracht.
Die 7 Wochen hab ich gebraucht.
Ich musste glaub ich nochmal in den Sog der Bulimie kommen. Weil in den 10.5 Monaten, wo ich nicht erbrochen habe, war wie gesagt mein Essverhalten nicht normal.Und jeden Tag habe ich mit mir gekämpft. Um nicht nach dem Essen aufs Klo zu verschwinden. Hab gegen FAs angekämpft und oft verloren.
Und dann hab ich nachgegeben.
7 Wochen lang. 7 Wochen in denen ich gemerkt hab wie scheiße diese Krankheit ist. Und dass ich sie weder WILL noch BRAUCHE.
Und habe es dadurch geschafft, dass endlich dieser innere Kampf leichter wurde.
Weil davor DURFTE ich mich nicht erbrechen.
Danach WOLLTE ich mich nicht erbrechen.
Und der eine RF im November?
Es war gerade alles blöd um mich herum. Ich war auf der Psy, mir ging es körperlich scheiße, ich musste mich sowieso dauernd ungewollt übergeben, ich hatte Schmerzen und mein Studium stand auf dem Spiel.
Also was hatte ich in dem Moment zu verlieren? Übergeben hätte ich mich sowieso müssen vom Mittagessen, weil mein Magen damals absolut nicht wollte. Also kann man ja gleich weiter essen und nachhelfen.
Es hat mir das gebracht - dass es mir eben nichts gebracht hat.
Ich hab gefressen und gespieben und außer dass meine Süßigkeitsvorräte der ganzen Woche weg waren, die mir wenigstens bissi Energie gegeben haben, ich mich eklig gefühlt habe und es grauslich war.....war nichts anders. Ich war immer noch in der Psy, mir ging es immer noch körperlich scheiße, mein Magen hat immer noch rebelliert wenn nicht eher noch mehr, ich hatte noch mehr Schmerzen und mein Studium stand weiterhin auf dem Spiel. Nur dass ich mich noch schlechter fühlte danach.
Seit diesem RF weiß ich wirklich - es bringt mir nichts mehr.
Was ich dir damit sagen möchte.....Rückfälle gehören bei so einer Krankheit bis zu einen gewissen Grad dazu. Und nicht immer sind sie unbedingt negativ.
Ohne den Rückfällen hätte ich kein so normales Essverhalten. Und kein so ein Nicht-Verlangen was das Erbrechen betrifft.
Vielleicht hat die eine längere Phase und der eine einzelne RF gereicht um jetzt mich normal zu ernähren.
Vllt muss ich mich irgendwann wieder daran "erinnern" was diese Krankheit wirklich mit einen macht. Vllt kommen irgendwann wieder ein paar Wochen oder gar Monate, wo ich in ihr drinnen bin. Damit ich mich dann wieder eine viel längere Zeit normal ernähren kann.
Und glaub mir - wenn die Psyche sowas "braucht" kann das keiner verhindern. Wenn man die ES NICHT WILL dann ist man die einzige die gegen sie ankommen kann. Und wenn man die ES WILL kann einen keiner abhalten.
Ich war super eingebunden. Tolle Freunde, Therapie, Ärzte, Familie, tolles Praktikum....hätte alles gepasst vom Umfeld her. Jeder wäre mir sofort zur Seite gestanden. Viele sind mir in der Zeit zur Seite gestanden weil sie gemerkt haben irgendwas passt nicht. Aber keiner konnte mich abhalten zu speiben.
Und genauso wenig wirst du deine mögliche Freundin abhalten können, wenn sie sich nicht abhalten lassen will.

ESSVERHALTEN
Dann meinst du, dass sie Anzeichen hat, dass die ES ja vllt schon da ist.
Ja vllt ist ihr Essverhalten noch nicht normal.
Oder hey - vllt hat sie dich auch einfach wirklich gerne und sie is nervös in deiner Gegenwart aber isst sonst völlig normal?
Ich hab a Tage oder Leute, wo man sich denken könnte, ich hätte kein normales Essverhalten.
Wenn man jemanden trifft, der später ein potentieller Partner ist...da würde ich auch keine riesen Portion glaub ich essen...nicht am Anfang. Erst wenn eine gewisse Vertrauensbasis da ist. Dann würd ich wirklich so essen wie ich gerade lust habe. Mal zu viel - mal zu wenig - mal perfekt passend.
Und erst recht nicht, wenn i das Gefühl hab die Person schaut genau drauf, ob i danach aufs klo verschwinde.... da würd i ihr gar keinen grund geben zu glauben es gäbe einen grund dass i aufs klo verschwinde!
Und es is a ganz natürlich mal weniger und mal mehr zu essen.
Allein wenn i meine letzte Woche anschaue....ich stand irrsinnig unter stress. Und hab 4 Tage halt wirklich unter meinen Bedarf gegessen. Da hat meine Studienkollegin a einmal gemeint "Louve hast du heute nur *** gegessen bis jetzt?" und i hab ehrlich ja gesagt.
Weil i einfach so angespannt war mit meinen ganzen Unizeug dass i echt net dran gedacht hab mir was gescheites zu essen zu kaufen und zum kochen hatte i einfach keine Zeit.
Und jetzt war i 3 Tage bei meiner Familie und heute mit der Uni essen.
Und i hab in den 4 Tagen alles wieder aufgeholt, was i 4 Tage eingespart habe.
Wie i mit meinen Eltern am Freitag im Restaurant gesessen bin, hab i plötzlich gemerkt "hey das war echt ne harte woche - du hast jetzt echt alles verdient was du willst."
Und ich hab alle 4 Tage ohne schlechten gewissen mit genuss gegessen.
Dass das Gewicht, was davor durch das ungeplante Fasten unten war wahrscheinlich wieder oben ist, ist mir ziemlich egal gerade. Hauptsache mein Körper hat wieder alle Nährstoffe.
Also was ich damit sagen will - analysiere nicht JEDEN bissen den sie macht.
Ja wenn sie über einen längeren Zeitraum, wo ihr wirklich viel Zeit miteinander verbringt und regelmäßig gemeinsam esst, unter ihren bedarf isst. Oder unmengen isst und dann verschwindet.
Dann sind das schon zeichen.
Aber so wie du das beschrieben hast, klingt es so, als hättest du sie noch nicht sehr oft ausgeführt. Da bitte bitte analysiere sie nicht die ganze zeit. Und glaub mit (ehemalige) Essgestörte, bemerken es, wenn sie die ganze Zeit mit Adleraugen beobachtet werden beim Essen! Und dann essen sie noch ungerner!

ALLES WISSEN ÜBER DIE ES

Du hast Schlafquala gefragt, ob sie nicht auch einen Partner haben wollen würde, der schon alles über die Bulimie weiß, was es zu wissen gibt, damit sie die Fragen nicht beantworten muss.
Wenn ich die Frage beantworten darf.
NEIN WILL ICH NICHT!!!!
Ich will einen Partner haben, der soviel weiß, wie ICH ihm erzählen möchte.
Wenn ich möchte, dass er sich weiter informiert, gebe ich ICH ihm Bücher, die meiner Meinung nach meine Geschichte gut widerspiegeln.
Weil 1. sind Essstörungen so unterschiedlich.
Du kannst hier noch so viel lesen.
Du wirst NICHT wissen, wie es bei deiner Studienkollegin war. Weil jede hier individuell ist und eine eigene Geschichte hat und eigene Gründe hat, die sie dazu geführt haben.
Und du willst alles so genau wissen....WIESO???
Weil 2. ist Die Vorstellung, dass ich einen Partner hätte, der genau weiß, wie ich erbrochen hab,......wie erbärmlich ich mich selber fand....das würd ich nicht wollen. Ich würde mich nur noch schämen.
Außerdem....hier is jeder anders. Ich hab echt orge Sachen aufgeführt in der Bulimie. Wie einige andere hier auch.
Hab an den grauslichsten Orten gespieben. Zu den unmöglichsten Momenten.
Wenn du hier im Forum suchst, wirst du genug solche Beiträge finden, wo so Momente beschrieben sind.
Toll für deine Freundin.....weil du dann ein Bild hast, von den Momenten, für die wir uns so unglaublich schämen. Dass die Krankheit uns dorthin getrieben hat.
Du hast dieses Bild. Ohne aber zu wissen, ob deine Freundin es auch getan hat. Oder ob sie nicht eine von denen war, die "nur" am eigenen Klo erbrochen hat etc.
Und ganz ehrlich - ist es nicht egal ob sie so oder so erbrochen hat?
Tatsache ist, dass sie sagt, dass es zu ihrer Vergangenheit gehört.
LASS ES IHRE VERGANGENHEIT BLEIBEN!!!!!!!
Wenn sie will, dass es einen Teil einnimmt in eurer Beziehung, wird es das tun. Aber weil SIE es will, nicht weil DU es willst.
Wenn es wieder aktuell wird, dann red in den Moment mit ihr. FRAG SIE wie du ihr am besten helfen kannst. DANN wenn es NÖTIG ist.
Aber lass es nicht jetzt so einen Platz einnehmen in eurer potentiellen Beziehung, ohne dass es überhaupt einen Platz verdient hätte.
Damit gibst du der Essstörung einen Wert, den sie nicht verdient hat.

