Beginn einer Therapie.. habe Fragen u. Erfahrungen erwünscht

#1
Hallo,

Ich stehe gerade vor Beginn einer Therapie. Ein Erstgespräch hatte ich bisher.
Nun frage ich mich: Wieso wird immer behauptet, dass eine Therapie unabdingbar ist? - Mich interessiert es, was ihr durch die Therapie für Erfahrungen/Erkenntnisse erlebt habt, die ihr nicht alleine und ohne Therapie machen könntet? Was habt ihr geschafft, dass ihr nicht ohne eine Therapie hättet schaffen können? Und was hilft in der Therapie, um da rauszukommen? Und was war es allgemein (der Kern der Sache), das euch aus dem Teufelskreis rausgebracht hat?
Außerdem, habt ihr irgendwelche Tipps auf was man achten sollte, wenn man sich für eine Therapeutin entscheidet, damit sie zu einem passt?

Liebe Grüße,
Fledermaus99

Re: Beginn einer Therapie.. habe Fragen u. Erfahrungen erwün

#2
Hallo Fledermaus,

erst einmal Glückwunsch zum Vorgespräch! :)

Viele Fragen... ich weiß nicht, ob ich die direkt beantworten kann, aber ich versuche es mal...

1) Tipps, um festzustellen, ob die Therapeutin/ der Therapeut passt:
Meiner Meinung nach ist das relativ "einfach" - man muss sich nur trauen, dem eigenen Gefühl zu vertrauen. Falls ich biem ersten Gespräch merken würde, dass cih die Therapeutin nciht sympathisch finde, mich etwas an ihr stört, ich mich sehr unwohl mit ihr oder in der Situation/Praxis fühle, würde ich es gleich sein lassen. Während der ersten paar Sitzungen hat man dann Gelegenheit, ein bisschen mehr auszurpobieren, zu gucken, wie sie reagiert, wie man miteinander reden kann, sich versteht und ob es schnell zu Missverständnissen kommt. Sollte man sich nicht ganz sicher sein bezüglich einiger Dinge, würde ich das direkt in diesen Sitzungen ansprechen und abwarten, ob sich die Fragen klären lassen. Ist das so, fühle ich mich wohl, mag ich die Therapeutin und ihre Art zu arbeiten, lässt sich alles organisatorische regeln --> Therapeutin passt (vorerst).

Zusätzlich finde ich, sollte einem die Art der Therapie zusagen, die Termine machbar sein, die Therapeutin erläutern, wie sie sich die Therapie vorstellt und gemeinsame Ziele festgelegt bzw. Vorstellungen und Wünsche besprochen werden. Ich würde der Therapeutin tatsächlich auch die Fragen stellen, die du hier im Forum gestellt hast.


Zu meinen Erfahrungen:
Ich glaube, Erfahrungen sind SEHR subjektiv, was auf mich zutrifft, kann auf wen anderen sowas von gar nicht passen, daher sind sie mit Vorsicht zu genießen.
Ich denke nicht, dass eine Therapie unabdingbar ist. Ich kenne einige Personen, die auch ohne Therapie oder erst nach Therapieende in Sachen Essstörung weitergekommen sind. Für die meisten Essgestörten, die ich im Laufe der Zeit kennengelernt habe, war eine Therapie jedoch der Ort, wo sie an die Ursachen der Essstörung herangekommen sind, wo sie einen Raum nur für sich und ihre Gedanken hatten und Dinge aussprechen konnten, die sie sonst nicht zu sagen trauten. Außerdem bietet eine Therapeutin natürlich eine gewissen Art der Kontrolle und Sicherheit, sollte man (gesundheitlich oder psychisch) zu sehr abdriften, kann sie intervenieren und einen darauf aufmerksam machen (einem zu Kliniken raten, o.Ä.). Sie hat einen Blick von "außen" und ist NICHT in einer persönlichen Beziehung mit einem, was den großen Unterschied zu Familie & Freunden darstellt.

Verhaltenstherapie: Strategien zum direkten Umgang mit Anspannung, negativen Gedanken und Essanfällen
Gesprächstherapie (tiefenpsychologisch und analytisch): Erlernen, Gefühle wahrzunehmen, zu unterscheiden und mit ihnen umzugehen; Erkennen der Belastungsfaktoren und Auslöser der Essanfälle bzw. der Funktion der Essstörung; Veränderung der eigenen Wahrnehmung von mir selbst und von anderen Dingen, Erkennen typischer Verhaltens- und Denkmuster und Strukturen, die mich belastet und behindert haben; Betrachten, Infragestellen und Loslösen von Beziehungen, die mir nicht gut tun; Unterstützung in akuten Belastungssituationen; "Realitätsinput"; Vor- und Nachbetreuung im Rahmen von klinikaufenthalten; Erlernen imaginativer Übungen und Selbstfürsorge; Annäherung an Freunde und Wiederaufbau sozialer Beziehungen; Achtsamkeit bezüglich Selbstüberforderung; Mitgefühl für meine Situation und Belastung erhalten (nicht zu unterschätzen); Beginn, mich selbst ohne Essstörung kennenzulernen und zu definieren

In den Kliniken habe ich besonders von Körpertherapie (anderer Zugang - nicht durch Reden) profitiert - dabei wurde mir vieles klar. Außerdem war der Vorteil bei den Klinikaufenthalten Gleichgesinnte zum Austausch zu treffen, ein geregltes Essverhalten zu erlernen bzw. auszuprobieren und IMMER jemanden zum Reden zu haben. Außerdem musste man den Alltag nciht zusätzlich bewältigen, was ich als extrem entlastend empfunden habe.

Einen Wendepunkt direkt in der ambulanten Therapie gab es nicht, zunächst wurde meine Essstörung schlimmer und auch während der Therapien gab es Auf und Abs. Da ich allerdings nur tiefelpsychologisch/ analytisch orientierte ambualnte Therapie gemacht habe, war der Fokus auch nicht direkt auf einer schnellen, akuten Verhaltensänderung. Vieles ist zwischen den Terminen oder im Nachhinein passiert.

Was ich finde, was man jedoch stets im Hinterkopf haben sollte, bevor man sich entscheidet, ist, dass Therapie großartig, aber auch sehr schmerzhaft, anstrengend und lästig sein kann. Man verändert Einstellungen, Ansichten und Beziehungen und muss tatsächlich mehr oder weniger hart arbeiten. Das ist oft nicht angenehm und fordert Energie. Ich finde, es lohnt sich dennoch, aber es passieren (leider) eine Wunder :)

Viel Erfolg, ich hoffe, das hat geholfen :)