Re: was mir half, "gesund" zu werden

#16
SunriseStar hat geschrieben:
Bittersweet hat geschrieben: mein Zustand hat sich z.B. auch nicht gebessert weil ich jetzt so diszipliniert bin, sondern weil der Druck nicht mehr da ist!
Wow, das habe ich mir gleich mal als zentralen Satz notiert, ich glaube genau das ist Schlüssel!
Ich denke auch, dass dies der Schlüssel ist. Nur kostest es mich derzeit gerade sehr viel Energie daran zu Arbeiten diesen Druck nicht mehr zu verspüren und andere Methoden zu finden... nach einer gewissen Zeit wird dieses Verhalten irgendwie total zur Gewohnheit.

Gratuliere Bittersweet! Ich hoffe dir geht es noch immer gut.
Wo ein Wille, da ein Weg!

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#17
Mir hat am meisten geholfen:
* Versuche jeden Tag, gewohnte Abläufe zu verändern, z.b. einen anderen Weg zur Arbeit, mit der linken Hand Zähne putzen, wenn du dir nie den Bus gönnst: mit dem Bus fahren, wenn du nie ins Cafe gehst: ins Cafe gehen!, statt fressen mal spazieren gehen oder Freundin anrufen -- klingt vielleicht doof, hilft aber die "Autobahn" der alten Gewohnheiten immer öfter zu durchbrechen, neue Ideen und Einstellungen zu finden und schließlich von Essstörung weiter weg zu kommen!

* Es immer wieder probieren. Wenn´s auch 100 x nicht klappt, dann versuch es halt nochmal oder anders ... ich hab alles probiert, von Salat-FA bis kein Geld mehr abheben (damit ich nicht Fressalien kaufen kann) bis Mayr-Kur bis Hypnose, Selbsthilfegruppe, Therapie (allerdings nicht lange) - jetzt sind die FA bis auf ein paar Ausrutscher weg

* sich etwas gönnen (fortgehen, was Schönes kaufen, auf Urlaub fahren, ein Vollbad nehmen, was Gutes kochen)

* sich auch mal selbst loben, anstatt immer an sich selbst herumnörgeln und sich schlecht machen

* ich habe meine Einstellung zu "Freund" und "Sex" 180° geändert. Vorher war Sex für mich etwas Grausliches, wofür man sich schämen muss, jetzt habe ich einen Freund und genieße es einfach!!!

* meine Kollegin hat mich komplett umgestylt, neue Klamotten, kurze Röcke (ich hätte vorher nie einen Blick auf meine Beine zugelassen! Immer lange Hose!), Strümpfe ... und das obwohl ich *kg zugenommen habe und alles andere als dünn bin... in diesem Punkt vertraue ich meinem Freund, der sagt: das passt schon alles und alle würden mich um meine Figur beneiden. Wenn mir vorher jemand gesagt hat: "Hast zugenommen, gut schaust aus!" habe ich mich wochenlang geärgert und mir gedacht: muss abnehmen. Jetzt nehme ich das Kompliment einfach an! Es gibt tatsächlich Leute, die magere Geschöpfe nicht bewundern, sondern einfach nur bedauern!

* auch in puncto sparen und sich nichts gönnen ist jetzt alles anders: vorher bin ich in alten ausgeleierten Klamotten herumgelaufen und Kino wäre mir viel zu teuer gewesen, jetzt gehen wir aus, fahren auf Urlaub, kaufen was Schönes... Man lebt nur einmal!

* Noch immer ein wunder Punkt ist das Selbstbewusstsein. Ich halte mich nach wie vor nicht für besonders intelligent (um es vorsichtig auszudrücken). Bei der Arbeit habe ich manchmal das Gefühl, dass ich nur Mist baue und mich überhaupt nicht auskenne.