Und auch wenn du sagst du tust es nicht, klingt es für mich schon sehr so, als würdest du sie auf die Krankheit reduzieren....oder zumindest auf "das kleine Mädchen ohne Selbstbewusstsein dem ich helfen muss zu erkennen wie toll sie ist"
Vllt reagier ich da etwas emotional jetzt am Schluss.
Aber ich hatte mal was mit einen Typen, der mich sehr an dich erinnert.
Hatte eine Scheiß Vergangenheit. Und wollte aber MEIN Selbstvertrauen stärken. Er hat im Chat sogar so ähnlich geschrieben wie du mit deiner möglichen Freundin.
Bei uns ist es so geendet, dass er einfach begonnen hat, eine irrsinnige Macht über mich auszuüben, die irgendwann eskaliert ist und mich erst recht in die Krise gestürzt hat.
Ich will dir damit absolut nichts vorwerfen.
Ich glaub schon dass du eigentlich nur in guter Absicht handelst. (Wo ich mir bei ihm nicht sicher bin)
Aber meiner Meinung nach reitest du dich und sie damit grad in ein riesen problem rein....sie scheint dich zu mögen. Und du magst sie. Genieße das. Lass das zu was zwischen euch ist. Aber lass die Essstörung raus!

Lg Louve


PS: Rechtschreib- und Grammatikfehler werden gekonnt ignoriert. Genauso wie zeitweise verwendete Umgangssprache. :mrgreen:
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#5
Hallo Louve,

vielen Dank für deinen Beitrag. Ich habe wirklich alles gelesen und stimme dir in großen Teilen zu. Ich werde auch versuchen, das so weit es geht zu berücksichtigen. Insbesondere in dem Punkt, dass man der ES in der Beziehung keinen unnötigen Raum geben sollte, sind wir uns beide einig. Auch darin, dass es ihre Vergangenheit ist und ich kein recht habe, mich darin einzumischen.

Ich hoffe, du verstehst aber auch meine Sorge um sie, und meinen Wunsch, ein bisschen genauer über ihre ehemalige ES Bescheid zu wissen. Selbstverständlich maße ich den genannten Beobachtungen keinen zu großen Wert bei. Ich habe ja auch dazu geschrieben, dass ich mich bei alledem auch täuschen kann. Es hat mich nur nachdenklich gemacht und mich zu der Frage geführt, wie ich mich überhaupt richtig verhalten sollte, wenn sie tatsächlich irgendwann mal einen Rückfall hätte. So bin ich dann hier gelandet.

Abschließend nochmal: Ich reduziere sie nicht (!) auf die Krankheit, die sie mal gehabt hat. Sondern ich will einfach nur diesen Teil von ihr besser verstehen, ohne sie unangenehme Fragen fragen zu müssen. Einfach damit es in der Vergangenheit bleibt.

Übrigens haben in diesem Thread so einige Leute sich gewünscht, ihr Traummann würde Ahnung von der ES haben...das nur nebenbei: http://www.bulimie.at/viewtopic.php?f=10&t=7690856
Zuletzt geändert von Schattenwolf am Mo Jan 19, 2015 19:10, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#6
Hallo Schattenwolf!

Es ist sicherlich nicht falsch, sich zu informieren bzw. informiert zu sein über verschiedene Dinge - in diesem Fall über Bulimie. Dazu braucht es nicht wirklich eine Rechtfertigung welcher Art auch immer.
Was ich dir allgemein dazu schreiben kann ist, dass Bulimie in der Realität bei jedem anders aussieht... was Fressanfälle angeht, Rückfälle, selbst die eigene Einschätzung zum eigenen Gesundheitszustand (zwischen subjektiver Empfindung und objektiver Realität liegen da nicht selten die Milchstraße und noch ein paar Sonnensysteme).
Wie oft, wie intensiv, welche Emotionen davor, dabei, danach, Auslöser... unterschiedlich. Genauso unterschiedlich ist auch die Bereitschaft als Betroffener darüber zu reden. Sicher fällt es niemandem leicht darüber zu reden und sich zu öffnen... aber - wie gesagt - einem fällt es dennoch leichter... manchen erscheint es schier unmöglich... und manche wollen schlichtweg nicht darüber reden - zumindest nicht mit jedem. Und auch dieses Nicht-wollen kann je nach Fall Substanz haben oder einfach Symptom der Krankheit sein.

Selbst hier - in diesem anonymen Forum - merkst du an den Antworten an dich, dass es unterschiedlich und heikel ist... für Leute, die du nie zu Gesicht bekommen wirst. Münz das mal um auf die Person, die dir dann tatsächlich gegenüber sitzt. :wink:

Es liegt auch nicht ausschließlich an der Bereitschaft zu reden oder zu schweigen... oft fehlen den Betroffenen selbst die Antworten auf Fragen, wie du sie hier gestellt hast... trotz dem sie noch so händeringend danach suchen und forschen...

Was ich dir per se zu deinem Beitrag schreiben kann ist, ich würde versuchen, das Problem weniger als Bulimie zu sehen, sondern als Essstörung als Symptom für Tieferliegendes. Als Essstörung, die verschiedene Phasen haben kann (und in den meisten Fällen auch tatsächlich hat)... bulimische, anorektische, normale (was auch immer normal sein soll) etc., denn es ist nicht das Fressen/Kotzen/Hungern/Extremsporteln, was den Betroffenen krank sein lässt, sowie das Unterlassen dieser Dinge nicht Zeugnisse seiner Gesundheit sind. Es ist das Problem im Kopf... und zuvor Erwähntes sind lediglich einige von vielen Symptomen, um mit sich und der Welt fertig zu werden. Die Essstörung, welche Form sie gerade hat, funktioniert hier meist als Ventil um Druck abzubauen bzw. mit (emotionalem) Druck fertig zu werden.

Unter diesem Gesichtspunkt kann es sein, dass deine Freundin in spe gerade keine Bulimie hat und vielleicht auch nie wieder haben wird. Magersucht? Vielleicht. Sportbulimie? Vielleicht. Normales/gesundes Essverhalten? Ebenfalls: Vielleicht.
Darüber hinaus ist die Frage, ob und wie sehr krank oder gesund sie ist, eine ganze andere. Und dementsprechend wäre auch ein adäquates Vorbereitetsein (was es leider nicht gibt) auf ein sichtbares Symptom (im konkreten Fall ein Rückfall) lediglich eine noble Absicht, aber mehr auch schon nicht. :wink:
Und das muss es auch nicht sein, denn Rückfall ist nicht gleich Rückfall... und so muss man erst anschließend sehen, wie es am besten weiter geht.

Wie du dann am besten reagierst? Wie auch immer dir danach ist im Rahmen von Verständnis (und zwar für SIE und nicht ihre Krankheit) und Geduld.
Das ist auch das, was dir meine Vorrednerinnen verständlich machen möchten. Es ist (wenn es so ist) ihre Krankheit, desweiteren ihre Einsicht bzw. Einsichtsbereitschaft und nichts hält dich davon ab, ihr die Realität vor Augen zu halten: Wie du das empfindest, oder dass es halb so schlimm/düster ist, wie es aussieht (sprich, dass es besser werden kann), dass es eben auch anders aussehen kann, und, und, und...
Sei das, was du als Laie für sie sein kannst und nicht mehr... denn dafür gibt es Spezialisten: Therapeuten, Ärzte,...
Um deine Analogien aufzugreifen: Als Laie merkst du, dass der Sicherheitsgurt nicht funktioniert, du machst sie darauf aufmerksam... aber richten wird das Problem dann hoffentlich der Fachmann: der Mechaniker. Dann, wenn sie bereit ist, das Auto in die Werkstatt zu fahren. :wink:

Du kannst ihr lediglich anbieten, sie zu begleiten. Gehen muss sie selbst... und wenn sie nicht gehen mag (und es passiert etwas), dann ist es traurig, aber nicht deine Verantwortung und nicht deine Schuld (hinsichtlich Vorwürfen, die du dir machen würdest/müsstest).

