Durchhänger

#1
Ich schreib mir mal etwas von der Seele, ich hoff das ist ok

Ich bin nun seit ca 20 Monaten clean. Das kam einfach deshalb, weil ich mich meinen Ängsten gestellt habe und dadurch unglaublich gewachsen bin. So habe ich, die ganz bewusst nie mit Menschen zusammengelebt hat in einem Auslandsjahr ein Zimmer im Wohnheim mit zwei anderen Mädchen geteilt. Ein Zimmer. Fressen und Kotzen war dann halt nicht drinnen. Das bin ich also schon einmal los geworden. Das unnormale Essen ist aber geblieben. Mit den Mädels hatte ich ja nichts zu tun und wenn ich mal ein Tag sehr wenig gegessen habe und am nächsten eine FA geschoben habe, dann hat das niemand mitbekommen.
Danach bin ich wieder daheim eingezogen um dann ein wenig später die Chance wahrzunehmen noch einmal ins Ausland zu gehen. Im zweiten Mal Ausland war ich auf sehr engem Raum mit einer wirklich guten Freundin. Wir haben den ganzen Tag miteinander verbracht. Ganz bewusst habe ich ihr nicht von meiner ES erzählt. Einfach weil ich, wann immer ich das (in Beziehungen) getan habe, mir einfach raus genommen habe anders zu sein. So musste ich einfach die ganzen se hs Monate schauen, dass mein Essen absolut "normal" ist. Ich hatte so wirklich keine einzige FA über gut ein halbes Jahr.
Das Mädel mit dem ich Studiert habe/auf Reisen war hat wirklich nicht die geringste Ahnung von all dem was so hinter mir liegt, bzw. nicht wie sehr ich unter gewissen Dingen gelitten habe, wirklich im O-Ton hat sie folgendes gesagt: "Hey Lienchen, ich finde das so erstaunlich wie du das alles weggesteckt hast mit deiner Familie, andere landen in der Klapse oder bekommen Essstörungen oder so"

Wobei: vielleicht eine "nette Geschichte" dazu: Wir hatten beide an einem Abend sehr viel getrunken. Der Alkohol war stärker als erwartet und wir haben uns einfach überschätzt. Sie meinte dann, wir sollen den Alkohol wieder los werden. Also sind wir zusammen auf die Toilette. Erst ich, beuge mich nur rüber und alles kommt wieder hoch. Sie wundert sich "Wow, das geht bei dir aber schnell" Ich denke mir "Jahrelanges Training, aus der Form bin ich wohl noch nicht". :D

Naja, jetzt bin ich seit genau einem Monat zurück und habe einen totalen durchhänger. Gleich am zweiten Tag nach der Landung hatte ich einen FA mit ko tz en das war zwar wirklich nur einmalig aber bezeichnend wie wichtig diese Struktur für mich war. oft gehen meine Gedanken jetzt wieder in die Richtung: Hey, so schlecht wäre es doch nicht, und von dem einen Mal noch wirst du doch nicht wieder gleich abhängig.

Ich bekomme diese Gedanken gerade noch sehr gut in Griff indem ich mir sage: Jetzt alles versauen wäre echt scheiße. Dann versuche ich mich zu erinnern wie viele Stunden um Stunden für das Kotzen drauf gegangen sind. Wie viel Geld ich dafür ausgegeben habe. Was ich an sozialen Sachen verpasst habe. Dass meine Kotzbacken nun endlich weg sind. Dass mein Körper echt gut funktioniert. Dass mein Hirn wieder vernünftig arbeitet und all die anderen Sachen, die man so genießen kann wenn man symptomfrei ist.