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#18
ich möchte auch gern meine erfahrungen und gedanken aufschreiben

hm, also was mir geholfen hat nicht mehr in diesem schrecklichen kreislauf aus hungern, fressen, kotzen, sport und wieder hungern, fressen, kotzen und wieder sport usw.... zu stecken, ich würde sofort sagen ich mir selber. hört sich vermutlich unverständlich an oder für manche auch irgendwie arrogant. aber ich sehe es so. ich habe mir selber geholfen, natürlich nicht alleine, sondern mit unterstützung. ich bekam hilfe und bekomme sie auch heute noch. ich mache seit fast 1 1/2 jahren eine ambulante therapie und davor war ich für drei monate in einer klinik.
was ich meine mit "ich habe mir selbst geholfen" ist eine ganze menge. ich war ende 2007 an dem punkt angelangt, dass ich SO nicht mehr weiterleben wollte. es war so furchtbar. es war eine schreckliche zeit :( was blieb? es gab nur 2 möglichkeiten... nur diese 2!! und irgendwas in mir, ich weiß es nicht und kann es nicht benennen, was es war, wollte kämpfen, wollte leben und nicht den vielleicht einfacheren weg gehen. ich bin nicht gläubig und deswegen ist es für mich auch keine fremde macht. ich war es selbst, das ist meine erklärung. ein teil von mir wollte diese schwarze leben nicht mehr. nach langem warten (mir kam es wie eine ewigkeit vor) kam ich in die klinik. ich versuchte alles mitzumachen und ließ mich auf alles ein, in dem vertrauen, dass ich in kompetenten händen bin. und irgendwann kam der tag, an dem ich zum ersten mal froh war, am leben zu sein. oje ich muss gerade weinen wenn ich mich daran erinnere.
dieses gefühl hat mich bestärkt, dass meine entscheidung richtig war und das es hoffnung gibt, das finstere leben hinter mir lassen zu können.
und sicher, es gab rückfälle. es wird nicht von einem auf den anderen tag aufhören. wie denn auch?! wenn man schon seit jahren in diesem trott steckt. ich habe gelernt einen rückfall als vorfall zu benennen. ich habe mir verziehen wenn es zu einem vorfall kam. aber ich habe mir auch eine bedingung gestellt, nämlich den vorfall zu reflektieren und nachzuschauen was los war. und das fällt schwer, gerade uns bulimiker/innen, die wir uns selber doch unerbittlich, mit aller härte und ohne nachsicht behandeln.
ohne unterstützung von außen, hätte ich mir selber nicht helfen können. und meine therapeutin in der klinik und meine jetzige ambulante therapeutin war und ist eine wichtige stütze.
aber ich finde wir müssen uns selber mehr in den vordergrund rücken und versuchen zu sehen was wir selber auch leisten, wenn es um solche überlegungen geht. was wir nicht können, auf das blicken wir doch ständig und in unseren augen versagen wir doch bei allem. aber ohne unser zutun, hilft auch die beste therapie nichts. wir haben die einsicht, dass es so nicht weitergehen kann und wir suchen uns hilfe UND lassen sie zu. ohne all dies funktioniert es nicht.

und nun, sind es schon fast 1 1/2 jahre, in denen ich nicht mehr gekotzt habe. mein essverhalten würde ich selbst als gesund bezeichnen. ich esse regelmäßig und ausreichend und auch das was mir schmeckt. ich hätte dies nie, ich sage wirklich nie, für möglich gehalten. klar, gehofft habe ich. ohne diese hoffnung wäre ich vermutlich nie zu einer beratungsstelle und danach in eine klinik gegangen.

ich bin auch der meinung, dass eine essströung immer latent vorhanden ist. ich merke, dass an mir selbst. ich hab noch viele gedanken rund um meinen körper, finde ihn meist nicht schön. und ich merke auch, dass sich meine gefühle auch auf mein essverhalten auswirken können. aber es ist eben so, dass es in der realität nicht immer gut für einen läuft. ob in der schule, studium oder beruf, überall kann man unter stress stehen, und immer mal wieder gibt es situationen, mit denen man nicht zurecht kommt und streit mit freunden und familie kommt überall vor. ich lass mich zu oft von so was beeinflussen aber ich versuche auf mich acht zu geben.
nein, leicht war es nie und wird es auch nicht sein, das leben. da kann jeder ein lied von singen.