An dieser Stelle möchte ich dir nochmal verdeutlichen, was Schlafquala, Louve und nun auch ich dir nahebringen wollen: Die Verantwortung für sich liegt bei ihr und nicht bei dir und dein Wunsch diese Bürde bloß auf dich nehmen zu können - aus Liebe - ist nicht möglich.
Die Versuchung ist groß... und dein Schreiben zeigt diesen Wunsch... da nutzt auch dein "ich weiß, ich muss und werde auf mich selbst schauen" nicht viel, wenn alles andere an Text das Gegenteil zeigt. :wink:

Ja, und wie die anderen beiden schon geschrieben haben: Sie ist keine Bulimie-Persönlichkeit, sondern eine Persönlichkeit. D.h. nicht alles was sie sagt oder tut oder fühlt, sagt, tut oder fühlt sie weil sie eine ES hat oder hatte...
Sich dir öffnen oder verschließen liegt nicht zwangsläufig an ihren Problemen, sondern liegt auch an dir und wie du auf sie wirkst. Schwer Vertrauen fassen ist kein reines Symptom einer Krankheit. Sich nicht danach fühlen, dich zu küssen oder von dir geküsst zu werden liegt nicht automatisch daran, dass sie sich selbst nicht mag, etc.

...es sind diese Art von Betrachtungsweisen, die dazu verleiten, dir zu unterstellen, du würdest sie auf ihre ES reduzieren.

Alles in allem: Sei du selbst, lerne sie kennen und gib ihr zu verstehen, dass du sie nicht im Stich lässt.

LG!

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#7
Hallo Schattenwolf,

ich denke, dass die beiden anderen dir klar gemacht haben, was wir so meinen zu deinen Fragen.

Ich möchte jedoch noch etwas zu mir sagen bzw. etwas zu dem, an was mich dein Verhalten erinnert - sehr stark erinnert es mich an meine Mutter und lässt mich sehr schlecht fühlen... Sie wollte und will mich retten. Sie will alles verhindern. Sie will kontrollieren. Sie will alles wissen.

So, und egal, ob jetzt ihre Methoden anders sind als deine, wie mit Haare hochhalten und dann ein liebevolles Gespräch führen, so ist es doch zuviel. Zu grenzüberschreitend! Nicht selten übrigens haben Essgestörte Eltern, die sich absolut grenzüberschreitend verhalten haben. Dazu gehört nicht nur das Einmischen und alles wissen wollen, nein auch das klar machen wollen, wie man zu fühlen hat - bei dir, dass sie sich wertvoll fühlen soll! Das klingt jetzt komisch, denn warum ist es denn kein gutes Ziel, jemandem klar machen zu wollen, man sei wertvoll? Ist es, aber wenn die Person nicht so weit ist und es noch nicht sehen kann oder will, dann lass sie. Dann akzeptiere es so. Die Person, die MIR (ich spreche jetzt auch nur für mich) am meisten hilft, deren Gegenwart mir unendlich gut tu, ist eine Person, die mich ganz und gar so nimmt, wie ich bin. Gerne auch mit Humor, da sie mich selbst als außerordentlich 'tolle' Person betrachtet, aber genau weiß, dass ich das jetzt noch nicht so annehmen kann und will und ja, auch dass ich beispielsweise die Bulimie noch nicht loslassen will.
Meine Mutter hat mich stark geprägt und auch heute noch habe ich mich nicht gelöst. Du könntest, nach der Art, wie du schreibst, gut meine Mutter sein und ganz ehrlich - es kotzt mich im wahrsten Sinne an, wie sehr du dich aufopfern willst, wie sehr du alles genauestens wissen willst, wie sehr du ihr helfen und den Rückfall verhindern willst. Möglicherweise denkt und fühlt sie ebenfalls so. Ich hätte, um deine Frage an mich zu beantworten, nicht gerne einen Freund, der so genau alles meint (!) zu wissen. Jedes Detail. ich schäme mich auch nicht mehr unbedingt dafür - es ist vergangen. Und wenn es aktuell ist, ja ist es bei mir, so bin ich persönlich recht froh, dass er mich da in Ruhe lässt - ja, manchmal zu viel, aber andersherum so wie du - z.B. danach darüber sprechen wollen etc. und dann womöglich auch noch hoffen, dass es den nächsten RF verhindert...grausam. Es würde mich total unter Druck setzen. Jetzt hat er schon mit mir geredet, dann muss es beim nächsten Mal besser sein oder zumindest mit der Zeit. Und da liegt der Punkt: DU hast keinerlei direkten Einfluss auf sie, was passiert. Da kommen weitaus mehr Faktoren zusammen, als nur dein Einwirken. Das weißt du sicherlich, aber dein Schreiben lässt vermuten, dass du die Hoffnung in dir trägst, sie retten zu können. Und ganz ehrlich, was ist so schlimm an einem RF? Du tabuisierst ihn ja ... auch das ein fataler Fehler, denn genau so etwas tun wir oft auch und verachten uns dafür...führt geradewegs wieder rein..oftmals...

Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass du dir hiervon wirklich was annehmen kannst, was wir schreiben, denn auch du bist eine Persönlichkeit mit deiner Vergangenheit. Ich weiß, es klingt gemein. Aber oft ist es so, dass auch wenn man weiß, was richtig(er) wäre, es nicht richtig machen kann, in dem Fall deine Freundin als normalen Menschen zu sehen und die Vergangenheit ruhen zu lassen!!!!! Da ein anderes Motiv in dir stärker ist, nämlich möglicherweise helfen zu wollen. Deine Liebe retten zu wollen...Ich kenne so etwas und es funktionierte bei mir nicht. Im Gegenteil es sorgte mitunter dafür, dass ich die Krankheit fand und immer noch brauche, um mich unbewusst abzugrenzen.

LG
Zuletzt geändert von Schlafquala am Mi Jan 21, 2015 14:13, insgesamt 1-mal geändert.
Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muß man es aber vorwärts.

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#8
Ehrlich gesagt kann ich langsam kaum noch glauben, was mir hier alles vorgeworfen wird. :cry:
  • Ich bin grenzüberschreitend.
  • Ich will zu viel wissen.
  • Meine Freundin in spe kann einem leid tun.
  • Ich opfere mich für sie auf.
  • Ich kann eh nichts daran ändern, falls sie einen Rückfall bekommen sollte.
  • Ich analysiere ihr Essverhalten die ganze Zeit.
  • Mein Wunsch, gut über die Bulimie informiert zu sein, ist unangebracht.
  • Ich lasse die Bulimie einen Platz in meiner potentiellen Beziehung einnehmen.
  • Ich bin ziemlich genau so wie ein Typ, mit dem Louve mal etwas angefangen hat.
  • Ich reite mich und sie in ein riesiges Problem hinein.
  • Ich bin Laie. Nur Spezialisten™ können helfen. Ich kann nichts tun.
  • Ich "meine" nur alles, zu wissen. Nur Therapeuten™ und Essgestörte wissen, wie es wirklich ist.
  • Ich reduziere sie auf ihre Essstörung.
  • Ich bin wie die Mutter von Schlafquala, und will alles kontrollieren und wissen.
  • Ich sollte meiner Freundin in spe nicht helfen wollen, ihr Selbstwertgefühl zu steigern.
  • Ich tabuisiere einen möglichen Rückfall.
  • Ich werde wahrscheinlich nichts von alledem, was geschrieben wurde, annehmen, da mein Helferwunsch zu stark ist.
Wie blueberry schon völlig richtig sagte, sollte ich besser nicht versuchen, mich zu rechtfertigen. Deshalb schreibe ich jetzt einfach frei von der Seele, was ich zu diesen Beiträgen denke. (auch wenn es etwas Rechtfertigung doch noch in den Text geschafft hat...)