Heute wurde ich beim Anstehen in einer langen Schlange gefragt ob ich schwanger sei. Oh gott, war das scheiße. das muss ich natürlich keinem erzählen, oder?
Danach hatte ich ganz enormen Kotzdruck, ich musste so mit mir kämpfen. Das ist so schlimm dass solche Momente wieder alte Muster herauf beschwören. Vor allem weil ich gerade alleine Daheim bin und das noch bis Donnerstag Abend so bleibt war die Lage brenzlig. Ich war dann im Supermarkt und habe mir gaaaaaanz viel Gemüse und etwas Obst gekauft ganz ungesund viel davon gegessen aber wenigstens das Kotzen verhindert. Besser wäre es gewesen ich hätte einen Spaziergang gemacht und wäre ohne Geld in die Bibliothek gegangen. Naja, Hauptsache nicht gekotzt.
Ich lasse mich gerade einfach auch zu sehr hängen. Wenn ich strukturiert lebe, dann kommt so etwas gar nicht auf. Klar dieses ständig alles strukturieren (gar nicht nur aufs Essen bezogen, eigentlich meine ich Hauptsächlich das Strukturieren des "richtigen" Lebens) müssen kommt noch aus meiner MS Zeit, allerdings ist dies das Beste um abzurutschen. Gerade sollte ich eigentlich viel für die Uni tun. allerdings versauer ich zuhause und mache nichts. Das fördert auch ein Gefühl des Scheiterns und das wiederum kann bei mir depressive Phasen auslößen.
Ich bin auch nur so unstrukturiert und "gammlig" wenn ich ganz alleine bin. Jetzt lebe ich aber mit jemanden (meinem Vater) zusammen, der von früh morgens bis spät Abends arbeitet und gut 1/3 der Zeit im Ausland ist.
Letzte Woche, als mein Vater weg war habe ich einen Couchsurfer bei mir übernachten lassen. Das war wieder echt gut weil ich ganz fleißig gelernt habe, mit ihm zu Mittag und zu Abend gegessen habe und mich generell etwas angestrengt habe.

Letztens habe ich auch mal meinen Vater gefragt ob wir denn nicht einen Studenten bei uns wohnen lassen könnten (wir haben eine große Wohnung in München mit zwei ungenutzten Zimmern von meinen Geschwistern). Aber leider will er das nicht.

Naja, dan muss ich es jetzt einfach wieder zum lernen in die Bibliothek packen und mich Nachtmittags und Abends mit Freunden verabredenen, bzw. feste To Do Listen machen. Ich weiß ja wie es alles geht ich muss es nur verdammt noch einmal tun.


Ach und dann ägert es mich wirklich dass ich einfach mit niemanden über die ganze Sache wirklich ehrlich reden kann. Ich spreche nicht mit Freunden über die ES (vor allem auch weil ich relativ speckig geworden bin, oberes ende von NG und so hart das klingt, aber es ist mir peinlich als ESlerin so dick zu sein.)
Ich finde ja dass ich echt viel geschafft habe. Nach ca 6 offensichtlicher ES (also erst staaaaaarkes UG, dann Kotzen (wobei das niemand mitbekommen hat)) wirklich ein sehr normales -nein eigentlich überaus erfolgreiches - Leben führe. Nur leider bekomme ich dafür kein Lob, keiner, auch die wenigen Menschen die von der ES wissen, haben mir mal auf die Schulter geklopft und gesagt "hey, das hast du gut gemacht".
Meistens komme ich damit ganz gut klar, weil ich die Philosophie verfolge, dass ich mein Glück von Niemand anderem abhängig machen darf. Es ist nur so: Bei guten Noten im Studium, tollen Praktika Stellen, meiner ehrenamtlichen Initiative oder auch wenn ich mal einen besonders heißen Kerl abschleppe, einen Halbmarathon laufe usw. dafür findet jeder irgendwie anerkennende Worte. Aber meine bisher wirklich steinigster Weg, das härteste in meinem Leben, das bleibt völllig unbeachtet.

Und ein letzter, mich nervender Punkt: Ich war während meiner Teenager Jahren sehr schlank. Ab dem Zeitpunkt, zu dem ich "dick" geworden bin habe ich mich nicht mehr mit den alten Freunden getroffen, bzw nur mit genau 3. Alle Leute aus mener Klasse, zu denen ich eigentlich ein gutes Verhältniss habe, möchte ich nicht sehen, weil ich Angst habe dass sie etwas über meine Figur sagen werden. Mein Freundeskreis, der sich vor vi er Jahren während des Studiums gebildet hat, kennt mich nur so wie ich jetzt bin. Das ist kein Problem. Nur würde ich so gerne meine alten Klassenkameraden wieder sehen. Oder alte Freunde. Ich traue mich das einfach nicht.


So es tut mir leid für das völlig unstrukturierte Umhergelaber ich musste das nur mal los werden.
Zuletzt geändert von Lienchen am Di Sep 24, 2013 18:22, insgesamt 1-mal geändert.