was mir selbst an mir auffällt ist, dass ich ein positiverer mensch geworden bin. ich achte viel mehr auf kleinigkeiten und erfreue mich an kleinen dingen. und daraus versuche ich kraft zu gewinnen. ich habe viele hochs und auch tiefs und diese tiefs lassen mich nur allzu oft verzweifeln. manchmal sogar so sehr, dass ich mich nach einem zustand sehne, in dem ich nichts mehr fühlen muss.... aber durch die vielen positiven erfahrungen, weiß ich, dass es nicht für immer ist und dass ich es aus einem tief schaffen kann. nur muss ich mich daran auch erinnern

soviel erst mal von mir, vielleicht fällt mir noch manches ein :wink:

lg
Zuletzt geändert von sasi am So Mär 14, 2010 18:17, insgesamt 2-mal geändert.
Auch wenn Du nicht weißt wie lang der Weg ist
und wohin er Dich führt,
bringt er Dich mit jedem Schritt weiter
Ich habe angefangen meinen Weg zu gehen.
Er wird nicht immer einfach sein aber es lohnt sich! Ich werde leben, einfach nur leben

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#19
Hey Sasi,

Ich habe die Auffassung, daß die B* eine Suchterkrankung ist, und somit immer latent vorhanden ist. Man kann abstinent von der B* leben, und somit die akute Erkrankung zum Stillstand bringen. Mit Hilfe von Einsicht und Disziplin.
sasi hat geschrieben:ich bin auch der meinung, dass eine essströung immer latent vorhanden ist. ich merke, dass an mir selbst. ich hab noch viele gedanken rund um meinen körper, finde ihn meist nicht schön. und ich merke auch, dass sich meine gefühle auch auf mein essverhalten auswirken können. aber es ist eben so, dass es in der realität nicht immer gut für einen läuft. ob in der schule, studium oder beruf, überall kann man unter stress stehen, und immer mal wieder gibt es situationen, mit denen man nicht zurecht kommt und streit mit freunden und familie kommt überall vor. ich lass mich zu oft von so was beeinflussen aber ich versuche auf mich acht zu geben.
nein, leicht war es nie und wird es auch nicht sein, das leben. da kann jeder ein lied von singen.
Liebe Grüße

Mary Mary
Aus Begierde bist Du an die Welt gefesselt,
mittels derselben Begierde wirst Du von ihr befreit.

(Aus dem Hevajra-Tantra)

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#20
mary mary, ich verstehe gerade nicht welchen bezug du zu meinem letzten beitrag hast? :wink:

und oje :oops: asche auf mein haupt, ich kann nicht rechnen, es sind nicht 2 1/2 jahre sondern 1 1/2.
im grunde ja eigentlich wurscht, ich sag mal kotzfrei ist kotzfrei, oder?

lg
Auch wenn Du nicht weißt wie lang der Weg ist
und wohin er Dich führt,
bringt er Dich mit jedem Schritt weiter
Ich habe angefangen meinen Weg zu gehen.
Er wird nicht immer einfach sein aber es lohnt sich! Ich werde leben, einfach nur leben

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#22
Hey Smutek,

wenn Du nicht kämpfen würdest, hättest Du nicht geschrieben.

Ich denke, nach all den Jahren, es ist bloß weitermachen, immer weitermachen. Und wenn Du keine Kraft hast, im äußeren etwas zu tun, halte immer an dem Wunsch fest, daß Du gesund sein möchtest. Selbst, wenn Du gerade eine Attacke hast.

Schon der intensive Wunsch vermag es, die Ergebnisse zustande zu bringen. Du pflanzt einen "Gedanken-Samen", und behütest ihn mit Hingabe. Und dann realisieren sich Deine Wünsche. Es braucht Zeit, aber irgendwann bist Du mit Deinen Gedanken "im Plus". Du denkst mehr an das, was Du wünschst, statt an das, was Du nicht haben willst.