Ich bekomme leider den Eindruck, als ob es für viele von euch das Tollste wäre, wenn sie einfach ungestört ihre Essstörung ausleben könnten. Ich soll am besten einfach neben der Toilette stehen und dabei zugucken, wie sich meine Freundin in spe nach und nach ihren Körper zerstört. Ich soll nicht im geringsten eingreifen, sondern es einfach geschehen lassen. Und wenn sie sich x-mal am Tag den Finger in den Hals steckt, dann soll ich das akzeptieren. So lange, bis ihr womöglich eines Tages die Magenwand bricht. Dann kann ich mich neben sie auf den Badezimmerfußboden knien, ihr als letzten Liebesbeweis noch ein süßes Küsschen geben und ihr die Augen schließen, 112 anrufen und mich mit der Vorstellung trösten, dass ich - jetzt, wo sie tot ist - ja immerhin ihre selbstgesteckten Grenzen respektiert habe.

Versetzt euch bitte für eine Sekunde in meine Position.

Die gute Nachricht ist: Sie hat mir erzählt, dass sie die Essstörung erfolgreich überwunden hat. Das Thema ist im wahrsten Sinne des Wortes gegessen, und aktuell brauche ich mir wenig Sorgen zu machen, dass so ein Szenario jemals passieren würde. Ich kann - und werde - sie einfach kennenlernen, mich weiter mit ihr treffen, und ein schönes Leben mit ihr anfangen, sofern sie das denn will. Wenn alles klappt, wird das Thema Bulimie nie auch mit nur einem Wort erwähnt werden. Das wünsche ich mir, und das wäre das Schönste.
Die schlechte Nachricht ist: Es könnte eines Tages zu einem Rückfall kommen, und ich habe immer noch keine Ahnung, wie ich mich dann korrekt verhalten soll. Ich soll dann einfach nichts tun, es geschehen lassen, nicht eingreifen, ja anscheinend nicht einmal ihre Haare hochhalten dürfen. Schatz, wenn du mit dem Brechen fertig bist, kommst du dann kuscheln?

Es tut mir leid, wenn ich einige von euch an eure überprotektive Mutter erinnere, aber so ist das nicht gedacht. Ich bin in dieses Forum gekommen, weil ich verstehen will, wie sich eine Bulimie anfühlt. Damit ich das nötige Einfühlungsvermögen entwickle. Ich renne nicht zum Klo und stehe dort mahnend mit erhobenem Zeigefinger!

Mein ganzes Ziel, warum ich diesen Thread überhaupt eröffnet habe, ist, dass ich mich besser in die Perspektive einer ehemaligen Bulimikerin hineinversetzen können will. Damit ich, falls (!) es eines fernen Tages wieder losgehen sollte, eben nicht wie Schlafqualas Mutter da stehe, sondern wie ein cooler Partner mit einer großen Kelle Fachwissen und einer noch größeren Kelle Empathie.

Dahinter steckt auch kein "Rettungswunsch". Ich weiß, dass ich niemanden retten kann, der das nicht will. Ich habe die Berichte von {das lasse ich lieber jetzt aus} für Tricks gelesen, wie man trotzdem kotzen kann, ohne dass es irgendwer mitbekommt. Jederzeit, an jedem Ort, mit den alltäglichsten Gegenständen. Ich weiß, dass wenn sie es durchziehen will, sie genau das tun wird. Punkt, aus. Ich stehe nur auf dem Standpunkt, dass man trotzdem versuchen kann, eine Umgebung zu schaffen, in der ich selbst z.B. nicht so blöd bin, und ihr unwissenderweise Komplimente mache, wie schlank sie doch heute aussehe. Oder wie ekelhaft fette Menschen seien. Oder wie sehr mich die XL-Kollektion bei C&A aufregt, weil ich als schlanker Mensch da keine T-Shirts mehr finde, und dass Deutschland ja immer dicker werde.
Sowas muss nicht sein. Das sind Fallstricke, die man von Anfang an mit einer Portion Fachwissen und Empathie vermeiden kann. Und ich bin mir ganz sicher, dass es da noch hunderte mehr Dinge gibt, auf die man achten könnte - wenn mir das bloß mal einer erzählen würde.

Mir zu sagen, dass ich mich einfach heraushalten soll, bringt mir absolut gar nichts. Natürlich kann ich auch einfach die Badezimmertür zumachen und warten, bis alles vorbei ist. Das würde eurer Meinung nach anscheinend das Richtige sein? Sehe ich das korrekt? Nun, das wäre natürlich die einfachste Lösung.

Versteht mich bitte nicht falsch. Es waren einige gute Tipps mit dabei. Aber ich komme mir im Moment noch immer so vor, als hätte ich bloß eine AOK-Broschüre über Essstörungen gelesen. Was ich bräuchte, wäre ein Beziehungsratgeber á la "Wie führe ich eine Beziehung mit einer ehemaligen Bulimikerin - Fallstricke, typische Fehler und Chancen." Von einem Forum dieser Größe hätte ich sogar fast schon erwartet, dass es so etwas hier irgendwo angepinnt als Ratgeber für Angehörige/Freunde/etc. gibt.

Im Moment halte ich stattdessen einfach nur einen kleinen weißen Zettel in der Hand, wo draufsteht: "Akzeptiere sie so, wie sie ist." Ansonsten ist der Zettel leer. Das ist mir ein bisschen wenig, wenn man bedenkt, dass drei Threads weiter darüber diskutiert wird, wie schnell ein unbedachtes Wort als Trigger wirken kann. Etwas mehr Qualifikation täte mir da gut. Nicht, weil meine Freundin in spe primär eine Ex-Bulimikerin sei, sondern, weil sie ein Mensch ist, der es verdient hat, dass ich qualifiziert mit ihr umgehe und mich bemühe, sie zu verstehen. Und nicht einfach die Badezimmertür hinter ihr zumache.

Aus irgendeinem Grund scheinen viele von euch zu denken, mir ginge es um Verhinderung, Kontrolle, Nachspionieren, Besitzergreifen etc. oder alternativ einen Helferkomplex. Dem ist nicht so!
Mir geht es um Verstehen, um Kennenlernen, und um die Fähigkeit, mich in sie hineinversetzen zu können (Empathie).

Ich hoffe, es ist jetzt endlich klargeworden, was ich hier von euch will. :(

Liebe Grüße,
Schattenwolf

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#9
Hi Schattenwolf! :wink:

Ich für meinen Teil werfe dir gar nichts vor und ich habe auch nicht den Eindruck, dass dir die anderen etwas vorwerfen. Ehrlich nicht.
Was ich versuche dir nahezubringen ist, dass es bei jedem Betroffenen anders aussieht. Schlafquala hat zB extra betont, wie SIE das ganze sieht... bei einem anderen Mitglied kann es ganz anders sein, nur hat sich so ein entsprechendes Mitglied hier noch nicht zu Wort gemeldet.
Keiner von hier kann hier stellvertretend für alle Betroffenen (oder auch nur für eine andere Betroffene) sprechen hinsichtlich von Emotionen oder Vorstellungen wie und wann etwas gut oder schlecht ist.
Alles, was die Leutz hier schreiben, sind eigene Erfahrungen und Empfindungen.

Ich zB bin schon lange ehemalig betroffen, kenne mich gut mit ES aus und könnte - jetzt, hier aus meiner Sicht - einem anderen betroffenen nur nach meinem und nicht einem bestimmten besten Wissen und Gewissen helfen. Ob es dann richtig war, effizient oder das Gegenteil, hängt von der betroffenen Person ab... versteht diese, was ich versuche zu sagen? Kann sie es annehmen oder nicht... je nach Person und auch Krankheitsverlauf.
Das Wesentliche ist hier, dass ich der betreffenden Person vermitteln können sollte, dass mein Versuch zu helfen ehrlich und ohne Bedingungen und Urteile ist... und die Person die Kontrolle/Eigenverantwortung darüber hat (aus psychologischer Sicht auch haben muss aus nicht unwichtigen Gründen), diese Hilfe anzunehmen oder auch abzulehnen...
Ich soll am besten einfach [...] zugucken. [...] Es könnte eines Tages zu einem Rückfall kommen, und ich habe immer noch keine Ahnung, wie ich mich dann korrekt verhalten soll.
Nein, du sollst nicht zugucken, du sollst dich ihr gegenüber mit der Erfahrung und Empathie, die du bereits besitzt, verhalten.
Das reicht aus.

Und der Punkt zum korrekten Verhalten ist der: selbst wenn du etwas sagst, was sie triggert (natürlich nicht vorsätzlich :wink: ), dann ist es ihre Aufgabe, sich mit diesem Umstand auseinanderzusetzen. Sie muss einen Weg finden damit zurechtzukommen, ohne sich dabei selbst schaden zu müssen.

Vielleicht anders ausgedrückt besser:
Nicht DU triggerst sie.
SIE wird getriggert... WEIL sie krank ist.
Nicht durch dich, sondern durch die Krankheit geht es ihr, wie es ihr geht.

Und SIE muss einen Weg finden, mit diesem Trigger umzugehen. DABEI kannst du sie unterstützen, WENN es Situation und Person fordert und erlaubt.

Es ist eben auch das, was ich gerade geschrieben habe, damit gemeint, dass es ihre Krankheit ist. Es geht ihr nicht wegen einer Äußerung von dir schlecht. Es geht ihr schlecht, weil sie krank ist. Deine Äußerung bringt das nur zum Vorschein. Und solche Äußerungen werden sich nie vermeiden lassen, weil sie alles sein können...
(Ich meine das natürlich allgemein und nicht direkt auf euch bezogen... auch, wenn ich hier gerade "du" und "sie" schreibe.)


Was Spezialisten etc. angeht...
Ein Laie ist weder unbedeutend, noch unwissend. Ein Laie, der auch Partner ist, ebensowenig... aber ein Partner ist emotional befangen... daher sollte der Partner nicht versuchen einen unbefangenen Spezialisten zu ersetzen (zB: ein Therapeut - wenn er wirklich gut ist - wird ebenfalls nie ein eigenes Familienmitglied therapieren). Und das heißt dann auch nicht, dass man als Partner oder Freund gleich überflüssig ist... nein als Partner oder Freund hat man dafür wieder Zugänge, die dem "Fremden" fehlen.

Das Problem hier ist auch, dass viele Betroffene (in ihrer Verzweiflung) den Partnern oder Freunden die Rolle des Therapeuten aufbürden (unbewusst und ungewollt) und damit Erwartungen verbunden sind, die nie erfüllt werden können wg emotionaler Befangenheit eben.
Wenn du einen konkreten Tipp willst:
Distanziere dich KLAR und VEHEMENT von der Rolle des Ersatztherapeuten. Sei es, weil du merkst du wirst dazu. Sei es, weil du merkst, sie macht dich dazu.
(Alles natürlich theoretisch betrachtet für den Fall, wenn...
Keine Unterstellungen hier! :wink: )


Nun gut, werd dann mal zum Schluss finden...
Du schreibst selbst, das Mädchen, in das du verliebt bist, ist toll und stärker, als sie sich wohl zutraut.
Weißt du,...
Versuch nicht SIE davon zu überzeugen, sondern erst mal dich. Dann machst du dir keinen so großen Kopf, dass sie gleich umfällt, wenn du mal in ein Fettnäpfchen trittst bzw. nicht 100%ig das Richtige tust oder sagst. :wink:

LG! :)

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#10
Ich wollte wie Louve eigentlich auch nichts zu dem Thema sagen, jetzt tu ichs doch.

Warum fragst du in einem Betroffenenforum nach unserer Meinung und - wenn du Rückmeldungen kriegst, die dir nicht so passen und die nicht so sind wie das, was du dir vorgestellt hast - dann wirst du sauer und beleidigt?!

Nimm doch einfach mal an, was dir gesagt wird.

Du kommst allgemein - das muss ich leider so sagen, furchtbar vereinnahmend rüber.

Und Druck, Kontrolle, Vereinnahmung, Besserwisserei, sei das alles auch noch so gut gemeint (und das glaub ich dir, dass du die besten Absichten hast), sind das schlechteste, was du anwenden kannst.
Das treibt sie nur noch mehr von dir weg.

(Aber blueberry hat das schon sehr viel besser und empathischer formuliert ;) )

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#11
Christie hat geschrieben:Warum fragst du in einem Betroffenenforum nach unserer Meinung und - wenn du Rückmeldungen kriegst, die dir nicht so passen und die nicht so sind wie das, was du dir vorgestellt hast - dann wirst du sauer und beleidigt?!
1. Ich bin nicht sauer und beleidigt, nur enttäuscht. Lies dir mal die Liste durch, die ich in meinem letzten Beitrag gepostet hatte. Mit dieser Art von Feedback hatte ich nicht gerechnet.

2. Ich nehme gerne jeden Tipp an, der mir konstruktiv weiterhilft. Aber doch nicht Tipps á la "Du kannst eh nichts daran ändern, finde dich damit ab, lass sie in Ruhe, ...". Ich bin wie gesagt nicht die Mutter (bzw. der Vater), der mahnend mit erhobenem Zeigefinger vorm Klo steht, das ist absolut nicht mein Ziel - aber ich möchte wissen, wie ich mich qualifiziert verhalte, und nicht, wie ich mich am besten heraushalte.
Christie hat geschrieben:Nimm doch einfach mal an, was dir gesagt wird.
Ich glaube, der beste Tipp, den ich bis jetzt leider herausgelesen habe, ist: Mach dir keine Gedanken über das Thema. Wenn es nicht zu einem Rückfall kommt, ist eh alles gut. Wenn es zu einem Rückfall kommt, kannst du eh nichts machen, also lass sie in Ruhe.

Es ist nicht so, dass ich nichts annehmen wollen würde - ganz im Gegenteil! Aber ich will mich hier einfach gut vorbereiten, und nicht stattdessen lernen, wie man am besten den Kopf in den Sand steckt.
Christie hat geschrieben:Du kommst allgemein - das muss ich leider so sagen, furchtbar vereinnahmend rüber.
Warum? Das verstehe ich nicht.

Vielleicht, weil ich mich um ein Problem kümmern möchte, das gar nicht mein eigenes ist...das ist in unserer Welt heutzutage leider sehr ungewöhnlich, das stimmt...
Christie hat geschrieben:Und Druck, Kontrolle, Vereinnahmung, Besserwisserei
Druck? Wo mache ich ihr Druck?
Kontrolle? Wo kontrolliere ich sie?
Vereinnahmung? Wo vereinnahme ich sie?
Besserwisserei? Wo weiß ich alles besser? (wo ich doch gerade betone, dass es mich doch ausgerechnet wurmt, so ahnungslos zu sein)

Ich kapiere das nicht, sorry. Ich versteh das wirklich auf kognitiver Ebene gerade nicht.
blueberry hat geschrieben:Ich für meinen Teil werfe dir gar nichts vor und ich habe auch nicht den Eindruck, dass dir die anderen etwas vorwerfen. Ehrlich nicht.
Okay, dann haben sie vielleicht alle nur ihre persönliche Perspektive vorgetragen.

Für mich hat das alles leider diesen Unterton: "Der böse Schattenwolf will sie kontrollieren, vereinnahmen, retten, {whatever} ... und das geht ja mal gar nicht, die muss gefälligst in Ruhe gelassen werden und selber mit ihrem Problem klarkommen! Was erlaubt sich dieser Kerl eigentlich?! Die Freundin in spe kann einem ja Leid tun!" :(

Und das tut mir weh. Denn ich will mich hier wirklich nur über den richtigen Umgang mit Ex-Bulimieerkrankten informieren.

Das nächste, was ich danach gesehen habe, sind Antworten á la "Sieh sie doch mal als Mensch, und nicht als Ex-Bulimikerin!"
Ja, hallo, natürlich tue ich das doch! :( Ich will doch nur wissen, was diese Krankheit für sie bedeutet (hat) und wie man am besten damit umgeht.
blueberry hat geschrieben:Was ich versuche dir nahezubringen ist, dass es bei jedem Betroffenen anders aussieht.
Das wäre doch gar kein Problem, denn wenn sich hier im Thread genügend Leute gemeldet hätten, bekommt man doch einen ausreichenden Eindruck davon, wie vielfältig die Bulimie ist?

Wenn wir hier 10 Beiträge mit Antworten auf meine anfangs gestellten Fragen geschrieben hätten, anstatt 10 Beiträge lang über den Sinn des Threads :| zu diskutieren, dann hätten wir bereits ein wunderbar vielfältiges Bild. Dann hätte ich nämlich schon von 10 Personen Szenarien im Kopf, wie genau sich die Bulimie bei ihnen äußert, und wüsste viel besser über die Krankheit Bescheid.