Dann wird es immer leichter.
So habe ich es erlebt, und erlebe es immer wieder auf's neue.

Also, ich wünsche Dir neuen Mut, und die Kraft, die Du für all das brauchst.

Liebe Grüße

Mary Maty
Aus Begierde bist Du an die Welt gefesselt,
mittels derselben Begierde wirst Du von ihr befreit.

(Aus dem Hevajra-Tantra)

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#23
Hallo!
crazybitch hat geschrieben:Gratuliere Bittersweet! Ich hoffe dir geht es noch immer gut.
Nach nun doch einiger Zeit schreibe ich wieder hier, und ich schäme mich und fühle mich schlecht wenn ich auf das zurückblicke was ich damals geschrieben habe. Nein, es geht mir nicht gut.
Es kommt mir ziemlich arrogant vor, dass ich mich so in Sicherheit gewiegt habe. Und andere vielleicht auch noch unter Druck gesetzt habe mit meiner Sicherheit und Arroganz.

Es geht mir wieder schlecht, und das Furchtbare für mich ist, dass ich nicht einmal so genau weiß wieso... Ich bin halt immer der Meinung, genau wissen zu müssen wieso ich jetzt einen FA habe. Aber irgendwie funktioniert diese Selbstreflexion nicht mehr so, vielleicht fehlt mir auch die Therapie, ich weiß nicht.
Das einzige, was ich derzeit weiß ist, dass der "Druck" wieder da ist, der Druck der Sucht nachzugehen.

Angefangen hat es mit dem Wohnortwechsel an meinen Studienort, alleine in einer Wohnung zu sein ist schon hart wenn man neu in eine Stadt zieht und sonst niemanden kennt.
Ich habe mich (nach einem anfänglichem Hoch, das durch all das Neue und Aufregende am Umziehen/Studienbeginn kam, was auch ungefähr in der Zeit war als ich den Thread erstellt habe) oft sehr einsam gefühlt.
Dann kam die Zeit der Bekanntschaften, die sich langsam zu Freundschaften entwickelt haben - das Problem ist nur, dass ich noch niemanden habe, dem ich mich so vollkommen öffnen könnte. Dann kommt noch hinzu, dass ich natürlich auch mal (soweit es das Studium zulässt) für längere Zeit nach Hause fahre um meinen Freund und meine Familie zu sehen. Es ist einfach furchtbar schwer, Kontakte und Freundschaften an beiden "Enden" des Landes aufrecht zu erhalten. Ich habe irgendwie Angst, dass die Freundschaften die ich in der neuen Stadt gefunden habe so fragil sind, dass man mich einfach "vergisst" wenn ich über längere Zeit nicht da bin...
Ist das verrückt? Kennt jemand von euch solche Situationen?

Und natürlich kommt auch hinzu, dass ich derzeit die Wohnung kaum verlassen kann da mir eine RIESEN-Prüfung ins Haus steht und ich nicht den Nerv habe noch viel zu unternehmen...

Tut mir leid, jetzt hab ich schon wieder so viel geschrieben... :roll:

Liebe Grüße
Wo wachsen eigentlich die Purzelbäume?

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#24
Oh nein und mir steht das jetzt auch bevor - Umzug wegen Studium.
Es ist glaube ich noch schlimmer wenn man es erst geschafft hat bzw. glaubt die Bulimie besiegt zu haben und dann wieder zurückfällt in alte Verhaltensmuster, man hat dann vielleicht noch mehr das Gefühl der Ausweglosigkeit. Aber es ist
auch eine Chance zu lernen, zu sehen dass wieder etwas nicht in Ordnung ist und man darauf mit alten, oft jahrelang erlernten Verhaltensmustern, reagiert die einem Sicherheit bieten und Konflikte vermeiden.
Hast du evtl. noch Aufzeichnungen von damals? Was half dir denn früher, es zu schaffen?

Wünsche dir alles Gute und gib nicht auf, kämpfe für Dich, Deine Gesundheit, Dein Leben!
Liebe Grüße,
SunriseStar
Du bist ihm ganz nah, doch erreichen wirst du ihn nicht.
Du bist allein, auch wenn du ihn in den Armen hälst.

------------
"I don't have a problem with food. I have a living problem that I try to solve with food."

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#25
Danke liebe Sunrise für die aufmunternden Worte!

Du brauchst sicher keine Angst zu haben wegen des Umzugs, es ist ja auch eine tolle Möglichkeit und bietet viele Chancen. Aber vielleicht behältst du meine Geschichte ja im Hinterkopf und versuchst dir gleich ein Netzwerk aufzubauen und dich nicht zu isolieren (was in einer Großstadt furchtbar leicht ist, leider). Kennst du denn schon Leute dort, wo du hinziehst?

Ja, es ist echt furchtbar wenn man dachte man hat alles hinter sich (und sich dabei auch noch so sicher war wie ich :roll: ).

Ich habe leider keine Aufzeichnungen gemacht, wir haben aber in der Therapie damals viel erreicht, sodass meine Therapeutin sogar meinte sie könne mich nun als "geheilt" betrachten (wobei wir natürlich beide wussten, dass man von einer Bulimie nicht geheilt werden kann). Aber sogar sie war sich sicher... und sie meinte auch, dass selbst wenn es zu Rückfällen kommt, ich damit sicher besser umgehen könnte. Aber das habe ich mir wohl auch zu einfach vorgestellt.

Jetzt stehe ich also quasi vor der Situation eines "zweiten Outings", da ich ja unter meinen Angehörigen auch als clean galt. Und vor lauter Scham habe ich meinen Rückschlag vor ihnen verheimlicht. Und auch vor dem Gedanken, noch einmal mit meiner ehemaligen Therapeutin Kontakt aufzunehmen graut mir - ich habe das Gefühl, auch sie enttäuscht zu haben.

Liebe Grüße
Wo wachsen eigentlich die Purzelbäume?

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#26
Liebe Bittersweet,

ich kenne deine Situation sehr gut. ICh habe auch mal vor langer Zeit einen solchen Beitrag verfasst in der absoluten Sicherheit, geheilt zu sein. Ein halbes Jahr später steckte ich tiefer drin als je zu vor. ICh habe mich damals so sehr geschämt, dass ich mich nochmal neu und unter einem anderen Namen angemeldet habe. Da bist du viel stärker als ich :D
Es ist auch keine Schande. Wir alle wissen wie hartneckig diese Krankheit ist und ich denke jeder von uns hat Phasen, die besser sind und denen wieder schlechtere folgen. Du warst ehrlich zu dir und zu uns, das ist sehr wichtig.
Ich musste auch immer wieder meine Eltern und Freunde "enttäuschen" wenn ich nach ein paar Monaten wieder rückfällig geworden bin, aber sie haben immer zu mir gehalten.
Was ganz wichtig ist: Du fängst nicht wieder von vorne an. Jedesmal wird dein Essverhalten ein bisschen normaler und irgendwann brauchst du die ES dann überhaupt nicht mehr.

Ich wünsche dir alles Gute und dass du dich in der neuen Stadt bald wohl fühlst

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#27
Hey Bittersweet,

ich kann Andalucia nur Recht geben.
Bittersweet hat geschrieben:Nach nun doch einiger Zeit schreibe ich wieder hier, und ich schäme mich und fühle mich schlecht wenn ich auf das zurückblicke was ich damals geschrieben habe. Nein, es geht mir nicht gut.
Es kommt mir ziemlich arrogant vor, dass ich mich so in Sicherheit gewiegt habe. Und andere vielleicht auch noch unter Druck gesetzt habe mit meiner Sicherheit und Arroganz.
Ich denke auch, daß die Ehrlichkeit, wie Du mit der kritischen Phase umgehst, ein weiterer Schritt auf Deinem Heilungsweg ist. Es ist ein immenser Fortschritt, sich überhaupt der Realität, daß etwas schief läuft, zu stellen.