Ich hab schon ernsthaft darüber nachgedacht, mal selber so viel zu essen wie ich schaffe und mir danach den Finger in den Hals zu stecken, einfach nur damit ich weiß wie es sich anfühlt - aber leider würde mir das vermutlich nichts bringen, da ich dadurch weder erfahren würde wie sich ein Kontrollverlust beim Essen anfühlt, noch würde ich das Schamgefühl nach dem Erbrechen fühlen. Ich kann das als Gesunder einfach nicht in dem Maßstab nachvollziehen, den ich mir wünschen würde. Ich will nicht nur wissen: "Bei einer Bulimie essen die Betroffenen aus einem Kontrollverlust heraus, und entledigen sich danach der überzähligen Kalorien wieder...", denn das hilft mir nicht weiter das Problem zu verstehen.

Ich bin mir nichtmal sicher, ob die Leute hier überhaupt verstanden haben, dass es mir hier um ein Selber-Verstehen geht, und nicht um ein "Ich will alle eure Geheimnisse erfahren, damit ich meine Freundin (falls wir zusammenkommen) noch besser kontrollieren kann" :cry:
blueberry hat geschrieben:Das Wesentliche ist hier, dass ich der betreffenden Person vermitteln können sollte, dass mein Versuch zu helfen ehrlich und ohne Bedingungen und Urteile ist... und die Person die Kontrolle/Eigenverantwortung darüber hat (aus psychologischer Sicht auch haben muss aus nicht unwichtigen Gründen), diese Hilfe anzunehmen oder auch abzulehnen...
Ganz ehrlich...das soll jetzt nicht verletzend klingen, aber...dafür brauche ich kein Bulimieforum, da reicht gesunder Menschenverstand.
blueberry hat geschrieben:Nein, du sollst nicht zugucken, du sollst dich ihr gegenüber mit der Erfahrung und Empathie, die du bereits besitzt, verhalten.
Das reicht aus.
Reicht es das? Was für "Erfahrung" habe ich denn als Gesunder, der nur ein paar Texte über Bulimie gelesen hat? Welche "Empathie" erwächst denn aus diesen paar kleinen Bissen an Fachwissen über die ES?

Gar nichts.

Im Prinzip heißt das: Ich weiß überhaupt nicht, was es für einen Menschen bedeutet, Bulimie zu haben. Und wie viel Einfühlungsvermögen soll daraus nun erwachsen?
blueberry hat geschrieben:Wenn du einen konkreten Tipp willst:
Distanziere dich KLAR und VEHEMENT von der Rolle des Ersatztherapeuten. Sei es, weil du merkst du wirst dazu. Sei es, weil du merkst, sie macht dich dazu.
(Alles natürlich theoretisch betrachtet für den Fall, wenn...
Keine Unterstellungen hier! :wink: )
Danke für den Tipp, aber auch das ist - sorry - wieder nur gesunder Menschenverstand. ;)

Abgesehen davon muss man auch erstmal definieren, was "Ersatztherapeut" überhaupt genau bedeutet. Sich ständig mit ihrer Erkrankung beschäftigen? Ständig Hilfe anbieten wollen? Oder bloß: Hin und wieder im Alltagskontext etwas darauf achten, dass ihr Selbstwertgefühl und Körperbild gestärkt wird.

Zwischen der "Rolle des Therapeuten" und einem "im Alltagskontext hin un wieder ihr Selbstwertgefühl und Körperbild stärken" liegen hier m.E. Welten!

Auch hier wieder: Das ist kein "nicht annehmen wollen" von Tipps, sondern, ich sehe das einfach etwas anders als du es womöglich siehst. Dazu ist ein Diskussionsforum ja auch da.
blueberry hat geschrieben:Versuch nicht SIE davon zu überzeugen, sondern erst mal dich. Dann machst du dir keinen so großen Kopf, dass sie gleich umfällt, wenn du mal in ein Fettnäpfchen trittst bzw. nicht 100%ig das Richtige tust oder sagst. :wink:
Ich glaube nicht, dass sie gleich umfällt. Wirklich nicht, dazu ist sie zu stark in meiner Auffassung. Ich will einfach nur verhindern, dass ich der Idiot bin, der irgendetwas Falsches sagt, das so dermaßen dämlich war, dass ich es ganz einfach hätte vermeiden können, wenn ich darüber vorher Bescheid gewusst hätte.

Es geht mir nicht darum, ob sie gleich bei der kleinsten Erschütterung umfällt - sondern darum, dass ich mich gescheit/fundiert informiere, um blöde Sprüche und blöde Verhaltensweisen gleich von Anfang an zu vermeiden.

Ich weiß nicht, ob ihr euch da in mich hineinversetzen könnt, aber für mich ist ein großes Tablett mit Essen einfach ein großes Tablett mit Essen. Nicht mehr. Ich hab da keine Assoziationen und Konnotationen. Für einen Bulimiekranken, ob aktuell oder ehemalig, ist ein großes Tablett mit Essen hingegen womöglich viel mehr. Da wird - in meiner beschränkten Vorstellung - nach Kalorien geguckt, Nahrungsmittel nach gesund/ungesund eingeteilt, und so weiter. So denke ich nicht. Ich habe diese Art zu denken einfach nicht, das ist mir völlig fremd! Wie soll ich mich denn so gescheit in sie hineinversetzen können?!

Deshalb, nochmal, ein letztes Mal (danach gebe ich auf) der Versuch:

Möchte mir jemand helfen, zu verstehen, wie sich Bulimie anfühlt? Aus seiner eigenen, persönlichen Perspektive heraus?


Dazu nochmal mein eigentliches Anliegen, weshalb ich mich in diesem Forum registriert habe:
Schattenwolf hat geschrieben:Meine demnächst-vielleicht-Freundin trägt heute noch sichtbare Spuren der Bulimie an ihren Zähnen, aber das ist mir egal. Ich möchte darüber hinwegsehen und, wenn alles klappt, eine dauerhafte Beziehung mit ihr eingehen. Vielleicht sogar eines Tages eine Zukunft zusammen mit ihr aufbauen, wer weiß. Doch damit das funktioniert, möchte ich sie wie gesagt verstehen lernen - und das bedeutet, die Bulimie verstehen zu lernen, die vier Jahre lang ein Teil von ihr gewesen ist. Möglicherweise sogar ein Stück weit immer ein Teil von ihr sein wird.
Mein Ziel ist es, sie aufzubauen. Als Mensch, in ihrem inneren Selbstwertgefühl, und in ihrem Körpergefühl. Mir fehlt dazu aber der gezielte Einblick in die Bulimie - sozusagen die Brille, durch die der Bulimiker seine Welt betrachtet. Je umfassender mein Verständnis dieser Brille wird, desto empathischer kann ich reagieren.

Ich möchte verstehen, wie ein Mensch in den bulemischen Teufelskreis gerät. Ich möchte im Detail begreifen, was man fühlt, wenn man einen FA hat. Ich möchte lernen, welche Lebenssituationen positiv auf das Befinden wirken, und welche die Krankheit verschlechtern. Ich will wissen, was im Kopf einer Bulimikerin vorgeht, wenn sie Kalorien zählt oder an Essen denkt. Wie es sich anfühlt, Essen zu horten. Wie sich der Kontrollverlust anfühlt, während man immer mehr Essen in sich hineinschaufelt. Wie sich der Punkt anfühlt, an dem man das Essen wieder erbrechen will. Wie man überhaupt auf die Idee kommt, einen FA zu "planen". Was eine Bulimikerin denkt, wenn sie sich im Spiegel sieht. Was sie denkt, wenn sie sich gerade über der Toilette befindet. Was einer Bulimikerin durch den Kopf geht, wenn sie andere Menschen genüsslich essen sieht. Wie es sich anfühlt, dieses Doppelleben zu führen und dieses zweite Ich ständig vor allen Leuten geheim zu halten. Welche Tricks sie dazu anwendet, nicht entdeckt zu werden. Unter welchen Umständen überhaupt andere Menschen emotional an sich selbst herangelassen werden. Welche Spätfolgen eine Bulimie v.a. psychisch hinterlässt. Welche Art von Schamgefühl sich einstellt, und wann genau. Wie eine Bulimikerin reagiert, wenn sie erwischt wird. Wie sie reagiert, wenn sie damit konfrontiert wird. Ich habe da so viele Fragen, so viele Dinge, die ich verstehen lernen will.
Ich stehe (sorry, blueberry!) wie gesagt auf dem Standpunkt, dass man nur dann wahrhaft empathisch reagieren kann, wenn man auch wirklich weiß, wie sich etwas anfühlt. Wenn man schonmal 7 Meilen in den Stiefeln gelaufen ist.