Sei nicht traurig und bestrafe Dich nicht mit Schuldgefühlen. Ich denke, das mußt Du nicht. Du gehst voran, das Leben ist in ständiger Veränderung. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen, und die ES ist eben unsere Schwachstelle.

Ich habe so viele Rückfälle gehabt, noch nach Jahren, wo ich überhaupt nicht mehr mit gerechnet habe. Und ich war geschockt. Echt geschockt. Und ich mußte mich jedemal mühselig wieder heraus arbeiten.
Bittersweet hat geschrieben:Es geht mir wieder schlecht, und das Furchtbare für mich ist, dass ich nicht einmal so genau weiß wieso... Ich bin halt immer der Meinung, genau wissen zu müssen wieso ich jetzt einen FA habe. Aber irgendwie funktioniert diese Selbstreflexion nicht mehr so, vielleicht fehlt mir auch die Therapie, ich weiß nicht.
Das einzige, was ich derzeit weiß ist, dass der "Druck" wieder da ist, der Druck der Sucht nachzugehen.
Ohne Therapie ist es sicherlich sehr viel schwerer, das alles zu analysieren. Mit Therapie geht es schneller und einfacher. Aber auch allein kannst Du noch viel erkennen, wenn Du den ganzen Trouble genau beobachtest. Und das langfristig.

Dennoch, denke ich, Du kannst wieder in Kontakt gehen, mit Deiner damaligen Therapeutin, und sie fragen, was Du tun sollst/kannst. Das wird Dir gut tun. Du mußt Dich nicht verstecken.
Bittersweet hat geschrieben:Ich habe mich (nach einem anfänglichem Hoch, das durch all das Neue und Aufregende am Umziehen/Studienbeginn kam, was auch ungefähr in der Zeit war als ich den Thread erstellt habe) oft sehr einsam gefühlt.
Dann kam die Zeit der Bekanntschaften, die sich langsam zu Freundschaften entwickelt haben - das Problem ist nur, dass ich noch niemanden habe, dem ich mich so vollkommen öffnen könnte.
Meine Erfahrung, als ich zum studieren in eine andere Stadt gezogen bin, war genauso. Die ES hat wieder so stark Besitz von mir ergriffen, daß ich erst mal in eine Klinik mußte.

Aber es ist dann noch wirklich gut geworden. Als ich aus der Klinik raus war, ging es weiter.
Bittersweet hat geschrieben:s ist einfach furchtbar schwer, Kontakte und Freundschaften an beiden "Enden" des Landes aufrecht zu erhalten. Ich habe irgendwie Angst, dass die Freundschaften die ich in der neuen Stadt gefunden habe so fragil sind, dass man mich einfach "vergisst" wenn ich über längere Zeit nicht da bin...
Ist das verrückt? Kennt jemand von euch solche Situationen?
Ja, das ging mir auch so, aber ich habe mich dann in der neuen Stadt arrangiert, und meine alte Heimat aufgegeben.

Wenn Du Dich einsam fühlst, und über Deine Belastungen sprechen willst, gibt es auch noch die Anonymen Suchtgruppen. Da wird sehr intensiv miteinander über Sorgen und Probleme geteilt. Kostet fast nichts (Spende). Und tut sehr gut, weil ich dann nicht mehr alleine bin mit den Problemen. Und ist mit keinerlei Verpflichtungen verbunden.

http://www.overeatersanonymous.de/shop/ ... hop_param=

http://www.narcotics-anonymous.de/

Ist den Versuch wert. Ich gehe jede Woche hin. Das bringt wirklich viel Entwicklung.
Bittersweet hat geschrieben:Und natürlich kommt auch hinzu, dass ich derzeit die Wohnung kaum verlassen kann da mir eine RIESEN-Prüfung ins Haus steht und ich nicht den Nerv habe noch viel zu unternehmen...
Das ist eine immense Belastung, diese ewigen schweren Prüfungen. Als ich mein Examen gemacht habe, war ich nur noch mit FA/k* beschäftigt. Horror. Ich glaube, daß wir durch die ES einfach nicht mehr so belastbar sind.