Mit Bulimikern zu reden, mir erzählen zu lassen wie es ist, diese ES zu haben, ist für mich die beste Annäherung an das Tragen dieser Stiefel. Ich hoffe wirklich, dass mir noch der ein oder andere hier im Forum helfen möchte, mal ein paar Laufversuche mit diesen Stiefeln zu machen. Damit ich verstehe, was genau das für eine Essstörung gewesen ist, die meine vielleicht-Freundin mal gehabt hat.

Liebe Grüße,
Schattenwolf

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#12
Lieber schattenwolf,

Ich stehe weiterhin zu dem Beitrag den ich geschrieben habe.
Aber nach deinen letzten Beiträgen und nach einigen Ereignissen nach dem Wochenende mit meinen Bruder (ich hab keine Beziehung wie die um die es hier geht - aber ich habe eine enge Beziehung zu meiner Familie und meinen Bruder und zu meinen Freunden) möchte ich dir helfen, vielleicht einige Dinge besser zu verstehen oder damit umzugehen.

Ich hab nur gerade Besuch (sie muss nur gerade ein Skype Gespräch für die Uni führen) und kann dadurch jetzt paar Stunden nicht zum Laptop.
Je nachdem wie es sich ausgeht antworte ich dir am NM oder morgen. Auch je nach meinen kraft Ressourcen weil ich gerade ziemlich krank bin.

Lg
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#13
dann auch von mir mal ein beitrag, weil du ja meintest, wenn ein paar mehr leute antworten würden hättest du auch ein besseres bild von der bulimie, und offenbar haben die wenigen, wenn auch sehr klaren antworten, da nicht gereicht.

ich muss das, was die mädels da vorher geschrieben haben, eigentlich unterstreichen.
damit wir uns nicht falsch verstehen: ich würde auch wollen, dass mein partner über bulimie halbwegs bescheid weiss. dass er vielleicht auch mal selbstständig in einem forum ein bisschen rumstöbert oder mal ein buch zur hand nimmt. ABER: das wäre auch schon alles. -mal rumstöbern- und nicht -den bulimikercharakter analysieren-.... und genauso auch -mal ein buch zur hand nehmen- und nicht -bald eins schreiben können-.

ich glaube, es würde mich als partner dann sogar zutiefst kränken, wenn ich das gefühl hätte, er würde von MIR gar nichts mehr wissen wollen, weil er alles aus büchern und von anderen weiss. die bulimie ist etwas sehr persönliches, sehr individuelles, und es wäre für mich eigentlich das sinnvollste und beste, wenn mein partner sich zu mir setzt und sagt "erzähl DU mir doch mal, wie das bei dir aussieht". und wenn ich bereit dazu bin, dann kann ich mit ihm drüber reden. sofern mein partner empathisch ist und einfühlsam genug, ist NUR damit der beste grundstein gelegt, dass ICH ihm dann erzähle warum, wieso, weshalb. du brauchst dafür kein wissen über bulimie an sich, du brauchst dafür nicht die erfahrungswerte der anderen, du musst ihr dann eigentlich nur zuhören. ich glaube sogar, für mich wäre es irgendwo ein riesiges problem, wenn mein partner denken würde, er könne sich über MEIN PROBLEM woanders erkundigen als bei mir!
zumal ich, wenn ich so von mir ausgehe, z.b auch eigentlich wahnsinnig gern mit meinem partner über sowas reden würde. aber nicht als "die bulimie ist so und so.." sondern im sinne von "ich bin da so und so, und wenn ich das und das mache denke ich dabei....".

und was das danebenstehen und zugucken angeht: du sollst nicht danebenstehen und ihr zugucken, du solltest aber auf keinen fall danebenstehen und eingreifen wenn sie es nicht will. es gibt nichts schlimmeres als einen partner, der auf biegen und brechen irgendwas aufhalten will. es gibt nichts schlimmeres als einen partner, von dem ich mich beobachtet fühle, wenn ich auf die toilette gehe oder sonstwas. schon allein das wort danebenstehen lässt mich irgendwo erschauern, weil mein partner bei meiner essstörung sowieso erstmal nichts in der nähe zu suchen hat - weder beim metaphorischen zugucken, noch beim verhindernwollen. entferne dich also im wahrsten sinne des wortes einfach von der badezimmertür und lass sie machen! das ist nicht leicht und du gehst das risiko ein, dass sie sich eines tages wieder in der essstörung verfängt, aber wenn du nicht von der gedanklichen badezimmertür wegkommst gehst du das risiko ein, dass sie anfängt, sie abzuschliessen, verstehst du?

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#14
schnuetchen hat geschrieben:ich glaube, es würde mich als partner dann sogar zutiefst kränken, wenn ich das gefühl hätte, er würde von MIR gar nichts mehr wissen wollen, weil er alles aus büchern und von anderen weiss.
Du vergisst dabei eines: Sie weiß doch gar nicht, dass ich mich hier informiere. ;)

Ich tue das doch gerade ausgerechnet damit ich sie nicht fragen muss. Weil es eben keine akute Bulimie ist, sondern eine, die anscheinend schon vor ein paar Jahren überwunden wurde. Damit durch mein Fragen keine alten Sachen wieder hochkommen.

Natürlich würde ich meine Fragen am liebsten von ihr selbst beantwortet bekommen. Das wäre der Idealfall. Sie weiß selbst als Einzige wirklich, was damals passiert ist. Nur, mir bleibt diese Fragemöglichkeit nicht, schon gar nicht an diesem frühen Punkt. Glaub mir, ich hab momentan genug damit zu tun, sie überhaupt so weit zu bekommen, dass sie sich einem anderen Menschen öffnen will (damit hat sie anscheinend noch Probleme). Ich bin froh und glücklich, dass ich mit dieser Frau inzwischen offen über private Themen aus ihrem und meinem Leben schreiben kann. Es ist an diesem Punkt noch viel zu fragil und zerbrechlich, da "darf" ich einfach nicht das Thema Bulimie auftischen und ihr damit unnötigerweise unangenehme Gefühle bereiten.

Einfach fragen ist da m.E. ausgeschlossen. Es wäre stümperhaft und rücksichtslos von mir. Ich habe an diesem frühen Punkt unseres Kontakts überhaupt kein Recht, mich da in ihre Vergangenheit einzumischen. Ich habe freundlich ein kurzes Gespräch mit ihr darüber geführt, habe Interesse gezeigt, vorsichtig etwas Mitgefühl bekundet und ihr angeboten, dass sie mit mir darüber reden darf wenn sie es irgendwann einmal möchte, und das war's. Sie ist zurzeit einfach nicht die richtige Adresse für mich, um meine Fragen loszuwerden.
schnuetchen hat geschrieben:ich glaube sogar, für mich wäre es irgendwo ein riesiges problem, wenn mein partner denken würde, er könne sich über MEIN PROBLEM woanders erkundigen als bei mir!
Wie gesagt...wenn die Zeit reif ist (bzw. falls ich überhaupt soweit komme...), dann würde ich ihr liebend gerne zuhören.
schnuetchen hat geschrieben:und was das danebenstehen und zugucken angeht: du sollst nicht danebenstehen und ihr zugucken, du solltest aber auf keinen fall danebenstehen und eingreifen wenn sie es nicht will.
Ich hab schon eine Geschichte per Google gefunden, wo jemand ihrem Mitbewohner in den Arm gebissen hat (mit Narbe), weil er sie bei einem FA überrascht hat und ihr das Essen wegnehmen wollte. Glaub mir, ich werde alles tun, aber nicht mittendrin eingreifen! :mrgreen:
schnuetchen hat geschrieben:es gibt nichts schlimmeres als einen partner, der auf biegen und brechen irgendwas aufhalten will. es gibt nichts schlimmeres als einen partner, von dem ich mich beobachtet fühle, wenn ich auf die toilette gehe oder sonstwas. schon allein das wort danebenstehen lässt mich irgendwo erschauern, weil mein partner bei meiner essstörung sowieso erstmal nichts in der nähe zu suchen hat - weder beim metaphorischen zugucken, noch beim verhindernwollen. entferne dich also im wahrsten sinne des wortes einfach von der badezimmertür und lass sie machen!
Nochmal...ich weiß nicht, wie oft noch (sorry, soll nicht unnötig angenervt klingen)...: Ich will nicht auf Biegen und Brechen irgendetwas aufhalten, kontrollieren, beobachten, danebenstehen, einschränken, oder was was ich. Ich will mich informieren (und zwar von Betroffenen, nicht aus AOK-Broschüren), damit ich eine bessere Vorstellung davon bekomme, was es bedeutet, bulimisch zu sein - so dass ich auf Basis dieses Informiert-Seins dann ein verbessertes Einfühlungsvermögen haben werde.