Also, locker lassen, mit der Bewertung Deines Fortschritts. Du gehst immer weiter.

Wünsche Dir Gelassenheit. Einfach alles ganz genau beobachten, was auch immer geschieht.

Liebe Grüße

Mary Mary
Zuletzt geändert von mary mary am Do Mai 20, 2010 12:26, insgesamt 1-mal geändert.
Aus Begierde bist Du an die Welt gefesselt,
mittels derselben Begierde wirst Du von ihr befreit.

(Aus dem Hevajra-Tantra)

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#28
Hallo!

Ihr gebt mir wirklich Hoffnung, ich bin froh mich auf diesem Weg zum ersten Mal wieder geöffnet zu haben - in mir bewegt sich seither viel. Und eure Worte geben mir Kraft, mich nicht aufzugeben.

Andalucia, wie ist es dir denn dabei gegangen als du mir deinen Eltern und Freunden über die Rückfälle gesprochen hast? Gehst du offen mit der Krankheit um? Bei mir ist es jetzt fast wieder wie ganz am Anfang, ein Versteckspiel mit vielen Ausflüchten und Ausreden.
Andalucia hat geschrieben:Was ganz wichtig ist: Du fängst nicht wieder von vorne an.
Das stimmt, irgendwo in mir ist es, was auch immer es ist, was mir damals geholfen hat clean zu werden. Es ist nur viel leichter, das zu vergessen und wieder alles mit Essen zu ersticken, als an sich zu arbeiten, um gesund zu werden.
Bulimie zu haben ist finde ich ein wenig wie in einem Fluss auf einen großen Wasserfall zuzutreiben - das Treibenlassen ist einfach, aber irgendwann ist man vor einem Abgrund. Gegen den Strom anzuschwimmen braucht so viel Anstrengung, und irgendwie habe ich aufgehört zu schwimmen, weil ich dachte, ich wäre in Sicherheit... aber der Strom hat mich wieder mitgerissen.

Danke für deine lieben Worte, Mary Mary! Du klingst sehr gefestigt, ich weiß nicht wie ich es anders ausdrücken soll. Ich würde mir wünschen auch wieder an diesen Punkt zu kommen.

Ich weiß nicht, ob ich den Mut finde, meine ehemalige Therapeutin zu kontaktieren. Ich weiß natürlich, dass es das Beste wäre im Moment, aber der Schritt scheint mir derzeit ein so großer zu sein...

Danke für die Links, ich werde mir das ebenfalls durch den Kopf gehen lassen. Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, in der neuen Stadt eine Therapie zu beginnen - aber ich habe etwas Angst, gleich an jemanden zu stoßen, der mich nicht versteht, bei dem ich mich nicht so wohl fühle wie damals bei meiner Therapeutin. In einer Selbsthilfegruppe weiß ich nicht, ob ich so gut aufgehoben wäre. So wie ich mich kenne, glaube ich, ich hätte sehr starke Tendenzen den anderen helfen zu wollen und würde dabei auf mich selbst vergessen.
mary mary hat geschrieben:Ja, das ging mir auch so, aber ich habe mich dann in der neuen Stadt arrangiert, und meine alte Heimat aufgegeben.
Diese Option stellt sich für mich leider nicht, weil ich doch an sehr vielem in meiner alten Heimatstadt hänge. Mein Freund, der mir sehr geholfen hat und immer zur Seite steht, ist dort, genauso wie meine Mutter, mit der ich seit meiner Essstörung bzw. seit der Therapie ein sehr gutes Verhältnis habe. Ich bin wohl auch noch zu jung, mich vollkommen von zu Hause "abzunabeln".