Ich merke aber schon zwei große Hauptthemen, die sich in dieser Diskussion gezeigt haben:
  • "Bescheid wissen" geht gar nicht
  • "Nähe" geht gar nicht
...liege ich da richtig? :wink:
schnuetchen hat geschrieben:das ist nicht leicht und du gehst das risiko ein, dass sie sich eines tages wieder in der essstörung verfängt, aber wenn du nicht von der gedanklichen badezimmertür wegkommst gehst du das risiko ein, dass sie anfängt, sie abzuschliessen, verstehst du?
Nochmal...ich bin nicht Luoves Mutti, die vor der Tür steht und den mahnenden Zeigefinger hebt!

Bitte merk doch, dass ich genau das verhindern will. Denn ich kenne mich. Wenn ich mich nicht vorher informiere und sie eines Tages beim Brechen erwische, dann stehe ich wirklich vor der Tür und komme dort nicht mehr weg...weil ich in dem Moment vermutlich aus meiner Desinformiertheit und meinem fehlenden Verständnis heraus so geschockt wäre, dass ich mich erst recht falsch verhalten würde.

Es klingt echt blöd...aber am liebsten würde ich wie gesagt mal für eine Woche bulimisch sein, einfach nur damit ich die Erfahrung aus erster Hand gemacht habe und zu 100% begreife, was das für sie (damals) bedeutet hat. Und welche Denkmuster aus dieser Zeit ggf. noch bis heute zurückgeblieben sind, selbst wenn die ES inzwischen weg ist.

Ich bin so'n Mensch...wenn ich was nicht verstehe, platze ich. Ich geh dann Wände hoch. Offen gesagt, nichts wäre schlimmer für mich, als wenn meine Freundin eines Tages wieder bulimisch würde und ich dann ahnungslos - ja, daneben stehe - und sie mir die Tür vor der Nase abschließt, so dass ich alleine im Flur stehe und mir denke: Wat nu? Was heißt das überhaupt für sie, wieder bulimisch zu sein? Und hab ich durch mein Verhalten der letzten xy Jahre vielleicht sogar dazu begetragen? Hab ich eine Mitschuld daran? Hätte ich es verhindern können? Kann ich jetzt irgendwas für sie tun? Wie sollte ich mich jetzt am besten verhalten?

Dieser ganze Prozess würde aus dem Problem erwachsen, dass ich keine Ahnung habe, wie sich bulimisch sein anfühlt. Ich weiß nicht, wie es ist, die Kontrolle beim Essen zu verlieren. Ich weiß nicht, wie das Erbrechen von Essen eine Lösung für aufgestaute Emotionen sein kann. Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob und wie beschämt sie nach dem Toilettengang wäre. Ich würde null verstehen, wieso sie danach trotz dieses Schamgefühls ein paar Tage später wieder damit anfängt. Tatsächliches Verstehen meinerseits? Ungefähr null. Ich weiß, dass Bulimiker so sind, weil ich darüber in Broschüren und Webseiten gelesen habe. Aber wirklich verstehen, für mich selbst, so dass ich es begreifen und nachvollziehen könnte, tue ich das nicht.

...und hier sehe ich halt einfach die Gefahr, dass mir dann aus diesem fehlenden Vorstellungsvermögen heraus auch die nötige Empathie fehlt.
Ich meine, gut, was blueberry und die anderen zu dem Thema gesagt haben, stimmt natürlich: Man sollte die Person dann nicht bedrängen, ihr gut zuhören, sie so akzeptieren wie sie ist, sie zu nichts zwingen was sie nicht will, die ES nicht als maßgeblich für ihr ganzes Verhalten sehen etc. - aber das ist in meinen Augen einfach ein Niveau von Empathie, das auch "der gute Nachbar von nebenan" vermutlich hätte.

Jetzt weiß ich endlich, wie ich euch das begreiflich machen kann, was ich meine! :D

Ein beliebiger Mensch mit einer gefestigten Persönlichkeit und einem gesunden Empathievermögen würde dazu in der Lage sein, sich akzeptabel um meine evtl. Freundin zu kümmern, sollte sie jemals einen Rückfall bekommen.
Aber: Ein Bulimiker aus diesem Forum, der das alles selbst durchgemacht hat, der die Bulimie aus eigener jahrelanger Erfahrung gut (bei sich selbst) kennt...wäre der nicht viel empathischer zu ihr? Würde er nicht noch viel besser auf sie eingehen können, so dass sie sich noch viel geborgener und angenommener fühlt?

Denn darum geht's mir doch bei alledem hier letztendlich...dass ich sie verstehen lerne, so dass mein Verhalten empathischer wird, so dass sie sich im Falle eines Rückfalls möglichst gut aufgehoben und geborgen bei mir fühlt. Weil sie weiß, dass Schattenwolf "das versteht".

Jetzt bin ich mit meinem Latein echt am Ende, besser erklären kann ich's nicht! :mrgreen:
Louve hat geschrieben:Lieber schattenwolf,

Ich stehe weiterhin zu dem Beitrag den ich geschrieben habe.
Aber nach deinen letzten Beiträgen und nach einigen Ereignissen nach dem Wochenende mit meinen Bruder (ich hab keine Beziehung wie die um die es hier geht - aber ich habe eine enge Beziehung zu meiner Familie und meinen Bruder und zu meinen Freunden) möchte ich dir helfen, vielleicht einige Dinge besser zu verstehen oder damit umzugehen.

Ich hab nur gerade Besuch (sie muss nur gerade ein Skype Gespräch für die Uni führen) und kann dadurch jetzt paar Stunden nicht zum Laptop.
Je nachdem wie es sich ausgeht antworte ich dir am NM oder morgen. Auch je nach meinen kraft Ressourcen weil ich gerade ziemlich krank bin.

Lg
Hallo Louve,

vielen Dank für dein sehr nettes, großzügiges Angebot. Ich nehme dankend an! :)

Wenn dir das Forum zu öffentlich ist, können wir gerne auch per PN kommunizieren. Ich möchte nicht, dass du wegen irgendetwas, das du schreibst, Scham fühlst. Ich bitte auch die anderen Diskussionsteilnehmer, das zu respektieren.

Gute Besserung!
Schattenwolf

Re: Hilfe zum Verständnis der Bulimie

#15
natürlich weiss sie nicht dass du dich informierst, aber genau darum geht es doch. du sagst, um sie zu fragen ist es zu früh. trotzdem fragst du UNS - dazu ist es also nicht zu früh? du nimmst IHR die möglichkeit, dir alles von angesicht zu angesicht zu erzählen, weil du das thema am liebsten schon abgehakt haben möchtest, wenn es mal soweit kommt. du sagst, du willst sie damit nicht belästigen - warum denn eigentlich nicht? und sofern sie sagt, sie will nicht drüber reden, ist es doch sogar gegen ihren wunsch, was du hier tust. frag sie, ob sie dich in die thematik einweihnen will. und wenn sie das nicht will, dann weih dich nicht hinter ihrem rücken ein. es wird dir nichts bringen, im gegenteil.

und nochmal: es ist mit diesem krankheitsbild eigentlich das EINZIG richtige, mit IHR drüber zu sprechen. es ist eigentlich völlig unmöglich, irgendwas anderen irgendwie zu erfahren, um mit ihr das thema nicht mehr durchkauen zu müssen. und um genau zu sein wäre das für mich, an ihrer stelle, ein absolutes no go!