Es ist irgendwie eine Urangst von mir, keine Freunde zu haben, alleine dazustehen und einsam sterben zu müssen. Das Thema ist schon oft bei mir hochgekommen, und die Angst, Freunde zu verlieren, hat mich häufig begleitet und zu Depressionen geführt.
Ich habe bis jetzt noch nicht richtig erkannt, wie ich die Sicherheit gewinne, dass mich die Leute nicht plötzlich fallen lassen. Am liebsten würde ich zu jedem hingehen und sagen "Bitte versichere mir, dass du nicht plötzlich aus meinem Leben verschwinden wirst. Bitte versprich, dass der Kontakt nicht abreißt, auch wenn ich aufgrund von Depressionen mich manchmal isoliere. Bitte hilf mir in solchen Situationen, wieder auf die Beine zu kommen, und wende dich nicht ab."

So blöd es klingt, aber ich glaube wenn mir jemand das versprechen würde, würde so eine riesige Last von mir abfallen...
mary mary hat geschrieben:Wünsche Dir Gelassenheit.
Ja, Gelassenheit, das trifft es. Ich wünschte, ich könnte wieder etwas gelassener an mein Leben herangehen.

Liebe Grüße
Wo wachsen eigentlich die Purzelbäume?

Re: was mir half, "gesund" zu werden

#29
Liebe Bittersweet,

bei mir war es einfach so, dass es irgendwann wieder total schlimm wurde. Ich habe mich in meinem Zimmer vergrochen und nicht mal meine beste Freundin reingelassen. ICh musste mir ständig Ausreden einfallen lassen und stand unter enormem Druck. Kann sein, dass es meine Mutter damals an meiner Stimme merkte, vielleicht habe ich es aber auch von mir aus erzählt. Irgendwann wird das Leben einfach unerträglich, vor allem wenn man die ganze Energie, die man u.a. für das Studium braucht in die Bulimie steckt. Es hat mich über Jahre hinweg in die Isolation getrieben und auch jetzt ist es noch schwer für mich, mich zu öffnen und anzunehmen wie ich bin. Bei mir waren Umüge anfangs auch immer positiv. Ich dachte mir immer, neue Stadt, neues Leben, aber irgendwann wird man wieder davon eingeholt.
Aber mal ehrlich, hast du ganz frei essen können, ohne dabei an Kalorien und zunehmen zu denken.
Ich war in dieser Zeit immer unglaublich diszipliniert. Klar habe ich für meine Verhältnisse normal gegessen, doch es war immer anstrengend den ganzen Verlockungen zu wiederstehen.

Heute esse ich normal und regelmäßig, das habe ich mühevoll und mit viel Leid in der Klinik gelernt. Es war schwer für mich zu akzeptieren, dass man dann zunimmt und die magische Gewichstgrenze ( die man sich irgendwann gesetzt hat) überschreitet. Es ist hart wenn man plötzlich nicht mehr dünn oder schlank ist, sondern normal oder fast ein bisschen pummelig. Aber das ist meiner Meinung nach der richtige Weg. Ein Verabschieden von den Werten unserer oberflächlichen Gesellschaft und ein Annehmen der eigenen Persönlichkeit.
Hey, aber dafür kann ich essen und es schmeckt :D

Die Angst mit den Freunden und Verlassensein kenne ich nur zu gut. Als ich neu in der Stadt war saß ich mal 2 Wochen lang während den Ferien alleine zu Hause. Nach einer Zeit wirst du aber herausfinden, dass deine wahren Freunde dich trotz der Distanz nicht im Stich lassen. Ich wohne mittlerweile seit fast 5 Jahren weit weg und komme 3-4 mal im Jahr nach Hause. Meine Familie und eine handvoll guter Freunde sind mir aber stets und immer geblieben.

Rückblickend bereue ich es, dass ich mich erst so spät wieder geöffnet habe. Hätte ich es früher gemacht, wäre ich vielleicht nicht noch einmal so tief gerutscht. Überlege dir einfach, wie deine Thera im schlimmsten Fall reagieren könnte. Aber sie wird bestimmt wieder an deiner Seite stehen. Du machst das ja nicht mit Absicht.

Liebe Grüße